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Mehr Ehrfurcht vor Fischer von Erlach

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Am 10. Juni wurde nach kurzer Laufzeit die nur wenig beachtete Ausstellung der 38 Entwürfe geschlossen, die zur Ausschreibung eines Wettbewerbes des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau eingelangt waren, ausgeschrieben „zur Erlangung von Entwürfen für den Neubau eines Amtsgebäudes für das Statistische Zentralamt und das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen...“. Das heißt, aus dem Amtsdeutsch in Alltagssprache übersetzt, zur Vernichtung des herrlichsten Palastes des älteren Fischer von Erlach und mit ihm des Palais Auersperg und der Altstadtreste um das Mechitaristenkloster.

Um es vorweg zu sagen: Was da die öffentliche Hand als Eigentümerin eines künstlerisch und städtebaulich unermeßlich wertvollen Grundes in die Tat umsetzen möchte,, ist ein Eingriff, der an Robustheit das in den Schatten stellen würde, was das faschistische Italien in den Altstädten von Brescia und Trient angerichtet hat. Diesmal ist es nicht der Verkehr, der allgewaltige, dem ungezählte Opfer gebracht wurden — erst vor kurzer Zeit die aus dem 16. Jahrhundert stammende Albrechtsrampe —, sondern die Bürokratie, die vermeint, sie müsse sich unter allen Umständen in den verhältnismäßig engen Raum zwischen zwei Barockpaläste zwängen, in ein Hochhaus von 3 5 Meter Höhe, mit einem Rauminhalt von 90.000 Raummeter!

Den beiden Palästen waren Gärten zugeordnet. Noch grüßen bis zur Babenbergerstraße die hohen Bäume aus dem Garten des Palais ,-vuersperg, und auch der Garten des Palais Trautson könnte noch da sein oder wieder da sein, wenn nicht die Straßenverwaltung Karren und Barrierestöcke dort abgestellt und eine Autoreparaturwerkstätte sich dort niedergelassen hätte. Das wissen freilich nur wenige Wiener. Denn wie viele sind schon einmal durch das Tor Lerchenfelder Straße 1 getreten?

Hand aufs Herz! Wer weiß denn auch, daß da eine wundervolle barocke Gartenfassade seit Jahrzehnten auf ihre Freilegung, eine prachtvolle Sala terrena auf ihre „Ausgrabung“ warten, nachdem sie in geradezu unglaublicher Weise mißhandelt und mißbraucht worden sind? Daß uns Wienern, aber auch derganzen Kulturwelt ein „neuer“ “Barock-palast, ein „neuer“ Barockgarten geschenkt werden könnten, wenn wir nur wollten, wenn wir nicht jetzt, da uns ein solches Gnadengeschenk werden soll, es schnöde ausschlügen?

Es ist doch um Gottes willen das allererste Gebot der Städtebaukunst, mit dem Pfunde zu wuchern, das will sagen: zu nutzen, was uns die Natur bietet, was unsere Ahnen uns hinterlassen haben. Was man da tun will, ist eine Vergeudung höchster Werte.

Nein, statt eines staatlichen Bürohauses wünschen wir hier den wiedererstandenen Garten des Palais Trautson, der zu“ dem anmutigen Palais Auersperg überleiten soll. Und da wir die Forderungen des Großstadtverkehrs nicht verkennen, wünschen und verlangen wir, daß die Gabe der Natur auch so genützt werde, daß unter dem Garten eine unsichtbar bleibende Garage, ein ebensolcher Parkplatz — für nicht weniger als 150 Wagen — erstehe. Jede andere Lösung ist abzulehnen.

Die unselige Ausstellung, die bewies, was freilich keines Beweises bedurft hätte, nämlich, daß die Forderungen des Wettbewerbes unerfüllbar sind,zeigte in dem Projekt 5b, wie die hier erhobenen Forderungen erfüllt werden können. In der Tat war der Planentwerfer zu 5 b der einzige, der überhaupt erkannt hatte, was hier auf dem Spiele steht, der einzige auch, der das

Gelände kennt und weiß, was da herauszuholen wäre.

Gegenüber dem Mittelteil der Gartenfront erhob sich einst die Orangerie (noch stehen vier Bogen des barocken Baues, durch deren einen man den Garten betritt), also sieht er dort einen mäßig hohen Trakt vor; er deckt die Feuermauern der Häuser an der Mcchitaristengasse durch einen Gartentrakt ab; er gliedert die doppelte, auf Mechitaristen- und auf Gartengrund ziehende Trennungsmauer durch eine barocke Wandteilung (wie im Savoyschen Damenstift und im Finanzministerium), er läßt die Gartenmauer an der Museumstraße wieder erstehen und bindet den ganz unzulänglichen Weghuber-park in den neuen alten Garten ein. Was uns da geschenkt werden könnte, zeigt in großartigerer, heute freilich nicht durchaus zu verwirklichender Weise das ursprüngliche Projekt des Planentwerfers. Damals war den zum Wettbewerb eingeladenen Architekten die Widmung des Geländes bis zur Mechitaristengasse freigestellt. Jenes Projekt sah das Palais

Trautson und den Neubau an der Lerchenfelder Straße, Mechitaristen- und Neustjiftgasse für das Museum der Stadt Wien vor; die Häuser an der ungeraden Seite der Mechi-taristengasse, darunter das Geburtshaus Joseph Lanners (geboren 1801), sollten, mit dem Neubau durch eine Straßenbrücke verbunden, einen Teil des Museums bilden. Auch hier war eine unterirdische Garage vorgesehen. Die gründlichen Studien von damals gestatteten dem Planverfasser zu 5 b, auch heute noch aus dem Gelände herauszuholen, was nur irgend herauszuholen ist. Hier wird der einzig mögliche Weg zur Lösung gezeigt. Ein neu auszuschreibender Wettbewerb, der allein den Forderungen des Denkmalschutzes und der schuldigen Ehrfurcht vor dem größten Baumeister Oesterreichs gerecht wird, wird von diesem und von dem in der Ausstellung gezeigten Projekt 5 b auszugehen haben.

Die Wettbewerbsausschreibung und ihr folgend die Planentwerfer haben von dem Dasein des Gartensaales und seiner Bedeutung für Palais und Garten überhaupt nicht Kenntnis genommen. Durch jede Bauführung in deren Sinne würde nicht nur die Umgebung der beiden Paläste und damit deren Erscheinungsbild, sondern auch ganz wesentliche Teile der Fischer-schen Meisterschöpfung, Gartensaal und Garten, für immer vernichtet werden. Wir Wiener sind schon so arm geworden an wertvollen Bauten, wir können uns einen solchen Verlust einfach nicht mehr leisten.

In den nächsten Wochen werden zwei neue Bücher über den älteren Fischer erscheinen, von dem Oesterreicher Hans S e d I m a y r (Universität München) und dem Deutschen George Kunoth (Universität Bonn); sie werden uns zur Wiederkehr des dreihundertsten Geburtstages des Meisters geschenkt werden. Ohne Zweifel werden beide Gelehrte des Palais Trautson gedenken. Sorgen wir dafür, daß die ihm gewidmeten Seiten keine Totenklage sein werden um den schönsten Palastbau unseres Fischer von Erlach!

Die Nationalbibliothek braucht Räume, also lege man sie in das Palais, das vom selben Meister entworfen wurde wie jene; oder man suche einen anderen, der Würde des Palastes angemessenen Verwendungszweck, nur lasse man ihn nicht verkommen, in des Meisters Ehrenjahr!

Was wir brauchen, ist nicht ein neues Hochhaus, nicht ein neuer Flakturm, nicht ein neuer Ringturm, nein, es sind zwei herrliche Barockpaläste und derneueWienerMirabell-garten!

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