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Pragmatische Exportpolitik

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Wertvolle Ergänzungen bot auch die Warenordnung. Natürlich hatte der Gemeinsame Agrarmarkt mit seinen diktatorischen Regulierungen und Preisabschöpfungen zur Folge, daß unser Export von lebenden Tieren um 32 Prozent gesunken war, aber sonst gab es nur Rückfälle bei Wein, Gasöl, Butter, Magnesit, Schafwolle, Zellulose, Zugschiffen und Lokomotiven. Trotz der schärfsten internationalen Konkurrenz haben sich Eisen und Stahl, Maschinen und elektrische Apparate, Papier, Textilien und Metallwaren gut entwickelt, während infolge des Strukturwandels andere Kategorien hohe Zuwachsraten erzielten, wie Kleidung, NE-Metalle, Glas-, Schuh-und Kautschukwaren, ferner Farben (+ 26 Prozent), Kunststoffe (+ 29 Prozent), Gedenkmünzen (+ 29 Prozent) und Leder (+ 47 Prozent), die, ein wichtiges Element des

Ausgleichs, zumeist nach ganz verschiedenen Richtungen tendierten.

Nutzung aller Chancen

Österreich besitzt zahlreiche Spezialprodukte bewährter Durchschlagskraft, die bisher noch jede internationale Konkurrenz bestanden haben. Dazu gehören, um nur einige Beispiele zu nennen, Feinbleche, Röhren, Stabstahl und Konstruktionen, Pumpen, Dampfkessel, Armaturen, Kugellager und Maschinen zur Metallbearbeitung, dann der vielfältige Kreis der elektrischen Apparate von den Transformatoren bis zu den Bleikabeln und Schaltgeräten, ferner Farben und Lacke, Kunstdünger und Kunststoffe, endlich Textilien und Stickereien mit ihrer weltweiten Streuung, zuletzt Glaswaren und Phantasieschmuck, Kunstfasern und Gedenkmünzen, Sport- und Tonbandgeräte. Da keine Entwicklung geradlinig verläuft, sondern sich jeder Aufstieg in Etappen vollzieht, einer plötzlichen Expansion stets eine Atempause folgt, beobachtet man bei manchen Gelegenheiten, daß Exportchancen oft nur zögernd und mißtrauisch genützt werden. Abgesehen von Vorarlberg sowie den traditionellen Exportindustrien der Steiermark und in Oberösterreich, besteht in einigen Bundesländern geradezu eine heftige Abneigung gegen jeden Handel mit Skandinavien und den überseeischen Ländern. Selbst wer ein günstiges Arrangement mit Brüssel erhofft, das vermutlich erst im Jahre 1970 in Kraft treten könnte, muß zugeben, daß Österreich eine Übergangsperiode bevorsteht, in der es sich stärker als bisher um eine Erweiterung seiner Exporte nach allen Bichtungen bemühen sollte. Unter dem Druck des steigenden Konsums, der höheren Investitionen und einer übertriebenen Motorisierung besteht die Gefahr, daß die Importschwemme in eine dauernde Erscheinung ausartet, deren Schäden nur mit Hilfe einer planmäßigen Förderung der Exporte und des ausländischen Fremdenverkehrs behoben werden können. Es ist nachgerade üblich, alles Heil in den technischen Bereichen und in einer „dynamischen Struktur“ zu suchen. Dabei geraten einige Dinge vollkommen in Vergessenheit, darunter der kategorische Imperativ zum weiteren Ausbau der Exportorganisation. Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat mit ihren Vertretungen im Ausland sowie den periodischen Konferenzen und Sprechtagen ihrer Delegierten in Wien und den Alpenländern eine Leistung vollbracht, die nicht hoch genug einzuschätzen ist, aber von vielen Interessenten nicht hinreichend ausgenützt wird. Notwendig wären daher

• eine Erweiterung der Vertretungen im Ausland und ihre Unterstützung durch reisende Vertreter einzelner Branchen,

• eine Erforschung der ausländischen Märkte und eine sehr rasche Orientierung der Exportindustrien,

• eine intensive Beteiligung an fremden Messen und Ausstellungen,

• eine stärkere Heranziehung des Hafens von Triest für den Verkehr mit Afrika und dem Nahen Osten,

• eine Überprüfung der Verkehrsprobleme und ein rascher Ausbau der Frachtlinien der AUA,

• eine Verbesserung der Korrespondenz mit dem Ausland sowie ein gründliches Studium der englischen, spanischen und französischen Sprache.

Im Augenblick leidet Österreich unter zahlreichen Widersprüchen zwischen Theorie und Praxis. Nachdem aber die Theorie im günstigsten Fall erst in drei Jahren verwirklicht werden kann, ist die Frage „Was wäre, wenn... ?“ leicht zu beantworten. Ähnlich der Radiorede des Präsidenten Podgorny war auch die „Importschwemme 1966“ eine Warnung, so daß Österreich, unabhängig von weiteren Verhandlungen in Brüssel, eine pragmatische Exportpolitik treiben muß. Da Anfang Jänner 1967 zwischen den EFTA-Staaten der zollfreie Verkehr der Industriewaren in Kraft getreten ist, sollte Wien zunächst die vollkommene Öffnung eines Marktes von hundert Millionen Einwohnern ausnützen. Wie an den ersten Daten der Handelsstatistik des Jahres 1967 erkennbar ist, scheint dieser Prozeß bereits im Gang zu sein.

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