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Niederösterreidi holt auf

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Seit ihrem Bestehen ist. die Niederösterreichische Landesausstellung ein Spiegel der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung des vom Krieg und seinen Nachwirkungen am schwersten betroffenen österreichischen Bundeslandes, ein Spiegel, der ein unverzerrtes, wahrheitsgetreues Bild wiedergibt.

Als die niederösterreichische Wirtschaft im Jahre 1948 zum ersten Male mit einer improvisierten Landesmesse in Krems ein zaghaftes, doch von ungebrochenem Lebenswillen zeugendes Lebenszeichen von sich gab, lagen bekanntlich die Verhältnisse in unserem Lande noch sehr im argen. Die Schwerbeschädigten Betriebe, die überdies durch Demontagen der Besatzungsmacht fast ohne Maschinen dastanden, kennzeichneten die trostlose Situation. Außerdem befand sich etwa ein Drittel der Industrien in russischer Verwaltung. Das durch die Besatzung verursachte ungünstige Klima hatte außerdem zur Folge, daß ein Großteil der Firmen nach dem Westen übersiedelte. Die niederöster- reichische Wirtschaft bot ein Bild der völligen Stagnation.

Aber schon die Landesausstellung 1953 verriet bedeutungsvolle Ansätze einer Wiedergesundung des wirtschaftlichen Gefüges Niederösterreichs. Die folgenden Ausstellungen in den Jahren 1955 und vor allem 1957 verstärkten diesen Eindruck.

Wenn wir heuer Bilanz ziehen, dann können trnsdie Erfolge leider nicht darüber hinweg- i'Äöstfe:,o'''daß -ätich; gegenwärtig noch.iidde Wünsche unerfüllt sind, daß auf manchen Gebieten der Aufschwung noch kaum über das Anfangsstadium hinausgekommen ist.

Die besondere Sorge des Landes gilt den sogenannten Notstandsgebieten, jenen Gegenden im nördlichen Waldviertel und im Raume von Wiener Neustadt, Baden, Berndorf, Schwechat, die an der Konjunktur nur in sehr geringem Ausmaß partizipieren konnten. Die unzureichende Beschäftigungsmöglichkeit beeinflußt den Arbeitsmarkt sehr ungünstig. Ein im letzten Jahr gegründeter sogenannter Landesentwicklungsverein setzt nun auf Landesebene die Bemühungen um Ansiedlung neuer Industriebetriebe in diesen Gebieten fort, die vorher von lokalen Organisationen bereits angebahnt wurden. Es konnten bereits einige Erfolge in dieser Richtung erzielt werden. Ich verweise zum Beispiel auf die Errichtung eines neuen, Betriebes in Wiener Neudorf durch eine weltbekannte Radiofirma, auf die Erweiterung der Berndorfer Metallwarenfabrik im Zuge der Fusionierung mit dem Aluminiumwerk Ranshofen und auf die dortige Kugellagerfabrikation der Firma Pötzl, auf den Bau einer Großraffinerie und chemischen Industrie in Schwechat, auf den Holzverarbeitungsbetrieb in Langenlois, der sehr beachtlich ist. In Ybbs an der Donau hat im November 1958 ein neues Stahlwerk den Betrieb aufge-

nommen, und gegenwärtig arbeitet man bereits an einem Erweiterungsbau — Die Ansiedlung von neuen Betrieben setzt allerdings die Erschließung der Gebiete, insbesondere des Waldviertels, durch gute, dauerhafte Straßen voraus. Vom Land wurde in dieser Beziehung bereits alles, was nur möglich war, unternommen.

Die Landesausstellung wird einen instruktiven Querschnitt durch die niederösterreichische Industrie, die einen beträchtlichen Anteil an den österreichischen Exportkontingenten hat, bieten. Vor allem den Erzeugnissen der Textilbranche, die neben der Papier- und Holzindustrie einen Hauptdevisenbringer unseres Landes darstellt, ist ein breiter Raum gewidmet.

Die beiden Landesgesellschaften NEWAG und NIOGAS veranschaulichen in ihren Kojen den großen Aufschwung Niederösterreichs auf dem Sektor der Energiewirtschaft. Das Erdgasversorgungsnetz der NIOGAS konnte so weit ausgebaut werden, daß eine weitere Ausdehnung ohne Erschließung neuer Erdgasvorkommen fast nicht mehr möglich erscheint. Im nördlichen Weinviertel wurde heuer im Frühjahr ein neuartiges Kraftwerk, ein Erdgasturbinenkraftwerk, vollendet und in Betrieb genommen. Eine ähnliche Anlage entsteht auch in Korneuburg. Die Kohlenabsatzkrise und die damit Hand in Hand gehende Existenzbedrohung der im Bergbau Beschäftigten ließ den Plan reifen, in der Nähe der Hohen Wand ein kalorisches Kraftwerk zu errichten. Mit der Fertigstellung des Donaukraftwerkes Ybbs-Persenbeug, dessen ’kühne Anlage durch ein Modell der Donaukraftwerke AG. auf der Landesausstellung gezeigt wird, konnte in der Energieversorgung Niederösterreichs ein gewaltiger Schritt vorwärts gemacht werden.

Sehr stark wird auf der Landesausstellung das Gewerbe des Landes vertreten sein, kommt doch diesem Wirtschaftszweig in der Struktur der niederösterreichischen Wirtschaft eine ganz besondere Bedeutung zu. Wie die Beschäftigtenstatistik unseres Landes zeigt, finden im Gewerbe mehr Menschen ihren Lebensunterhalt als in der Industrie.

Die einschneidenden Wandlungen, die die Technik in der Landwirtschaft ausgelöst hat, werden durch die große Zahl von Firmen zum Ausdruck gebracht, die landwirtschaftliche Maschinen ausstellen.

In einer der Kojen wird die niederösterreichische Landesregierung für den Fremdenverkehr werben. Gerade auf diesem Sektor wurde ja Niederösterreich, wie zum Beispiel durch den Bau der neuen Wachaustraße, um zugkräftige Attraktionen bereichert. In der Wiederentdek- kung des ruhigen und erholungspendenden niederösterreichischen Dorfes, des lange Zeit abseits von den großen Fremdenverkehrszentren unbeachtet blieb, scheint sich eine vielversprechende Entwicklung anzubahnen, die freilich noch tatkräftiger Förderung bedarf.

Die heurige Landesausstellung kann auf eine Rekordausstellerzahl verweisen. .Waren es vor zwei' Jahren 45 b, so sind es heuer 5ÖO Aus- ' steiler/ dii-hier mit'ihren Erzeugnissen aufwarten. Dabei mußten zahlreiche Anmeldungen abgewiesen werden.

Die Wachaustadt Krems war schon in frühesten Zeiten in besonderem Maße ein Pegel des .gesamtniederösterreichischen Schicksals. Ihr Wohl und Wehe spiegelte die Situation des ganzen Landes wider. Deswegen erschien diese Stadt auch prädestiniert, von 1948 an den mühevollen Aufstieg Niederösterreichs bei den Landesmessen im Querschnitt zu zeigen. Für uns Niederösterreicher kommt dem Besuch dieser Ausstellung daher ein gewisser symbolischer Charakter zu. Wenn heuer die 120 Scheinwerfer ihr Licht über den Kremser Stadtpark strahlen, dann wird vielleicht manch einer sich der notdürftigen Beleuchtung der Nachkriegszeit erinnern — und all der Traurigkeit und Trostlosigkeit, die sie gespenstisch erhellte. Möge es diesem Lande in naher Zukunft vergönnt sein, durch seine Landesausstellungen dokumentieren zu können, vollständig über dem Berg zu sein, all das eingeholt zu haben, was die westlichen Bundesländer längst voraus hatten.

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