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Kirchenbauten, wie seit 300 Jahren nicht

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Die Verwüstungen des letzten Krieges an Baulichkeiten haben natürlich auch vor dem kirchlichen Gut in der Diözese Seckau nicht haltgemacht. Viele Gotteshäuser sind davon betroffen worden, und die Stagnation der Jahre 1938 bis 1945 war der teilweisen Überalterung von Pfarrhöfen nicht gerade dienlich. So ergab sich nach 1945 eine Verflechtung des Wiederaufbauens, einerseits durch die Behebung der Kriegsschäden in Form von Außen-und Innenrenovierungen und anderseits durch die Notwendigkeit, Kirchen und Pfarrhöfe neu zu bauen und alte Pfarrhöfe zu modernisieren. Wiederaufbau und Substanzverbesserung gingen (omit Hand in Hand. Was durch den verewigten Erzbischof Dr. Pawlikowski begönnert wurdet mußte durch den neuen D-zesanbischof Dr. Scbfoiswohl mit starker Hand und Umsicht weitergeführt und größtenteils neu geplant werden. Die Bischöfliche Finanzkammer unter Prälat Dr. M ö s 11 und Msgr. Dr. G o g e r sowie das neugeschaffene Bischöfliche Bauamt, zuerst unter Leitung des nunmehr verstorbenen Msgr. Haas, jetzt unter Aufsicht von Kanonikus G r a t z e r, sowie freischaffende Architekten, Künstler und Handwerker waren das Instrument in der Hand des Oberhirten. Bischof Dr. Schoiswohl sah sich daher neben seiner pastoralen Sendung auch den mannigfachen Aufgaben eines großen Bauherrn gegenüber. Tatsächlich wurde seit dreihundert Jahren auf dem kirchlichen Sektor nicht soviel geleistet wie seit 1945.

Die Zentrale der Diözese Seckau selbst, das Bischöfliche Ordinariat in Graz, wurde noch in den letzten Kriegsmonaten arg zerstört. Das in seinem Kern auf das Jahr 1257 zurückgehende Haus wurde durch die Architekten Bleich und Gallo witsch 1946 wiederaufgebaut und 1955 unter der Leitung von Kanzler Msgr. R e i n i s c h und Architekt Jäger um einen dritten Stock erhöht. Man gewann dadurch zirka 33 Räume. 1957 wurde das Haus durch ein außergewöhnlich dynamisches, inhaltsreiches und farbenprächtiges zirka 2X6 m großes Temperabild, „Die Sendung des Heiligen Geistes“, durch den Grazer Maler R. Szysz-k o w i t z bereichert.

Einer der bedeutendsten Kirchenbauten seit 1945 in der Diözese ist die Stahlkirche n der obersteirischen Industriestadt D o n a w 11 z. Von den Architekten L e b w o h 1 und Weber wurde der Grundriß mit parabel-fÖrmigen Stahlträgern überbaut. Darüber spannt sich ein Satteldach. Der Raumeindruck ist besonders feierlich und sakral. Ebenfalls in der Obersteiermark, in der alten Benediktinerabtei Seckau, ist bereits seit Jahren das über die Grenzen des Landes bekannte Fresko des Malers H. Böckl, „Die Apokalypse“, fertiggestellt. Drei Wände der sogenannten Engelskapelle sind damit geschmückt. Zusammen mit dem Szysko-witz-Bild, „Die sieben Schmerzen Maria“, in der von Architekt Ehrenhauser gestalteten Kreuzschwesternkapelle in Graz, bewirkte es die heftigste Auseinandersetzung auf dem Gebiet der zeitgenössischen Malerei. Ebenfalls in dem Kulturzentrum des Stiftes Seckau kam eine Plastik des Bildhauers S i 1 v e r i, ein „Auferstandener“, zur Aufstellung. Derselbe Künstler schuf in der Franziskanerkirche in Graz, im Rahmen einer neuen Altargestaltung durch Architekt Jäger, ein großes gußeisernes Kruzifix mit Corpus. Ein sieghafter Christus, der das Leiden überwunden hat, blickt auf die Gläubigen herab. Die Tabernakelgestaltung lag in den Händen des Bildhauers Ulf Mayer. Das jüngst fertiggestellte Antikglasfenster des Malers F e 1 f e r im Mittelfenster des frühgotischen Chores, läßt die großen Kriegsschäden an dieser Kirche bald vergessen. Tabernakel und Kreuz, in der von Architekt Lebwohl entworfenen Kirche in G ö s t i n g bei Graz, sind ebenfalls Arbeiten von Silveri sowie die Gruppe „Joachim und Anna mit dem Kind Maria“ in der Münzgrabenkirche in Graz. Dieses aus Bombentrümmern neu erstandene Gotteshaus wurde von den Architekten L i p p e r t und Ehrenberger geplant. Architekt Zotter baute die Pfarrkirche in Knittelfeld nach schweren Bombentreffern wieder auf. Dieses Werk kommt einem Neubau gleich, da das jetzige Hauptschiff in einem Winkel von neunzig Grad an die spärlich erhaltenen Reste eines gotischen Chores, der nun in außerordentlich reizvoller Weise das vertiefte Taufzentrum enthält, angebaut wurde. Von der künstlerischen Innenausstattung fallen vor allem die so farbkräftigen Glasfenster von Professor B i r k 1 e auf. Dieser Meister der Farbe und des Glases schuf auch die bis jetzt eindrucksvollsten Farbgläser der Steiermark nach dem Krieg, in der Stadtpfarrkirche zu Graz, unter Propst Fabian. Ebenfalls in der Landeshauptstadt entstanden von Architekt L e b w o h 1 die in einer durchweg modernen Note gehaltene große Kirche der Schwestern der guten Hirtinnen. Zwei weitere Schöpfungen von Lebwohl, mittelgroße Pfarrkirchen in Bärnbach und Frauenthal, halten sich mehr an traditionelle Formen. Erwähnung verdient die reizvoll in die Landschaft gestellte Filialkirche in S t e i n an der Enns (von Baumeister Pilz) und die eigenwillige Filialkirche in G r e i t h bei Mariazell von Architekt Weber. Dieses Kirchlein fällt vor allem durch sein ungewöhnlich steiles Satteldach auf, welches nur auf ein Meter hohen Seitenmauern ruht und somit einen nordischen Charakter aufweist. Die Vergrößerung der Pfarrkirche in Ottendorf kommt ebenfalls einem Neubau gleich. Die Architekten Walter und P 1 e n t e r konnten mit sparsamsten Mitteln einen sakralen Raum schaffen, in dem man beten kann. Am Äußeren fällt ein nicht herkömmlicher Zwiebelturm eines Ilzer Zimmermeisters auf. Architekt Walter war ferner maßgeblich tinter anderem bei den Wiederaufbauten der Pfarrkirche in Wenigzell, Straden und Miesenbach beteiligt. Zwiebeltürme, die keine Neuschöpfungen sein wollen und auch nicht sein können, da es sich um Wiederaufbauten kriegszerstörter Türme handelt, entstanden im Stift Vorau, in Oberhaus und in St. Jakob im Walde durch Architekt Jäger.

Das Hochaltarbild in Ottendorf, „Die heilige Helena“, sowie Deckenausmalungen in Wies, Kindberg und E i b i s w a 1 d stammen von dem Maler Toni Hafner. Er verfolgt in seinen Werken, zu denen auch viele Kreuzwegbilder zählen, einen traditionellen, jn die Nazarener erinnernden Stil.

Eine Kirche von Format und in durchweg einheitlicher von Architekt Schuster entworfener Konzeption entstand 1957 in dem Industrieort Schirmitzbühel bei Kapfenberg. Sie birgt einen klaren Raum in sich, der mit soliden Werkstoffen ausgestaltet ist. Das Innere wird durch die bunten Glasfenster von Decleva, welche in Betonsprossen gefaßt sind, geschmückt. Das Hochaltarkreuz war Anlaß mannigfacher Diskussionen. Eine weitere Industriekirche entstand in Hönigsberg bei Mürz-zuschlag aus einer ehemaligen Montagehalle durch Architekt Koch.

Zwei Projekte müssen deshalb auch erwähnt werden, da sie großzügige kirchliche Anlagen mit Kirche, Pfarrhof, Kindergarten und Pfr-heim umfassen: Die Anlagen von Wetzelsdorf bei Graz von Architekt L e b w o h ', mit Betonglasfenstern von Professor B i r k 1 e, und jene in S t a i n a c h an der Enns von Architekt Kirchner. -W W9'

Die größte Gesamtrestaurierung der Steiermark und die drittgrößte nach dem Stephansdom und dem Dom von Salzburg in Österreich überhaupt, war die mehr als drei Jahre dauernde Gesamtrestaurierung der Wallfahrtskirche von Mariazell unter der Leitung von Architekt Jäger. Die Restaurierung wurde aus Anlaß der 800-Jahr-Feier im Jahre 1957 abgeschlossen. Die fünfschiffige Pfeilerbasilika wurde sowohl außen als auch innen von Grund auf renoviert.

Der einzige Teil, der keine Erneuerung oder Überarbeitung erfahren hat, war der Fußboden der Kirche. Daraus kann man das Außmaß der Arbeiten erkennen. In dieser Gnadenkirche wurde von Architekt Jäger eine neue Sakristei errichtet, in der eine in der Gegenwart so seltene moderne Holzintarsienarbeit des Malers Kileny zur Aufstellung kam; es ist dies eine Kreuzigungsgruppe. Eine Werktagskapelle im Verband der Basilika wird heuer fertiggestellt.

Die zweite kleinere Restaurierung hat sich auf Freskenauffrischung, Stuck-, Wand- und Altarbehandlungen des von Fischer von Erlach geschaffenen Innenraumes des Mausoleums von Graz bezogen, in dessen Krypta derzeit Architekt Lorenz eine Bischofsgruft schafft. Mit dieser Arbeit finden wir den Anschluß an die Jahre 1959/60. in denen der Großteil jener Arbeiten beendet werden konnte, die durch Msgr. Haas, in der Osternummer der Furche 1958 „Der heutige Sakralbau“, Erwähnung fanden.

Die kirchliche Anlage in Graz - Andritz von Architekt Lorenz steht im Verband eines Villenviertels. Der zweite Kirchenbau von Architekt Schuster wurde in Kapfenberg— Heilige Familie, mit einem Pfarrhof, also auch eine kirchliche Anlage, errichtet. Architekt L e b w o h 1 schuf untei reger Mithilfe der Bevölkerung in Pölffngbrunn ein Gotteshaus, und der gleiche Architekt ist bei der so überaus diffizilen Vergrößerung der alten gotischbarocken Kirche Graz-St. Leonhard beteiligt. Architekt Jäger plante die Josefskirche in Rohrbach an der Lafnitz mit zwei Türmen, die durch ein goldeloxiertes Dach miteinander verbunden sind und bei der erstmals der Werkstein Maclit für die gesamte Fassadenverkleidung Verwendung findet. Ein 70 Quadratmeter großes Betonglasfenster der Malerin B i 1 g er, eine Tabernakelgestaltung aus Marmor des Bildhauers Ulf Mayer und die Kreuzwegstationen des Malers Kileny werden den Bau schmücken. Ein eigenartig situier-tes zirka 3 5 Quadratmeter großes, schräges Glasdachfenster, mit Antikglas vom Maler Szyszkowitz geschmückt, ist der künstlerische Anziehungspunkt der von Architekt Jäger geplanten Landkirche in Graz-Lustbühel. Ebenfalls am Rande der Landeshauptstadt entstand im Stiftingtal von Architekt H e i g 1 eine reizvolle Landkirche mit Flachdach und Schmuck vom Maler Silberbauer und Bildhauer Ulf Mayer.

Zu diesen Kirchenbauten gesellen sich im Jahre 1959/60 sieben Pfarrhofneubauten, und zwar: in Donnersbach und Deutschlandsberg, Thörl und A f 1 e n z (Architekt Jäger) sowie in St. Peter am Kammersberg, Stelrlsch-Laßnitz und Lan-n a c h. Eine Kirchturmsgestaltung in Feldbach, an Stelle des in den letzten Kriegstagen zerstörten Turmes, wurde 1960 von Architekt Jäger entworfen und gelangt 1961 zur Ausführung. Kirchenneubauten in L a ß n i t z-höhe bei Graz, Graz -Li eb ena u, Graz-Kroisbach, Graz - Thondorf und Thörl harren noch der Entscheidung.

Eine große geistige und finanzielle Belastung für die Diözese und deren Oberhirten erforderte in den letzten Jahren auch die durch Architekt Krisch vorgenommene Planung eines fortschrittlichen Siedlungswerkes am Rande der Landeshauptstadt.

Die alte Grazer Jesuitenuniversität, nächst des Domes, jetzt Priesterseminar, wurde nach langen Verhandlungen von der Diözese erworben und im Inneren von Architekt J o n-s e r umgeplant.

Auf den Sakralbau entfällt als wichtigster Akzent der künstlerische Schmuck; deshalb wurde dieser hier auch gestreift, und es braucht nicht verhehlt zu werden, daß bei all diesen Planungen und Werken der bildenden Kunst noch immer die große Schwierigkeit darin besteht, die konservativen alten Bevölkerungskreise nicht zu verletzen, der jungen Generation jedoch auch Rechnung zu tragen. Daraus entstehen zwangläufig Kompromisse, die sich erst nach Jahren ausgleichen werden.

Als Bilanz für den Zeitraum von 1945 kann also von 16 Kirchenneubauten, von 13 Pfarrhofneubauten und von zirka 50 Innen- und Außenrenovierungen in der Diözese Seckau berichtet werden.

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