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Präsenz in Zentren des Lebens

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Oase und Wärmstube - für Passanten, Suchende, Obdachlose: Kirche in der Frankfurter City bietet nicht nur Herkömmliches an.

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Oase und Wärmstube - für Passanten, Suchende, Obdachlose: Kirche in der Frankfurter City bietet nicht nur Herkömmliches an.

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Die katholische Kirche von Frankfurt/Main ist eine lebendige Stadtkirche im Wandel, die bereit ist, unter Deutung der Zeichen der Zeit auf die sich ändernden Umweltbedingungen dieser Großstadt einzugehen und diese mitzugestalten. Der Frankfurter Kontext ist schwierig: Nur 28 Prozent der Großstädter sind katholisch, wobei der Anteil der Christen anderer Muttersprache bei 31 Prozent liegt.

Dem Zentrum kommt besondere Bedeutung für die ganze Stadt zu: Es hat die meisten Gottesdienstbesucher (24 Prozent, wobei aber nur 17 Pro zent in der City wohnen) und mit 44 Prozent den höchsten Anteil ausländischer Christen. Die City ist kaum Wohnort, aber Lebenskern der Stadt. Sie ist Entscheidungszentrum in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht und Ort der Stadtöffentlichkeit, als Aktivitätszentrum, in dem alle relevanten Feiern oder Demonstrationen stattfinden. Schließlich ist die City jener Bereich, in dem Ambivalenzen der städtischen Gesellschaft drastisch sichtbar werden (zum Beispiel Obdachlose, die sich am Fuße des Turms der Deutschen Bank zur Buhe betten).

Auf diese besonderen Merkmale verucht die Kirche in der Citypastoral einzugehen:

Nach der erfolgreichen Zusammenlegung der Domgemeinde und der Gemeinde St. Leonhard existieren nunmehr zwei Pfarren im Zentrum, die sich jeweils ergänzende Schwerpunkte in ihren pastoralen Angeboten gewählt haben: Der Dom ist „Kulturzentrum” und kirchliches Stadtzentrum, St. Leonhard „Liturgiezentrum” und die Liebfrauenkirche „spirituelles Zentrum”. Spezielle Angebote existieren dabei je nach den persönlichen Charismen der Haupt- und Ehrenamtlichen. Die Liebfrauenkirche bietet sich durch ihre sehr günstige Lage mitten im Zentrum und ihre Geschichte (sie war schon ursprünglich als Passage- Kirche geplant, da sie mitten in die Stadtmauer gebaut wurde) als geistiges Zentrum an. Die Pfarre besteht eigentlich aus vier Gemeinden: Einer kleinen Ortsgemeinde, einer großen „Citygemeinde” (Menschen, die in der City tagsüber leben), und einer „Passantengemeinde” (Menschen, die nur im Vorbeigehen in die Kirche kommen). Es wurde erkannt, daß das rein territoriale Prinzip der Pfarrzuordnung den Gegebenheiten im Stadtzentrum nicht entspricht.

Daraus wurden einige spezielle Angebote für die Liebfrauenkirche entwickelt:

■ ein ruhiger Innenhof - für sich eine Art „Oase” mitten in der Stadt;

■ die „Lourdesgrotte”: als einziges Element nicht durch den Zweiten Weltkrieg zerstört, ist sie noch heute eine Art „Klagemauer” für die Stadt - ein Fürbittbuch und Kerzen sind ständig vorhanden;

■ die täglich geöffnete Anbetungskapelle;

■ die Kirche selbst ist eine Oase, und Wärmstube für Obdachlose und Passanten im Winter: ein „Begrüßungsdienst” existiert (Die Kirche hat über-pfarrliche, ja überstädtische und überkonfessionelle Bedeutung);

■ ein Mittagsgebet für Passanten („fünf nach zwölf”), das jeweils zehn Minuten dauert und von verschiedenen Gruppen gestaltet wird;

■ den Schwerpunkt Beichtzentrum, dazu auch geistliche Begleitung - unter anderem von Erwachsenen taufen;

■ Obdachlosenarbeit, da sich viele Obdachlose im Zentrum aufhalten: außer Frühstück und Wärmekirche anzubieten, ist es wichtig, auch Lobby für diese Menschen zu sein („politische Diakonie”);

■ Verkündigung: Predigtreihen, Bibelschule, „Grundkurs des Glaubens”, „Ansichtssache” (eine Art Hyde Park Corner zu festen Themen);

■ Segen: alle Personen, die sich oder Gegenstände segnen lassen wollen, können am Ende der Samstagsmesse diesen erhalten.

Die hier angebotene Citypastoral entspricht der Gemeindeebene, also der Profilierung von Gemeinden, die sich ihrer Lage bewußt sind und dementsprechend Schwerpunkte gesetzt haben.

Als besonderes Angebot der Stadtkirche wurde der „Kirchenladen” aufgebaut: Dieser ist eine offene, niederschwellige, einladende Informati-ons- und Kontaktstelle der katholisehen Kirche für Passanten und Interessierte. Zentraler Sinn ist es, in den heutigen Lebenszentren präsent zu sein und Kontakt mit dem befreienden und humanisierenden Evangelium in passantengerechter Form anzubieten. Indem versucht wird, sich auf jedes Anliegen ernsthaft einzulassen, kann die Erfahrung einer offenen, einladenden und menschenfreundlichen Kirche gemacht werden.

Der „Kirchenladen” versucht, diesem Anspruch auf dreierlei Weise gerecht zu werden. Er will

■ Information über das kirchliche lieben in Frankfurt in unverbindlicher und leicht erreichbarer Form geben,

■ ein informelles Gesprächsangebot in Glaubens und Kirchenfragen bieten und

■ „erste Anlaufstelle” sein, die an entsprechende Fachberatungen weitervermittelt.

Eine grundlegende Erfahrung der letzten fünf Jahre war, daß Fernstehende kirchliche Angebote wahrnehmen, wenn diese keine unmittelbare Verpflichtung nach sich ziehen (könnten). Der „Kirchenladen” ist nicht Konkurrenz zu Angeboten der kirchlichen Gemeinden, sondern weist auf passende Angebote hin um Vielfalt transparent zu machen und übersichtlich zu gestalten!

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