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Lokale oder internationale dicke Luft?

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Der Sommersmog ist verzogen und mit ihm das für Pflanzen giftige, für Tiere und Menschen als Reizgas wirkende bodennahe Ozon. Aber - der nächste Sommer kommt bestimmt. Die Frage, ob zur Reduzierung des bodennahen Ozons einzelne lokale Maßnahmen oder nur großflächig angelegte Änderungen zielführend sind, beschäftigt Wissenschaftler und Techniker. Im Juni dieses Jahres hat das Umweltministerium von Baden-Württemberg einen Großversuch über die Wirkung einer lokalen Reduktion der Ozon-Hauptverursacher Stickoxide und Kohlenwasserstoffe durchgeführt. Wissenschaftler des Forschungszentrums Seibersdorf bei Wien waren mit einem Spezialmeßverfahren beteiligt.

Die lokal unterschiedlichen Konzentrationen des bodennahen Ozons scheinen auf den ersten Blick para dox. Sie sinken um stark befahrene Straßen und steigen in umliegenden, ländlichen Gebieten. Die Stickoxide der Autoabgase gelangen als Monoxid (NO) in die Luft, wo sie vorerst das Ozon zerstören. Dabei entsteht Stickstoffdioxid. Durch Sonneneinstrahlung wird es gespalten und es bildet sich neuerlich Ozon. Die ebenfalls durch Sonnenlicht verursachte Oxidation der Kohlenwasserstoffe verstärkt diesen Prozeß und führt zum Sommersmog. Werden die abgasreichen Luftmassen bei Sonnenschein vom Wind vertragen, entsteht laufend neues Ozon und hohe Konzentrationen können sich aufbauen.

In Heilbronn wurde im Juni für einige Tage der Autoverkehr auf Fahrzeuge mit geregeltem Katalysator, schadstoffarme Dieselfahrzeuge und Fahrten im allgemeinen Interesse eingeschränkt. Auf der Autobahn wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 60 Kilometern in der Stunde verfügt, die Autofabrik Audi verringerte die Emission von Lacklösemitteln und das Heizkraftwerk erzeugte zwei • Tage keinen Strom.

Die anfallenden Mengen Ozon, Stickoxiden, Kohlenwasserstoffen und krebserregendes Benzol wurden von 40 Wissenschaftlern unter anderem aus Holland und Frankreich gemessen. 16 Meßwägen, zwei Fesselballons und ein Meßflugzeug wurden eingesetzt. Ergänzend zu den Schadstoffbestimmungen hat ein Team aus Seibersdorf Ausbreitungsuntersuchungen durchgeführt. Harald Rötzer: „Das chemisch inerte und ungiftige Tracergas Schwefelhexafluorid wurde in der Stadtmitte freigesetzt. Bei den Meßwägen wurden mit automatischen Geräten während des ganzen Tages Luftproben gesammelt, die anschließend mit einem Gaschromatographen analysiert wurden. Mit dieser Meßmethode kann das Tracergas noch in einer Verdünnung von eins zu einer Billion (!!) nachgewiesen werden.“

Die bisherige Auswertung des Großversuchs zeigt, daß es neben einer Lärmreduktion zur Verringerung der Stickoxide und Kohlenwasserstoffe um 40 Prozent und des Benzols um drei Viertel gekommen ist. Die Beantwortung der Frage, ob sommerliche Spitzenkonzentrationen von Ozon durch lokal begrenzte Maßnahmen wie in dem Versuch gekappt werden können, oder ob großräumige Luftströmungen dafür zu stark sind, wird mit der Auswertung aller Messungen erst im kommenden Jahr erwartet.

Wolfgang Seiler vom Fraunhofer- Institut für atmosphärische Umweltforschung, das nicht an den Untersuchungen in Heilbronn beteiligt war, sieht von vorne herein nur großflächige Maßnahmen als sinnvoll an. Er fordert der Verkehrssituation angepaßte Geschwindigkeiten, abgasärmere Motoren, einen höheren Kraftstoffpreis, sparsamere Autos und intelligente Verkehrsleitsysteme.

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