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Moderne Gruft in barocker Kirche

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Einer der interessantesten und kunsthistorisch wertvollsten

Bauten der steirischen Landeshauptstadt — das Mausoleum Kaiser Ferdinands II. — erfuhr, von der Offentlichkeit kaum beachtet, erst in unseren Tagen seine bauliche Vollendung. Es ist der Initiative des steirischen Oberhirten, Didzesanbischof Dr. Josef Schoiswohl zu danken, daB dieses Bauwerk, das eine bewegte Baugeschichte zu verzeichnen hat, baulich saniert und hierbei zu einer wufdigen Grabstatte fiir die Bischofe von Seckau ausgebaut wurde.

Die erste Etappe der Erneuerung des Innenraumes erfolgte anlaBIich der 300. Wiederkehr des Geburtstages Johann Bern- hard Fischer von Erlachs im Jahre 1956. Damals wurden — als Huldigung an einen der groBten, in Graz geborenen Bau- kiinstler der osterreichischen Barocke — vor allem seine Stuck- dekorationen, die Fresken und Altare einer griindlichen Renovierung unterzogen und die Wande der Raume von spateren Verunstaltungen gereinigt.

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T m Sommer 1959 beauftragte Bischof Dr. Schoiswohl den -*■ Autor dieses Artikels, die Moglichkeit zu priifen, die Krypta des. Grazer Domes, in der die Fiirstbischofe Dr. Zangerle und Dr. Schuster, sowie eine Reihe von Patres der Societas Jesu in Sarkophagnischen beigesetzt sind, zu einer wiirdigen Bischofs- gruft auszubauen. Gleichzeitig sollte die Frage geklart werden, ob hinter dem barocken Ausbau der Krypta nicht vielleicht Reste einer romanischen Krypta der fruheren Pfarrkirche zum heiligen Agydius zum Vorschein kommen. Die kunsthistori- schen und baulichen LIntersuchungen verliefen negativ. Ein Ausbau der Krypta zu einer modernen Bischofsgruft — etwa wie in St. Stephan in Wien — ware statisch und architektonisch mit aufierordentlichen Schwierigkeiten verbunden gewesen. Die statischen LIntersuchungen, die von o. Professor Dr. E. Friedrich durchgeffihrt wurden, ergaben, daB nur mit grofiem Aufwand ein grundrifilich und baukiinstlerisch einwandfreier Gruftraum ge- schaffen werden konnte.

Es bot sich somit zwangslaufig der neben der Domkirche ge- legene Mausoleumsbau zur Aufnahme einer Bischofsgruft an, insbesondere der sfidlich an die Vierungskuppel angrenzende Ovalkuppelraum fiber der Gruftkapelle des Kaisers Ferdinand IL, der nie restlos fertiggestellt wurde. In den drei Wandnischen befanden sich zwar Altare, die 1714 vom damaligen Ffirstbischof von Seckau, Joseph Dominikus Graf Lamberg, konsekriert, jedoch nicht weiter ausgebaut wurden. Sie bestanden lediglich aus einem gemauerten Stipes und einer Mensaplatte.

Die eigentliche Raumidee — zweifellos eine geniale Konzep- tion des Erbauers des Mausoleums, Pietro de Pomis — wurde .vpllig zunichte gen).aclu.durdy.4je| Aufsteljuug des Heilig Grahes von Veit.Koniger-ln-dterWVitle des Raumes. Dieser, aus den Jahten' 1767-bis‘fr7>69>-stammend| prikqblsfjl’i'ospekt,,,4er? fiir eine Aufstellung in der Karwoche unter der Vierungskuppel entworfen worden war, fand nun fiir Jahrzehnte Aufnahme unter der Ovalkuppel, deren MaBstab er nicht nur vollig sprengte, sondern fiberdies die Verbindung des unteren Gruftraumes mit dem darfiberliegenden Kuppelraum zudeckte und damit eine Bauidee, die spater in Europa weithin Schule machen sollte, optisch nicht mehr in Erscheinung treten liefi.

Bereits die kunstgeschichtliche Forschung des vorigen Jahr- hunderts hat auf die auB er ordentlichen Qualitaten dieses Baues hingewiesen, mit dessen Entwurf Erzherzog Ferdinand — der spatere rbmische Kaiser Ferdinand II. — 1614 seinen Hof- maler Pietro de Pomis beauftragte. So schreibt Josef Wastler 1884 in den „Mitteilungen der k. k. Zentralkommission fiir Kunstgeschichte und Denkmalpflege": ,,Diese malerische Bau- gruppe hat ihresgleichen nicht in ganz Deutschland. Durch den Mausoleumsbau hat sich P. de Pomis unter die ersten auf Deutschlands Boden weilenden Architekten seiner Zeit gestellt." 1889 urteilt Gurlitt in der „Ersten deutschen Geschichte des Barocks": ,Ein sehr merkwiirdiger, in den Formen schwerer, aber hochst wirkungsvoller Bau von ganz ungewbhnlicher barocker Gestalt... Die Verdachung ist durch zwei ineinandergeschach- telte Giebel geschmiickt, weit friiher, als dies in Rom oder in Paris beliebt wurde."

Die originellste Raumidee wurde jedoch bisher kaum ge- wfirdigt, namlich die raumliche Verbindung und Gestaltung der beiden siidlichen Kuppelraume, wie sie insbesondere die Quer- schnittzeichnung des Baues deutlich macht: der im Unter- geschoB gelegene Gruftraum des Kaisers ist als ein auBer- ordentlich gedrficktes, niedriges Kuppelgewolbe ausgebildet, das im Scheitel durch eine ovale Offnung mit dem darfiberliegenden Raum, dem „Auferstehungsraum“ verbunden ist, dessen Kuppel in einer bis dahin nicht gekannten Weise gestelzt ist und daher durch ihr Hoherstreben die Idee der Auferstehung des Fleisches am Jfingsten Tage in eine architektonische Realitat umsetzt. Es ist die antike Idee des Pantheons mit der zentralen Kuppel- offnung, die hier wiederkehrt, allerdings in christlichem Sinne fiberwolbt von einer Kuppel, die wiederum in ihrem Zentrum eine Laterne tragt, durch die das himmlische Licht in den irdischen Raum fallt. Es ist die gleiche Raumidee, in der spater im Invalidendom in Paris die Gruft Napoleons I. eingebaut wurde, zweifellos ohne Kenntnis der bereits fiber 200 Jahre fruher in Graz inaugurierten ahnlichen Losung.

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T'Xiese originale Raumidee wieder in Erscheinung treten zu

' lassen, war eines der Grundprinzipien ffir die Neugestaltung, die der Schreiber dieser Zeilen in standiger Ffihlungnahme mit dem Bauamt des bischoflichen Seckauer Ordinariates und dem Bundesdenkmalamt vornahm. Aus diesem Grunde wurde das Heilige Grab von Koniger entfernt. Es wurde in seine Einzel- teile zerlegt, in einem eigens hierffir geschaffenen Depotraum untergebracht und wird jeweils in der Karwoche unter der Vierungskuppel wieder aufgestellt. In den drei Mauernischen, die friiher die unvollendeten Altare bargen, wurden je drei fiberein- anderliegende Sarkophagnischen eingebaut, die die sterblichen Uberreste der Bischofe von Seckau aufnehtnen sollen. Diese Nischen werden mittels Steinplatten verschlossen, die das bi- schofliche Wappen in BronzeguB und eine Inschrift tragen. Ffir die Fiirstbischofe Dr. Zangerle und Dr. Schuster, deren Sarko- phage am Allerseelentage 1960 von der Krypta des Domes in das Mausoleum ubertragen wurden, wurde die Inschrift in klassischer Antiqua von Dozent F. Krainz entworfen und in Platten von Kanfanarmarmor geschnitten.

Uber der ovalen Kuppeloffnung wurde auf einem Stufenpqdest ein zentralefAItar errichtet, der den sakralen Mittelpunkt der neuen Bischofsgruft bildet. Damit wurde — zum ersteniftal iir. der Diozese Seckau — ein reiner Zentralraum als Kultraum geschaf- fen, wie er der Renaissance vorgeschwebt hat und der in der modernen Sakralbaukunst eine immer groBere Rolle zu spielen beginnt. Denn dieser freistehende Altar gestattet, die heilige Messe „zum Volke gerichtet" zu lesen, beziehungsweise gestattet der Gemeinde, sich um den Altar zu gruppieren und dadurch der Opferhandlung in unmittelbarer Nahe zu folgen. Den einzigen Schmuck des Altares bilden daher nur ein niedriges Altarkreuz und sechs, ebenfalls niedrig gestaltete Kerzenleuchter. Das Altarkreuz — eine moderne plastische Gestaltung in durchscheinendem GlasfluB, in Bronze gefafit — bietet einen wirkungsvollen Gegen- satz zu dem bewegten barocken Kruzifix — dessen prachtvoller Corpus von Veit Koniger stammt —, das in der mittleren Sar- kophagnische neuerlich aufgehangt wurde. Um eine bessere Ver- scbmelzung mit der weiB getfinchten Wand zu erreichen, wurden die Kreuzbalken ebenfals weiB gestrichen. Die Altarleuchter sind niedrige, kelchartig ausgebildete Lichttrager aus Bronze mit Ab- tropfschalen aus Acryl-Glas, mit denen die verwendeten dicken,

Das Hauptbestreben des Architekten beim Ausbau dieses wertvollen Baues war, eine Harmonie der bewegten barocken Formen mit den einfachen Gestaltungsmitteln unserer Zeit zu erreichen, die immer dann gelingt, wenn bewufit auf eine Anlehnung an historisch bedingte Formen verzichtet und wenn versucht wird, mit Einffihlung in die rein architektonischen Qualitaten eines Raumes mit den Mitteln der Proportion, der Ubereinstimmung der Materialien und der Wirkung der Ober- flachenkonstrukturen eine Einheit auf hoherer Ebene zu erzielen.

Nach Entfernung des heiligen Grabprospektes von Veit Koniger kam ein prachtvolles, schmiedeeisernes Frfihbarockgitter zum Vorschein. mit' dem die ovale, pantheonartige Kuppeloffnung abgedeckt war. Das Gitter wurde nach Renovierung in den zentralen Stufenpodest eingebaut, so daB die Offnung wieder die Hauptlichtquelle ffir deh Gruftraum des'Kaisers bildet uhd andefseits vcftf dhfi Stufcn der''Mens'h aus der Blick ih diesen Raum freigegeben ist.

Im Zuge dieser Umgestaltung wurde auch eine Erneuerung des Gesamtraumes vorgenommen. Der schadhafte FuBboden wurde entfernt, gegen Feuchtigkeit isoliert und durch neue Terrazzoplatten in Rot-Grau ersetzt, die Stufen in rotem Vero- neser Marmor erneuert. Gleichzeitig wurden die baulichen Vor- kehrungen fiir die spatere Einziehung einer Elektrobahkheizung und einer indirekten Kuppelbeleuchtung getroffen. Die primi- tiven Banke wurden durcb ein massives Gestuhle, in Eiche fur- niert, ersetzt und ein Windfang in moderner Stahlkonstruktion eingebaut. In den kommenden Jahren sollen die AuBenfassaden und die Sakristei einer griindlichen Renovierung und der arg vernachlaBigte Vorplatz einer Neugestaltung unterzogen werden.

T_T ierdurch waren — nach einer Bauzeit von sechs Monaten — die baulichen MaBnahmen eines auBerst beachtlichen Baues zum AbschluB gebracht, dessen Ausbau durch manches MiBgeschick verzogert wurde. Wenn auch in manchen Details plump und iiberdimensioniert, handelt es sich doch um einen Bau, der im deutschen Sprachgebiet nirgends — vielleicht mit Ausnahme der Schonbornschen Gruftkapelle am Wiirzburger Dom — die Bauideen Giuliano de Sangallos und Vignolas und die hochbarocken Dekorationselemente von II Gesu und S. Ignazio in Rom reiner zum Ausdruck bringt, als in diesem Gruftbau eines romischen Kaisers, der nun zur letzten Ruhe- statte der Bischofe von Seckau werden soli.

Zweifellos hat Kaiser Leopold I. die tragende Kraft dieser Raumidee geffihlt, als er 1687 den damals 31jahrigen Fischer von Erlach, der eben seine Lehrjahre in Italien beendet hatte, beauftragte, die Innengestaltung des Mausoleums zu fiber- nehmen.

Damals scheint diese BaumaBnahme nicht nur baukiinstlerisch, sondern auch technisch eine dringende Notwendigkeit gewesen zu sein. Denn 1686 richtet die „groBe academische Sodalitat Beatae Virginis ab Angelo Salutatae", die ihre religiosen Ubungen im Mausoleum abzuhalten pflegte. an die ,,Hoch- lobliche Inner Osterreichische Hoff Cammer" ein Memorandum, in dem sie um Renovierung des Innenraumes bittet. da

„das Gebeu wegen der yblverwarten Fensterstockh durch daps sich eintriingende Ungewiiter fast yberlestiget warden; bevor aber aufs Gelegenheit des ungeweisten gemeuers, wie auch viller hinterlaPsner Gertist-Fenster und anderer dergleichen Blind- Hblle daps Ungeziiffer der FlodermeiPsen sich dermapsen ge- heiffet hat, das es nicht allem sonst allerseitzs, sondern auch umb und auf den hl. Altar selbsten unglaubliche Hapslichkeit, gestankh und unflaterey angerichtet; also ist gemelte Sodali- tet. . . genbthiget worden, Verbesserung des Orthes vorzu- kehren".

So ist dieser Bau Symbol echt osterreichischen Schicksals. Begonnen sechs Jahre vor der schicksalsschweren Schlacht am WeiBen Berg bei Prag, innig verbunden mit der Gegenreforma- tion in Innerosterreich, in seiner Innendekoration das erste bedeutende Werk jenes Baukfinstlers, dessen Tatigkeit Oster- reich internationale Anerkennung in der barocken Architektur verschaffen sollte — und dennoch unvollendet geblieben bis auf die heutigen Tage.

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