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Quälender Juckreiz in der Nacht

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Es beginnt mit trockener Haut in den Kniekehlen und Ellenbeugen, am Hals und hinter den Ohren. Später kann jede Stelle des Körpers davon betroffen sein: Die Haut wird rissig, schuppig und entzündet sich, es kommt zu Nässen und Krustenbildung. Die Rede ist von Neurodermitis, einer chronischen Hauterkrankung, an der in Österreich mittlerweile mindestens jedes achte Kind leidet; insgesamt sind 300.000 Österreicher von dem Leiden betroffen, das seine Opfer vor allem in der Nacht durch starken Juckreiz quält.

„Drei Viertel aller Menschen, die an Neurodermitis erkranken, zeigen die typischen Symptome noch vor dem ersten Geburtstag", erklärt Walter Stögmann, Vorstand der Inneren Abteilung am Preyer'schen Kinder-' spital in Wien: „Und in 90 Prozent aller Fälle tritt die Krankheit bis zum zehnten Geburtstag auf. Nach der Pubertät erkranken lediglich fünf Prozent erstmals an Neurodermitis." Die Veranlagung zu Neurodermitis ist vererbbar. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Kind daran erkrankt, liegt bei 60 Prozent, wenn beide Eltern betroffen sind. Ist nur ein Elternteil erkrankt, sinkt das Risiko auf die Hälfte.

Verschiedene Faktoren können Auslöser der Krankheit sein:

■ Allergien (etwa gegen Nahrungsmittel, Hausstaubmilben, Tierhaare oder Pollen),

■ Infektionen,

■ Hautirritationen (zum Beispiel durch Waschgewohnheiten, Nässe, Hitze, hautreizende Substanzen),

■ psychische und soziale Faktoren (beispielsweise Streß oder seelisches Befinden).

Die Ursache von Neurodermitis liegt im Mangel eines bestimmten Enzyms im Fettsäurestoffwechsel und einer damit verbundenen Fehl funktion im körpereigenen Abwehrsystem: Der Körper beginnt, an sich völlig harmlose Substanzen wie gefährliche Schadstoffe zu behandeln: Deshalb die Entzündung und die Abstoßung von Körpergewebe.

Jüngste Ergebnisse der Neuroder-mitis-Forschung zeigen, daß die zugrundeliegende Stoffwechselstörung durch Gamma-Linolensäure gelindert werden kann. Dieser Stoff wird

aus dem Samenöl der Borretschpflan-ze gewonnen, einem behaarten Kraut, das zum Würzen von Salaten verwendet wird. Die tägliche Zufuhr von 360 bis 540 Milligramm Gamma-Linolensäure, unter dem Namen „Lindermal" rezeptfrei erhältlich, bewirkt die Bildung jenes Enzyms, dessen Mangel die Fettstoffwechselstörung auslöst. Für die Betroffenen eröffnet sich durch diese neue Behandlungsart eine Chance, ihre Beschwerden zu mildern oder gar zum Verschwinden zu bringen.

Wirklich heilbar aber ist die Krankheit nicht, denn sie gilt als genetisch bedingt. Außerdem verläuft sie in Schüben: So plötzlich wie sie begonnen hat, kann sie auch wieder enden - und umgekehrt. Auch gibt es kein Patentrezept gegen Neurodermitis: Kein Patient gleicht einem anderen. Die Betroffenen müssen oft jahrelang die verschiedensten Behandlungsmethoden ausprobieren, bevor sie auf eine stoßen, auf die sie ansprechen. M. K

Neurodermitis-Hotline:

0660J5S2

(aus ganz Osterreich zum Ortstarif)

Medizinstudium

Mehr Praxis für angehende Arzte

Meinen ersten inkontinenten und meinen ersten Alzheimer-Patienten habe ich draußen in der Praxis zu Gesicht bekommen", klagt der praktische Arzt Erwin Rasinger, der darüberhinaus als Gesundheitssprecher der ÖVP fungiert. Während seiner Ausbildung sei er nie mit solchen „alltäglichen" Leiden in Berührung gekommen. Auch richtige Ernährung sowie Gelenksund Wirbelsäulenleiden, für den praktischen Arzt zentrale Themen, würden im Lehrplan des Medizinstudiums überhaupt nicht aufscheinen. „Seit acht Jahren soll das Medizinstu dium reformiert werden", beschwert sich Rasinger, „doch die bisherigen Minister haben nichts getan".

Nun wird das Medizinstudium doch noch umgekrempelt: und zwar im Rahmen des geplanten neuen Universitätsstudiengesetzes (UniStG). Die wichtigsten Punkte des Reformplahes:

■ Die Fakultäten bekommen bei der Erstellung der Lehrpläne weitgehend freie Hand. Nur die von der EU vorgegebenen Richtlinien müssen eingehalten werden.

■ Zahnmedizin wird ein eigenes Studium.

■ Die ärztliche Ausbildung soll stärker praxisorientiert sein. Statt bisher 16 müssen Medizinstudenten in Zukunft insgesamt 24 Wochen ohne Entgelt Praktika in Krankenhäusern absolvieren („Pflichtfamulaturen").

Hans Malus, Turnusärztevertreter der Wiener Ärztekammer, wähnt ein Problem vernachlässigt: Zu viele Studenten tummeln sich auf den medizinischen Fakultäten. „Die Studentenzahlen müßten auf ein Drittel reduziert werden", fordert der Ärztevertreter. In Wien zum Beispiel müßten die jungen Doktoren drei Jahre auf einen Turnusplatz warten; auf der Warteliste befänden sich 2.500 Namen. Weitere 600 fertig ausgebildete Mediziner warten auf einen Krankenkassenvertrag, ohne den eine Niederlassung finanziell kaum möglich ist. „Wenn das so weitergeht, haben wir bald italienische Zustände. Dort gibt es 70.000 arbeitslose Ärzte", warnt Malus.

„Das ist ein Ausbildungsstudium mit beschränkter Aufnahmekapazität", erklärt Malus. Seine Lösung: Eine Auslese unter den Studierwilligen gemäß dem vorhandenen Platz. „Eingangsprüfungen sind der falsche Weg", beteuert hingegen Ariane Bo-detihöfer, Vorsitzende der Fakultätsvertretung an der medizinischen Fakultät der Universität Wien. Allerdings kann sich die Studentenvertreterin eine Studieneingangsphase, wie sie in letzter Zeit diskutiert wurde, vorstellen (siehe furchk 38/1996). Auch Wilhelm Firbas, Professor für Anatomie und Vorsitzender der Stu-dienkomission an derselben Universität ist für „gewisse Einschränkungen": zum Beispiel die leistungsorientierte Zulassung zu Praktika.

Die krasse Reduktion der Studentenzahlen, wie sie von Hans Malus gefordert wird, lehnt Firbas ab: „800 bis 1.000 Medizinstudenten wären eine vernünftige Zahl." Die Zahl von 1214 Studienanfängern (in Wien) auf ein Drittel zu reduzieren hält Firbas für unfair, da damit nur die Interessen der auf Turnus und Kassenvertrag wartenden Ärzten wahrgenommen würden; „Irgendjemand muß immer warten: Entweder vor, während, oder nach dem Studium." M. K.

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