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Linz wurde Hodischulstadt

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Noch bevor der Bundespräsident und der Untierrichtsminaster, Landeshauptmann Dr. Gleißner und der Linzer Bürgermeister Aigner, noch bevor der neue Linzer Rektor Fröh- ler am 8. Oktober ihre Ansprachen im modernen Auditorium maximum der Linzer Hochschule halten, wurde Linz Hochschulstadt. Am 19. September konnten sich die ersten Hochschüler in den provisorischen Rektoratsräumen auf der Promenade in Linz inskribieren; zeitgerecht konnten neben der Hochschule die Studentenheime und die Professorenwohnungen am Rande der neuen Hochschulstadt fertiggestellt werden.

In der reichen und wechselvollen Geschichte des Landes ob der Enns, des einwohnermäßig drittgrößten österreichischen Bundeslandes, wird trotz allem dieser 8. Oktober ein nicht alltäglicher Tag bleiben.

Gewiß, schon im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts wurde Linz Sitz der obersten Landesbehörde und damiit Landeshauptstadt; seift dem Jahre 1503 ist' Linz ständiger Tagungsort der Landschaft ob der Enns, also der Landlstände und schon seit 1521 hieß ihr Vorsitzender und Hauptmann Landeshauptmann.

Das Land Stifters und Bruckners

Die Bedeutung des Landes ob der Enns, die verkehrsmäßig so wichtige Lage von Linz an der Donau, der Westbahn und nunmehr auch an der Autobahn, die Abrundung des oberösterreichischen Gebietes nach dem Hinzukommen der einstigen Wittelsbacher Erblande, des Innvier- tels, vor ziemlich genau 150 Jahren, ging nicht spurlos vorbei. Neben der staatlichen Verwaltung wurde Linz schließlich auch Sitz einer kirchlichen Verwaltung: 1784 trennte Kaiser

Josef II. die oberösterreichischen Dekanate vom Bistum Passau ab und ein Jahr später billigte Rom die Gründung des neuen Bistums. So ist Linz seit etwas mehr als 180 Jahren Bischofstadt und Zentrum der Diözesanverwaltung. Verhältnismäßig rasch wurde hier, in dieser josephinischen Gründung, vor allem von den Bischöfen Georg Thomas Ziegler und Franz Joseph Rudigier das josephinische Staatskirchentum überwunden.

Das Land der Schulen

Die neue Zeit brauchte moderne Verwaltungsstellen: 1850 wurde in Linz für die Länder Oberösterreich und Salzburg eine Postdirektion geschaffen; Linz wurde Sitz einer Bundesbahndirektion, deren Bereich an den von Wien, Villach und Innsbruck grenzt. Durch die Entstehung der neuen Großbetriebe im und nach dem zweiten Weltkrieg entstanden ln Oberösterreichs Landeshauptstadt Generaldirektionen dieser Werke mit einer breiten technischen Intelligenzschicht, deren Planungen und Erfindungen in alle Welt gewandert sind.

Die eher nüchterne, praktische Art des Oberösterreichers war dem Musischen immer etwas fremd; immerhin aber entstand hier, in einer Zeit, da „Linz“ mit „Provinz“ identifiziert wurde, inmitten der erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und. Liberalen, Adalbert Stifters Werk. Und fast zur selben Zeit wirkte — ganz ein Sohn dieses Landes und seines Zentralraumes — Anton Bruckner. Heute sind die hef tigen politischen Auseinandersetzungen jener Jahre unaktuell und auch unbekannt, dlas Wirken dieser Männer aber bleibt für immer mit diesem oberösterreichischen Land verbunden, auch wenn es schon in den Anfängen die engeren Grenzen der Heimat sprengte.

Aber auch schon in früheren Jahrzehnten hat das kulturelle Wirken vor allem der Stifte eine Fülle von Begabungen geweckt und gefördert. Vor allem Mondsee und Kremsmünster, Gleink und Baumgartenberg, St. Florian, Schlägl und Wilherdng, Lambach und Reichersberg hatten nicht nur seelsorgliche, sondern auch kulturelle Aufgaben, die denn erst vor 100 Jahren eine gewisse Ergänzung fanden, als Linz eine ausgesprochene Schulstadt wurde mit Bundesgewerbeschule, Bundeshandelsakademie und einer Reihe von

Mittelschulen verschiedenen Typs. Diese ursprünglich gewiß notwendige Ballung in dem nun auch zur Schulstadt gewordenen Linz endete praktisch nach dem zweiten Weltkrieg, als systematisch das Mittelschulwesen am Land ausgebaut wurde. Heute sind es nur noch zwei oberösterreichische Bezirke, die über keine Mittelschule verfügen, wenn auch hier bereits klare Planungen vorhanden sind. Damit allerdings wurde erst die Voraussetzung für den Ausbau einer modernen Hochschule ermöglicht, denn Oberösterreichs Anteil ist nicht nur bei den Hoch- schülem dürftig und rangiert nach dem Burgenland und Niederösterreich an drittletzter Stelle aller österreichischen Bundesländer; auch der Anteil der Mittelschüler ist noch nicht so, daß man selbstzufrieden zuschauen dürfte.

Aber nicht nur Salzburg, auch Linz hat schon einmal den Sprung zu einer Hochschule gemacht; das mutige Experiment war damals zu starken Belastungsproben ausgesetzt:

Reformation und Gegenreformation, aber auch die Auflösung des Jesuitenordens, der ursprünglich prominente Lehrer stellte. Letzter Rest dieser alten Linzer Hochschule, deren bauliche Relikte, etwa das „Noricum“, noch heute erhalten sind, ist die philosophisch-theologische Di- özesanlehranstalt, die nicht nur den Priesternachwuchs der Diözese, sondern auch — was den wenigsten bekannt ist — Mittelschulprofessoren für den Religionsunterricht heranbildet.

Trotz wesentlich anderer Zielsetzung als bei den ersten Versuchen soll doch manches von diesem ersten Experiment übernommen werden, nicht zuletzt der Name jenes Mannes, den die oberösterreichischen Landstände damals nach Linz beriefen: Johannes Kepler. In Linz wirkte dieser Würtemberger als Forscher und Lehner, und hier schrieb er sein bedeutsamstes Werk, die „Harmonices mundi libri V“, hier fand er das nach ihm benannte dritte Keplersche Gesetz.

Die Chance des „Überschaubaren"

Eine Verbindung sozialer, wirtschaftswissenschaftlicher und juridischer Studien mit technischen Fächern wäre zwar nicht grundsätzlich, immerhin aber für den österreichischen Raum etwas Neues; die neue bayrische technische Universität von Nürnberg-Erlangen, die viele Parallelen mit den Linzer Ausbauplänen hat, zeigt heute schon das Zukunftsträchtige solcher Kombinationen.

Die weitere Chance der Linzer Hochschule wird das „Überschaubare“ sein, die Möglichkeit einer engen Verbindung, eines fruchtbaren Nebeneinanders von Lehrenden und Lernenden und damit eine Rückkehr zum ursprünglichen Universitätscharakter, der in unserer Massengesellschaft wichtiger denn je ist.

Oberösterreich appelliert aber auch mit dieser Hochschulgründung, für die es mehr Opfer bringt als andere Länder, an das Verständnis in den anderen Bundesländern und an den anderen österreichischen Hohen Schulen, daß auch die regionale Aufgabe dieser neuen Hochschule, also ihre spezifische Bedeutung für Oberösterreich, nicht unterschätzt werden darf. Eine Linzer Tageszeitung veröffentlichte in diesen Tagen Grußworte von Hochschullehrern, die aus Oberösterreich stammen und an den verschiedensten Hochschulen Österreichs und des Auslandes wirken. Sie zeigen auf, welche Fülle von Begabungen Oberösterreich auf buchstäblich allen Gebieten hervorbringt. Oberösterreich übermittelt also dem Bund nicht nur einen reichen Anteil an Steuern, es stellte und stellt allen anderen österreichischen Hochschulen zahlreiche Lehrer und Gelehrte zur Verfügung. Man wird also Verständnis dafür aufbringen müssen, daß Oberösterreich nicht nur immer wieder geben und befruchten kann, sondern selbst einmal ein geistiges Zentrum braucht, eine hohe Wirkungsstätte für die eigene begabte Jugend, aber auch ein Forschungszentrum, wohin sie fremde Gelehrte berufen kann, um den bislang unterbrochenen geistigen Blutkreislauf zu schließen. Diese regionale Aufgabe der neuen Linzer Hochschule wird aber letztlich auch seine Früchte für ganz Österreich tragen.

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