6618150-1955_45_07.jpg
Digital In Arbeit

Prospekte und Maschinen

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn das Publikum im festlichen Theater sitzt und das letzte Klingelzeichen den Beginn der Vorstellung ankündigt, hat die architektonische Ausgestaltung des Raumes ihre Wirkung getan, die Besucher in festliche Stimmung versetzt und so auf den kommenden Kunstgenuß vorbereitet. Wenn dann das Licht im Zuschauerhaus erlischt und der Vorhang sich hebt, suchen die Künstler den Zuschauer in eine andere Welt zu entführen, und wohl niemand im Publikum denkt daran, daß hinter der Proszeniumswand eine Welt der Maschinen und elektrischen Anlagen beginnt, die in ihrer nüchternen Sachlichkeit dem Geschehen des Theaters dient und erst durch ihre Funktion die künstlerische Betätigung ermöglicht.

Unter den technischen Einrichtungen eines Theaters sind zwei Gruppen zu unterscheiden. Die erste dieser Gruppen umfaßt Einrichtungen, die der Bequemlichkeit und der Sicherheit von Publikum und Ensemble dienen und durch ihr

Vorhandensein die Möglichkeit für eine ernste Arbeit im Hause schaffen. Dies sind die Hei-zungs- und Lüftungsanlagen sowie die Sicherheitseinrichtungen. Sie sollen möglichst unauffällig wirken, so daß der Benutzer des Hauses erst bei ihrem Versagen ihr Vorhandensein merkt.

Die zweite Gruppe, die im wesentlichen die Bühnenmaschinerie und die zugehörige Beleuchtung umfaßt, schafft die Voraussetzung für szenische Aufbauten und Umbauten, dient somit der künstlerischen Bestimmung des Hauses, während die Bühnenbeleuchtung in der Hand eines modernen Regisseurs ein markantes künstlerisches Element darstellt, von dessen richtigem Einsatz der Gesamterfolg wesentlich abhängt.

Beim Wiederaufbau der Staatsoper, die bekanntlich in ihren Außenmaßen unverändert erhalten blieb, mußte versucht werden, alle nicht unbedingt im Hause notwendigen Einrichtungen aus der Oper zu entfernen. Dazu gehörte außer verschiedenen Magazinen und Werkstätten auch das Kesselhaus, welches die Oper vor der Zerstörung mit Wärme versorgte. Man entschloß sich, die beiden Bundestheater und das Betriebsgebäude der Bundestheaterverwaltung in der Hanuschgasse zu einem Fernheizsystem mit der Hofburg und der Albertina zusammenzuschließen und im Kesselhaus der Hofburg, welches seit eh und je vorhanden war, durch Einbau raumsparender moderner Hochdruck-Kesselanlagen eine Fernhenzentrale zu schaffen, die über Heißwasserleitungen die vorgenannten Gebäude mit Wärme versorgt. Der dadurch entstehende Vorteil liegt klar auf der Hand. Es wurde aus den Theatern die Feuerstelle und die Anhäufung von brennbaren Materialien entfernt, was eine bedeutende Erhöhung der Sicherheit des Hauses mit sich bringt. Außerdem entfällt in den, beiden Bundestheatern in Zukunft die Schmutzplage, die früher durch Zutransport des Brennmateriales und den Abtransport der Schlacke zwangsläufig entstehen mußte.

Die Heizungsanlage der neuen Siaatsoper wurde, im Gegensatz zum alten Haus, als reine Warmwasserpumpenheizung eingerichtet, was den Vorteil größter Regelfähigkeit bringt. Der Zuschauerraum und die Bühne wurden mit eir.er Vollklimaanlage ausgestattet, die ihr Kühlwasser von im Hause vorhandenen Brunnen bezieht. Die Frischluft für diese klimatisierten Räume und die mit Luftheizung ausgestatteten Pausensäle des Publikums und Proberäume der Künstler wird dem .Burggarten entnommen und durch einen neu hergestellten Lufttunnel unter der Operngasse in das Theater geführt, dort entsprechend aufbereitet und dann mit eigenen Ventilatoranlagen im Hause verteilt. Die normale Heizung des Hauses erfolgt in bekannter Weise durch Warmwasserradiatoren. Die einzelnen Heizstränge sind fernelektrisch von einer gemeinsamen Zentrale aus schaltbar und werden durch eine Temperaturfernmeßanlage überwacht, so daß das Heizpersonal in der Lage ist, die Temperatur in den einzelnen Raumgruppen, dem jeweiligen Windanfall und der Benützung des Raumes entsprechend, fernelektrisch zu regeln und den Erfolg der Regulierung an Hand der Meßinstrumente zu überwachen.

Mit Erwähnung der Temperaturfernmeßanlage wurde schon das Gebiet des Schwachstromes berührt. Die übrigen Schwachstromanlagen dienen mit Ausnahme der elektro-akustischen Einrichtungen, auf welche später eingegangen wird, der Sicherheit der Hausbenützer. Sie bestehen im wesentlichen aus einer kombinierten Feuermelde- und Wächterkontrollanlage, die über das ganze Haus verteilt, Auslösepunkte besitzt, welche von der ständig im Theater anwesenden Betriebsfeuerwehr laufend kontrolliert werden, so daß die immerwährende Ueber-wachung des Gebäudes gewährleistet erscheint und im Gefahrenfalle raschest Hilfe herbeigerufen werden kann. Darüber hinaus sind an verschiedenen Punkten öffentliche. Feuermelder angebracht, die im Bedarfsfalle die Feuerwehr raschest zum Theater rufen. Während der Vorstellung ist das eingebaute Löschhydrantensystem mit Feuerwehrorganen besetzt, von deren Aufstellungspunkten direkte Telephonleitungen zum Sitz des diensthabenden technischen Beamten auf der Bühne und in sein Dienstzimmer führen. Eine schnelle Verbindung der Feuerschutzorgane mit ihren Vorgesetzten ist daher jederzeit sichergestellt. Ueber diese Einrichtung hinaus wurde erstmalig in der Staatsoper auch die Temperaturfernmeßanlage für die Sicherheit herangezogen. Es wurden die Temperaturmeßstellen in besonders feuergefährdeten Räumen, Frisiergarderoben, Magazinen usw. über eine eigene Parallelschleife auf ein Tableau im Dienstzimmer des Löschmeisters geführt und so eingerichtet, daß bei Uebersteigen einer Temperatur von etwa 40 Grad in den Räumen, die Hausfeuerwache aufmerksam gemacht wird. Um das Publikum und das Personal des Hauses im Gefahrenfalle alarmieren zu können, ist jeder Raum dieses Theaters mit Lautsprechern ausgestattet und kann vom technischen Beamten unter automatischer Ausschaltung aller anderen Verwendungszwecke dieser Lautsprecher vom Kurtinenwärterstand aus besprochen werden. Die Warnung der im Hause anwesenden Personen ist daher auf raschestem Wege möglich.

Die vorerwähnten Lautsprecher werden aber nicht nur für diese Alarmanlage benützt, sondern können auch von anderen Mikrophonen aus besprechbar als Rufanlage yerwendet werden und geben dem Inspizienten des Theaters die Möglichkeit, Künstler aus ihren Garderoben und Aufenthaltsräumen zu rufen. Darüber hinaus ist selbstverständlicherweise eine moderne Inspizientenrufanlage im Bühnenhaus eingebaut.

Die Einrichtung der elektroakustischen Anlage, deren Vorhandensein bereits kurz erwähnt wurde, gestattet es überdies, über die vorerwähnten Lautsprecher auf Wunsch jede Vorstellung oder Probe mitzuhören, was für den in der Garderobe sich umkleidenden Künstler von großer Bedeutung ist, weil er in det künstlerischen Stimmung bleibt und genau weiß, wieviel Zeit er noch bis zu seinem Auftritt hat. Die für die Aktivierung dieser elektroakustischen Anlage notwendigen Mikrophone sind für den Zuschauer unsichtbar an allen technisch notwendigen Stellen der Bühne eingebaut und ermöglichen auch, für Schwerhörige Kopfhöreranschlüsse in den verschiedenen Sitzkategorien zu schaffen und das Musikgeschehen verstärkt im Kopfhörer wiederzugeben.

Als letzte Schwachstromanlage sei schließlich die elektroakustiseh-e Anlage für den Bühnenbetrieb erwähnt, die es erlaubt, alle zur Untermalung des Bühnengeschehens notwendigen Geräusche, wie Donner, Blitz und ähnliches, in eigenen Aufnahmestudios aufzunehmen und zum gegebenen Zeitpunkt über unsichtbar eingebaute Lautsprecher in die Vorstellung einzublenden. Dieselbe Anlage wird auch dazu verwendet, den Klang der fernelektrisch betätigten Orgel, die im großen Probesaal des 6. Stockwerkes fest eingebaut ist, elektroakustisch auf die Stelle der Kulisse zu übertragen, woher, dem optischen Eindruck entsprechend, der Orgelklang kommen soll. Der Einbau der Orgel auf der Bühne selbst war nicht möglich, da eine große Orgel im Bühnenraum kaum eingebaut werden kann und dort auch ständigen Beschädigungen durch die Kulissentransporte und den Staub ausgesetzt wäre.

Schließlich gestattet die elektroafustisehe Anlage noch jede Probe und Aufführung für Kontroll- und Archivzwecke auf Magnetophonband aufzunehmen und stellt somit ein wertvolles Mittel für den Proben- und Studienbetrieb dar.

Die Stromversorgung des Hauses erfolgt aus dem städtischen Netz über das bereits erwähnte Kesselhaus in der Hofburg, wo Turbinen und Dieselaggregate zur Eigenstromerzeugung aufgestellt sind. Es können somit im normalen Betrieb Stromspitzen mit den eigenen Anlagen abgefangen und bei Ausfall der Stromlieferung aus dem Netz die Vorstellung mit Eigenstrom zu Ende geführt werden.

Als letzte der der Sicherheit des Publikums dienende Einrichtung sei der eiserne Schutzvorhang erwähnt, den das Theatergesetz als feuersichere Trennwand zwischen Zuschauer- und Bühnenhaus für den Gefahrenfall vorschreibt. Die Staatsoper wurde mit einem den Gesetzen entsprechenden eisernen Vorhang, der so wie die Bühnenmaschinerie hydraulisch betrieben wird, ausgerüstet und besitzt über die gesetzliche Bestimmung hinaus einen zweiten eisernen Vorhang, welcher in ähnlicher Form die Vorderbühne von der Hinterbühne trennt.

Die Staatsoper mußte anläßlich des Wiederaufbaues mit einer möglichst vielseitigen und modernen Bühnenkonstruktion ausgestattet werden, die auf den Altbestand des Hauses Rücksicht nimmt. Leider hat dieser Altbestand es verboten, eine beiderseitige Seitenbühne, wie sie allen Fachleuten als Ideallösung vorschwebte, einzubauen. Man mußte sich auf eine einseitige Seitenbühne, die durch Ueber-dachung eines Lichthofes gewonnen wurde, beschränken. Diesen gegebenen Verhältnissen entsprechend, wurde auf eine Hub-Schiebebühne zurückgegriffen, die in ihrer Ausrüstung so vielseitig als möglich und modernst eingerichtet wurde. Die nunmehr fertiggestellte Bühne besteht aus einer Versenkbrücke parallel zur Rampe und sechs dahinterliegenden Hubpodien von 18 mal 3 Meter Ausmaß, und drei gleich großen horizontal verfahrbaren Bühnenwagen. Die Hubpodien' sind etweder einzeln oder miteinander gekuppelt 12 Meter tief in die Unterbühne und 2,5 Meter hoch über das Bühnenniveau zu versenken beziehungsweise zu heben Die Steuerorgane werden fernelektrisch mittels einer modernen Elektronensteuerung bedient. Die Bedienungshebel sind in einem zentralen Steuerpult zusammengefaßt, weiches auch die zur Sicherheit des Betriebes notwendigen Sicherheitseinrichtungen und Verblockungcn enthält und mit solchen Anzeigeapparaturen ausgerüstet ist, daß das Bedienungsorgan mit einem Blick den Zustand der Bühne, die Stellung der einzelnen Hubpodien, die Einstellung der verschiedenen Kuppelorgane und die Stellung der Bühnenwagen erkennen kann. Vom aktiven Teil des Steuerpultes aus können dann alle Bewegungen eingeleitet und gesteuert werden. Das zentrale Steuerpult stellt in dieser Form eine absolute Neukonstruktion im Bühnenbau dar.

Ergänzt wird die Bühne durch einen Schnürboden, welcher 5 5 handbetriebene Prospektlatten bekannter Bauart und 45 hydraulische Prospektzüge mit einer Hubkraft von je 400 Kilogramm besitzt. Ueberdies wurden zwei elektrisch fahrbare Rundhorizonte, einer für Tag- und einer für Nachthimmel eingebaut, die jeder eine Fläche von 23 mal 5 7 Meter besitzen.

Um für besondere Verwendungszwecke eine Drehbühne zur Verfügung zu haben, wurde eine Sonderkonstruktion geschaffen, die aus einer quadratischen Stahlkonstruktion, der 18 Meter langen, 18 Meter breiten und einen halben Meter hohen sogenannten Drehscheibenkassette besteht, die eine eingebaute Drehscheibe von 17,5 Meter Durchmesser besitzt. Die Kassette ist um ihre Mittelachse wie ein Buch zusammenklappbar und kann, wenn die Drehscheibe nicht benötigt wird, in einen hierfür ausgesparten einen Meter breiten Schlitz der Betonkonstruktion der Hinterbühnendecke gezogen und dort verankert werden. Die beim Opernbetrieb verhältnismäßig selten gebrauchte Drehscheibe verstellt daher keinen Platz und kann im Bedarfsfalle in kurzer Zeit auf die Bühne herabgelassen, aufgeklappt und mit hierzu vorgesehenen Maschinen zur R.ampe vorgerollt werden. In Betriebsstellung wird die gesamte Kassette dann zugleich mit den sechs Hubböden und den drei zu diesem Zweck ausgekuppelten Bühnenwagen um die Konstruktionshöhe der Kassette abgesenkt, so daß die Drehscheibenfläche wieder im richtigen Bühnenniveau steht. — Außer den vorbeschriebenen Einrichtungen gestatten Hilfs-bühnenwagen von 18 mal 3 Meter Größe und 25 Zentimeter Höhe in Verbindung mit der schon erwähnten Seitenbühne vielseitige Verwandlungen in horizontaler Ebene.

Zur Ausleuchtung dieser Bühne dient eine moderne Bühnenbeleuchtungsanlage, deren Anschlußwert etwa 800 Kilowatt beträgt und die über 272 voneinander getrennt regelbare Stromkreise verfügt. Der zugehörige Bühnenregulator ist auf der J4ärntner-St.raßen-Seite vorne beim Portal etwa 2,5 Meter über Bühnenniveau eingebaut und der ihn bedienende Beleuchter hat direkte Sicht auf die Hauptbühne, kann also die Erfolge seiner Manipulationen unmittelbar verfolgen.

Die Scheinwerfer selbst sind auf der Hauptbühne in sieben teilweise elektrisch fahrbaren Beleuchtungsbrücken und Beleuchterladen angeordnet. Außerdem sind Scheinwerfer in Beleuchterschlitzen des Bühnenportales, in einem Beleuchterschlitz etwa im Drittel der Zuschauerraumdecke, im Mittelluster und in den Rückwänden der Galerie angeordnet, so daß die Möglichkeit besteht, die Bühne unter jeden gewünschten Lichtwinkel, mit jeder gewünschten

Stärke auszuleuchten. Eine Besonderheit stellt der Einbau einer Horizontbeleuchtung für die vorerwähnten Rundhorizonte mit Blaulicht erzeugenden Leuchtstofflampen dar. Diese Neuerung hat den bekannten Horizontbeleuchtungen mit Glühlampen gegenüber den Vorteil, daß beim Einziehen der Beleuchtung die Lichtfarbe gleichbleibt, während sie sich bei Glühlampenlicht von Weiß über Gelb nach Rot verändert. Außerdem läßt die flächige Beleuchtung des Rundhorizontes mit Leuchtstofflampen alle Unebenheiten der Leinwand verschwinden, so daß die Tiefenwirkung eine besonders gute ist.

Die maschinellen und technischen Einrichtungen stellen ein wesentliches Element im Theater dar. Es wurde versucht, eine kurze Beschreibung der häuptsächlichsten Einrichtungen zu geben, ein näheres Eingehen auf technische Details ist leider nicht möglich, doch dürfte bereits dieser kurze Ueberblick einen Einblick in die Welt hinter den Kulissen gegeben haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung