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Künstliche „G’stetten" als natumeihe Spielplätze

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Wer kennt sie nicht, die als Kinderspielplätze deklarierten Asphaltwüsten mit den Kletter-Gittern und den „Fußballkäfigen"? Aber es kann auch anders gehen.

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Wer kennt sie nicht, die als Kinderspielplätze deklarierten Asphaltwüsten mit den Kletter-Gittern und den „Fußballkäfigen"? Aber es kann auch anders gehen.

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Hand aufs Herz: Wo haben Sie in ihren Kindestagen am heb-sten gespieh? Auf eingezäunten Spielplätzen, im elterlichen Wohnzimmer oder auf einer in der juvenilen Phantasie zur Schatzinsel mutierten „G’stetten"? Zumeist gestehen die Erwachsenen, daß für sie die „G’stetten" die weitaus größte Anziehungskraft hatte, berichtet Heinz Payer, der im Grazer Jugendamt für Kinderspielplätze zuständig ist.

Denn die Stadt Graz ist seit Jahren beispielgebend für eine moderne, kinder- und umweltgerechte öffentliche Spielraumgestaltung: von den 65 kommunalen Spielplätzen vmrden bereits 14 „alternativ" umgestaltet. Geistiger Vater der neuartigen Erlebnis-Spielräume ist der steirische „Architektur-Rebell" Ja-nos Koppandy. Am Anfang steht stets eine Bürgerversammlung mit den Anrainer-Familien. „Denn am wichtigsten ist, daß die Betroffenen - Eltern wie Kinder - wissen, was wir wollen, und daß wir wissen, was sie wollen", meint Payer. Das

Hauptproblem dabei sei meist, daß „sich die Erwachsenen unter einem tollen Spielplatz etwas ganz anderes vorstellen als die Kinder. Da überwiegt eine ,Katalog-Mentalität’ - wo bekomme ich die besten Spiel-Geräte her." Am besten könnten daher die Erwachsenen mit der eingangs zitierten Frage überredet werden, wo sie am liebsten gespielt haben.

Von der Ausgestaltung her ist deshalb jeder Spielplatz einzigartig und erinnert nur mehr entfernt an herkömmliche Spielplätze. Gefragt sind natumahe Erlebnisräume mit Sträu-chem, Büschen, Höhlen und Högein - eben eine künstlich angelegte „G’stetten". Pädagogisch enorm wichtig für die Entwicklung der Kinder sei, so Payer, „daß sie es lernen, sich auf ,schiefen Ebenen’ zu bewegen. Wir kennen Untersuchungen, wonach es Stadtkindern oft überaus schwer fällt, sich auf Hängen fortzubewegen, weil sie eigentlich nur ebene Flächen kennen.

In der natumahen Gestaltimg liege allerdings auch eines der Probleme für die Pflege der Spielrävune, speziell im städtischen Bereich, schildert Payer: „In den Augen mancher Erwachsenen ist das Gelände dann eben eine G’stetten, auf der man bedenkenlos Schutt und Müll abladen kann."

Unvermeidlich sind natürlich

Geräte wie Schaukeln, Ringelspiele oder Rutschen. „Aber wer sagt deim, daß ich für eine Rutsche unbedingt einen Stahl- oder Betonturm aufstellen muß? Das geht genauso gut auf dem Abhang eines kleinen Hügels", erläutert Payer. Und als Ringelspiel dient etwa ein modifiziertes Wagenrad.

Ähnliche Wege geht das in Steyr beheimatete „Institut für angewandte Umwelterziehung", das auch gemeinsam mit dem Grazer Jugendamt Anfang März anläßhch des „Jahres der Familie" in der steiri-schen Metropole ein internationales Symposion „Wel-

1 chen Spielraum

braucht die Zukunft?" veranstaltet.

Das Institut kann auf Projekte in den oberösterreichischen Gemeinden St. Veit im Mühlkreis, Mölln und Nußbach verweisen und bietet bundesweit Vorträge und Werkstätten, die Erstellung von Spielraumkonzepten für Gemeinden imd Ortsteile sowie die Planung, Beratung, Koordination und Bauleitung bei der Errichtung von naturnahen Spielflächen an.

Auch der Landschaftsökologe Wolfgang Eder vom Steyrer Um-welterziehungs-Institut betont, daß eine umfassende Bedarfserhebung bei und eine gemeinsame Planung mit den Betroffenen die Voraussetzung für eine erfolgreiche Spielraum-Gestaltung sind.

Einig ist sich Eder mit Payer darin, daß eigene Spielflächen für Kinder eigentUch nur ein halbherziger Kompromiß zwischen der verstädterten Welt der Erwachsenen und den Spielbedürfnissen der Heranwachsenden sein kann. Wünschenswert wäre eine kindergerechte Gestaltung des gescunten Siedlungsgebietes. Denn derzeit empfiehlt etwa die entsprechende Planungsnorm pro Einwohner bloß einen Quadratmeter Spielfläche - pro Wohneinheit jedoch 20 Quadratmeter als Auto- Abstellplatz.

Weitere InfomaHonm

sind erhältlich aber das Institut für angewandte Umwelterziehung, PFieserfeldplatz 22 A-4400 Steyr Telefon 07252IS1199-0

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