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"Sakralraum im Umbruch" bietet Einblicke in den modernen Kirchenbau der Diözese Linz und diskutiert brennende Fragen zeitgemäßer Kirchenraumgestaltung.

Architektur ist die äußerste Haut, mit der wir uns umgeben, um die vielfältigen Übergänge zur Welt aus unserer Sicht zu ermöglichen. Von außen, aus umgekehrter Perspektive, bedeutet Architektur eine Visitenkarte, mit der wir uns der Welt vorstellen, mit der wir zu erkennen geben, ob, und wenn ja, in welcher Form wir uns Kommunikation vorstellen. Als Benützer von Architektur springt diese einfache Einteilung von Innen und Außen ständig hin und her, Architektur zeigt sich somit als eine komplexe Herausforderung für unser Dasein.

Neue Kirchen?

Genau diese Herausforderungen der Architektur werden im vorliegenden Bildband am speziellen Beispiel des Kirchenbaus auf hohem theoretischem Niveau und in trotzdem verständlicher Weise diskutiert. Der Herausgeber stellte sich mit seinen Mitautoren, allesamt ausgewiesene Fachleute, der Aufgabe, die Kirchenbauaktivitäten der Diözese Linz von 1948 bis heute zu dokumentieren, Stärken und Schwächen zu analysieren und gleichzeitig die brennenden Fragen, die heute in diesem Bereich relevant sind, zu besprechen. Der Band schließt damit an die drei Vorgängerpublikationen an, die einzelnen Architekten gewidmet waren, und bildet einen logischen - und hoffentlich nur vorläufigen - Abschluss der Reihe.

"Wen kümmert es, unter welchen Bedingungen Kirchenbau künftig noch möglich sein könnte, wenn ohnehin kaum mehr Kirchen gebaut werden? Sind Fragen der Umnutzung, des ethisch vertretbaren Verkaufs ungenutzter Kirchen oder das In-Betracht-Ziehen von Abbruch nicht näher liegende und drängendere Fragen?" Im Spannungsfeld dieser Fragen sind die einleitenden analytischen Beiträge angesiedelt. Wie kann der Kirchenbau Teil pastoraler Strategien sein, welchen ekklesiologischen Vorstellung hat er zu folgen, wie ist kirchliche Architektur im Umfeld städtischer Erlebnisinszenierung und der "Konkurrenz" durch Konsumtempel zu planen, wie können Partizipationsmodelle aussehen und umgesetzt werden, wie kann diese Architektur in ihrer Komplexität der menschlichen Lebensstruktur und den situativen Kommunikationsbedingungen entsprechen? Diesen Fragen gehen die Autoren nach, aus unterschiedlichen Blickwinkeln offerieren sie Antwortvorschläge. Seien es die Kirchenbauten als Heterotopoi, als gegenkulturelle Räume, die als Vergegenwärtigungsstätte ebenso wie als Zukunftswerkstatt dienen und damit Gottesdienst- und Bürgergemeinde ansprechen können. Sei es, dass Kirchenbauten vor dem Hintergrund einer Medienästhetik als hochleistende Attraktion und Vorspielmechanismus ihren zivilisatorischen Auftrag gemäß der eigenen Überzeugungen wieder aufnehmen. Sei es, dass der Kirchenraum aus Sicht des Liturgen nur die optimalen Rahmenbedingungen für den (liturgischen) Dialog zwischen Gott und Mensch schafft, jedoch nicht die dafür notwendige Offenheit der versammelten Gemeinde übernehmen kann. Sei es, dass der Kirchenraum Überlegungen einer unbewusst-körperlichen Schicht des Raumerlebens mitbedenkt. Sei es, dass man sich darauf besinnt, dass "der Raum kirchlichen Zusammenkommens und Feierns etwas anderes als ein sensationeller Lehrpfad disparater Raumeffekte und Lichtstimmungen" ist.

Umgesetzte Theorien

Im zweiten Teil des Bandes werden die zu verhandelnden Beispiele von ausgesuchten Architekturkritikern textlich und mit Fotografien und Grundrissplänen vorgestellt. Neben den beinahe klassisch zu bezeichnenden Beispielen der Christkönigkirche von Peter Behrens und St. Theresia von Rudolf Schwarz, beide in Linz, stechen noch die Kirchen Heiliges Kreuz von Ernst Hiesmayr in Langholzfeld, Heiliger Josef im Steyr-Ennsleite von Johann Gsteu, St. Stephan von Karl Odorizzi in Wels, St. Andreas von Roland Rainer in Puchenau und Christus der Auferstandene von Schütz/Mitani in Treffling hervor. Absoluter Höhepunkt der jüngeren Kirchenbaugeschichte ist über Oberösterreich hinaus sicher St. Franziskus von Riepl und Riepl in Steyr-Resthof, ein Bau, der viele der Forderungen aus der Theorie nicht nur umsetzt, sondern dieser darüber hinaus als phantastische Anregung dienen kann.

Der Band bietet Einblick in den Kirchenbau in der Diözese Linz nach dem Zweiten Weltkrieg und schafft durch die qualifizierten Architekturkritiken und die einleitenden Fachbeiträge Einblicke in die drängenden Fragen zu einem adäquaten Versammlungsraum christlicher Gemeinde. Und öffnet damit ein Feld, das nicht nur irgendwelchen Spezialisten ans Herz gelegt ist, sondern allen Benutzern derartiger Räume.

Sakralraum im Umbruch

Kirchenbau der Katholischen Kirche in Oberösterreich seit 1948

Hg. von Conrad Lienhardt

Reihe Kirchenbau, Bd. 4

Verlag Schnell und Steiner, Regensburg 2004. 192 Seiten, brosch., mit CD-ROM, e 51,30

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