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Kirchen ... im Geiste der Zeit

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Vor zwei Jahren wurde an dieser Stelle über den kirchlichen Aufbau im Gebiete der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch berichtet. Seither konnte diese Bautätigkeit in unvermindertem Maße fortgesetzt werden. Ja, sie erfuhr im Gedächtnisjahr 1959 noch eine Steigerung. Mit den Renovierungen von Kirchen und Pfarrhöfen und den Neubauten von Pfarrheimen wollen wir uns nicht näher befassen. Am meisten interessieren die neugebauten Kirchen. Seit dem Kriege wurden fertiggestellt: Innsbruck-Neupradl (Architekt Albert), Innsbruck-Wilten West (Architekt Eichberger), Innsbruck, „Guter Hirte“ (Architekt Haas), Kirche im Priesterseminar (Architekt Linder), Wattens (Architekten Pfeiler), Grinzens Antoniuskirche,

Reutte-Tränkesiedlung,

Mittewald in Osttirol (Architekt Menardi),

Bregenz, St. Gebhard (Architekt Braun),

Tisis (Architekten Ender und Magloth),

Brederis (Architekt Marte),

Bludenz: Fatimakirche, Bings und Lorüns

(Architekt Linder). Unmittelbar vor der Fertigstellung stehen: Innsbruck, St.-Pauls-Gedächtniskirche

(Architekt Eichberger), Innsbruck-Neuarzl (Architekt Lackner), Vandans (Architekt Feßler). In Bau befinden sich: Landeck (Architekt Heltschl), Lienz (Architekten Buchrainer und Gruber), Altach (Architekt Kopf), Dornbirn, St. Christoph,

Muntlix (Architekt Magloth), Nofels (Architekt Wouk). Vom Tiroler Landesbauamt wurden bei den landwirtschaftlichen Lehranstalten in Lienz und Rotholz Kirchen gebaut. Vom selben Amt wurden anläßlich des Gedächtnisjahres 1959 die Gedächtniskapelle am Berg Isel, die Schupfen-kapelle, die Kapellen beim Speckbacherhof und im Volksbildungsheini Grillhof errichtet.

Das Knabenkonvikt „Marianum“ in Bregenz macht dank der großen Bauerfahrung von Prälaten Ammann gute Fortschritte und wird bald seiner Bestimmung übergeben werden können.

Wie überall bemüht man sich auch in unserem Kirchengebiet, aus dem Geiste unserer Zeit heraus zu bauen. Nehmen wir nur je ein Beispiel aus Tirol und Vorarlberg. Zur neuen Kirche in Vandans schreibt A. S t r o b e 1 in der „Tiroler Tageszeitung“ vom 3. September 1960: „Die beiden Innsbrucker Architekten Ingenieur Hans Feßler und lug. Ingo Feßler haben eine völlig neuartige Raumform geschaffen, die die christozentrischen Tendenzen des Kirchenbaues in seiner modernsten Form wahrt. Der ganze Bau und damit auch der Innenraum hat die Form eines Achteckes. An der Außenseite erhält dieser Überbau des Oktogons der Grundfläche eine eindrucksvolle Belebung dadurch, daß der Giebel des hochgezogenen Daches die beiden Hauptflächen der Altarwand und des Chors verbindet und dann steil an den beiden Mittelflächen fast bis zum Boden abfällt. Dieser in seiner eigenwilligen Form ungewohnte, aber sehr lebendig wirkende Kirchenbau soll als liturgische Stätte schon von außen für sich wirken. Deshalb wurde wohl an ihm kein Turm angebracht. Dieser befindet sich, wie ein Campanile in der Art der engadinischen Dorftürme, aufragend am Ende eines längeren ebenerdigen Anbaues an der Kirche, der die Sakristei und einen Pfarrsaal enthält. Der Innenraum wirkt durch die achteckige Grundform weit und wuchtig. Die durch die Raumform bedingte Neugestaltung des Gestühls bringt die Gläubigen näher an den Altar heran, und das ist ja der Zweck der christozentrischen Bewegung im modernen Kirchenbau.“

Zur Kirche in Innsbruck-Neuarzl, die am 25. September 1960 geweiht wurde, äußert sich ihr Erbauer Architekt Josef Lackner:

„Um das Geschehen am Altar räumlich zu bergen, baut der gläubige Mensch seit Jahrhunderten Räume, Architekturen — die Kirchen. Jeder kulturgeschichtliche Zeitraum ringt nach einem ihm gemäßen Ausdruck, das heißt, er schöpft seine geistigen, finanziellen und technischen Mittel aus, um Gott zu preisen.

Der Lehm, der Stein, das Holz und in letzter Zeit der Stahl und der Beton werden genützt und geformt, um Konstruktionen zu schaffen, welche, wahr und echt empfunden, auch zu Großartigkeiten führen. Die Kirche von Neuarzl bei Innsbruck ist aus Beton gestampft, gegossen und gespritzt. Sand, Zement, Wasser und Stahl sind durch die Kunst des Ingenieurs und der arbeitenden Hand zu einem

homogenen Ganzen geformt. Das Architektonische daran resultiert aus diesem Wissen und diesen Möglichkeiten.

Nach meinem Wollen beim Entwurf dieser Kirche befragt, antworte ich: Fünf Stufen über der Straße und dem Alltag habe ich einen Bezirk für das Gebet geschaffen, ihn aufgebaut und umgeben durch einen Kreutweg. Zur Straße und zur Gemeinde liegt dieser offen da — immer an den Leidensweg Christi erinnernd. Das ungefilterte Licht des Himmels erfüllt und sprengt den Raum — läßt ihn ausströmen zum Horizont. Der Beton ist roh belassen — er hat sein Arbeitskleid an. Die Schlichtheit des Äußeren und alle naturbelassenen Materialien erinnern an die Geburt Jesu in einem Stall und die Vergänglichkeit allen materiellen Glanzes.“

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