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Kirchenbau im Gedächtnisjahr

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Als die vereinte schwedische und französische Kriegsmacht 1647 Bregenz und andere Orte in Vorarlberg eingenommen hatte und bis zu den Grenzen Tirols vorgedrungen war, versammelten sich am 18. Jänner die Stände des Landes in Innsbruck. Sie gelobten, jenseits des Inns beim Höttinger Bach eine Mariahilf-Kirche zu bauen und ein Benefizium zu stiften für die Erhaltung des Vaterlandes und der katholischen Religion. Die Kirche wurde erbaut und konnte 1660 geweiht werden. Das Patronat über Kirche und Benefizium blieb bei der Tiroler Landschaft. Diese Kirche, die ursprünglich als reine Gelöbniskirche gedacht war, ist schon lange Seelsorgekirche geworden inmitten des inzwischen gewachsenen Stadtteiles Mariahilf. Dreihundert Jahre später — im 150. Gedächtnisjahr von 1809 — entsteht auf der anderen Seite der Stadt Innsbruck eine Gedächtniskirche, bei deren Grundsteinlegung der Landeshauptmann mit Vertretern der Landesregierung anwesend war. Von der Tiroler Landesregierung wurde ein ganz bedeutender Beitrag für den Bau dieser Kirche gestiftet aus derselben Gesinnung, daß der katholische Glaube gewahrt werde. In der wachsenden Landeshauptstadt soll es keine heidnischen Randzonen geben. Mitten in die neuen Stadtviertel werden deshalb Seelsorgekirchen hineingestellt. Im Gedächtnisjahr will man sich nicht bloß erinnern, sondern es soll Bleibendes gestiftet werden. Wer durch die Reichenauer Straße geht und die wachsenden Mauern der St.-Pauls-Landesgedächtniskirche an der Sill sieht, spürt, daß hier Gültiges für die Zukunft geschaffen wird. Die Kirche, die tausend Gläubigen Platz bieten wird, darf als das markanteste Denkmal dieses Gedächtnisjahres gelten.

Im Jahre 1896 wurde im besonderen Gedenken an den Treuebund, den das schwer bedrohte Land zur Zeit der Franzosenkriege mit dem göttlichen Bundesherrn geschlossen hat, die Herz-Jesu-Kirche in Innsbruck geweiht. Es ist verständlich, daß der Gedanke einer gründlichen Renovierung dieser Kirche gerade in diesem Jahr auf fruchtbaren Boden fällt.

1910 wurde auf dem Berg Isel die Kaiserjägerkapelle gebaut. Auf ihrem Altar erhebt sich das Kreuz von Josef Bachlechner, das im Festzug von 1909 durch Innsbrucks Straßen getragen wurde. Es ist Fortsetzung lebendiger Tiroler Tradition, daß auch jetzt die Gedächtnisstätte auf dem Berg Isel zur Aufbewahrung der Heldenbücher als Kapelle gebaut wird, in der das heilige Opfer für die Gefallenen gefeiert werden kann. Architekt Dipl.-Ing. Pra- chensky hat die Vorderfront völlig in Glas aufgelöst, um die typische Landschaft der Nordkette in wirkungsvoller Weise einzufangen. Inmitten dieser Landschaft thront das Bild Mariens, das von Professor Pontiller geschaffen wurde. Sie soll Herrin dieses Landes sein, das den Hohen Frauentag am 15. August mit besonderer Feierlichkeit begeht. Die Außenwand schmückt ein Gemälde von Raimund Wörle, das eine Kreuzigungsgruppe, umgeben von den Wappen der Städte Tirols, darstellt. Die Stelle des Johannes neben dem Kreuze nimmt ein Krieger ein. Auf der anderen Seite hält eine Mutter ihr Kind aus der Schwere dieser Zeit hinauf zum Gekreuzigten, dessen Antlitz das Erlösende, Befreiende sprechend zum Ausdruck bringt.

Die anderen Kirchenbauten, die nicht unmittelbar in Beziehung zum Gedächtnisjahr stehen,’ sollen nur kurz erwähnt sein. Der Rohbau der Kirche in Neuarzl am Stadtrande von Innsbruck konnte nach den klaren Plänen des Architekten Lackner fertiggestellt werden. Für die beiden Städte Landeck und Lienz, für die durch das starke Anwachsen der Siedlungen neue Seelsorgestellen notwendig werden, sind die Pläne für die neuen Kirchen erstellt, so daß mit dem Baubeginn noch in diesem Jahre gerechnet werden kann.

In der Besatzungszeit vor und nach 1809 war im Kirchenbau in Tirol nicht viel los. Im Kirch- Jein des Weilers Ulmich, das gleich nach der endgültigen Befreiung des Landes renoviert wurde, beginnt das diesbezügliche Chronogramm am Chorbogen mit „Pereunte corso”, aus dem die Freude über die wiedererlangte Freiheit in Heimat und Kirche zum Ausdruck kommt. Möge das Bauen in diesem Gedächtnisjahr den gleichen Idealen dienlich sein!

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