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Salzburg im Wandel der Zeit

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Kaum eines der neun österreichischen Bundesländer hat in den fast zwei Jahrzehnten nach dem Ende des zweiten Weltkrieges eine so starke Wandlung seiner Position innerhalb unseres Staates erlebt wie gerade das Bundesland Salzburg. Salzburg hatte als Trägerin einer vom übrigen Österreich distanzierten, Jahrhunderte alten eigenständigen historischen Entwicklung, als geistliches Fürstentum, bis am Beginn des 19. Jahrhunderts eine Sonderstellung innerhalb Österreichs besessen. Diese Tatsache drückt sich heute noch deutlich im Kulturlandschaftsbild von Stadt und Land aus. Die Sonderstellung innerhalb Österreichs erlebt Salzburg aber auch in der jüngsten Phase seiner Geschichte, da es gerade in dieser wieder deutlich wird, daß vor allem der Funktionsbereich der Stadt Salzburg auf dem wirtschaftliche« wie dem kulturellen Betrieb weit über den Raum des heutigen Bundeslandes hinausgreift.

Im Spiegel der Zahlen

Unser Land Salzburg mit seinen 7154 Quadratkilometer Bodenfläche wies bei der Volkszählung des Jahres 1961 347.292 Einwohner nach und gehört somit zu den kleinen Bundesländern. Im Verhältnis zur BewohnerzaTil des Landes hat die Landeshauptstadt aber eipe 'hohe Einwohnerzahl, nämlich im Jahre 1961 108.114 Personen, das sind etwas über 31 Prozent der Bevölkerung des ganzen Landes. Damit nimmt die Stadt Salzburg innerhalb des Landes eine so beherrschende Stellung ein wie keine andere österreichische Landeshauptstadt. Es ist daher auch verständlich, daß sich auch die Wirtschaftsstruktur unserer Bevölkerung durch dieses Überhandnehmen städtischer Bevölkerungsschichten in den letzten Jahrzehnten merklich verändert hat. Der Anteil der bäuerlichen Bevölkerungsschicht ist in den letzten Jahrzehnten merklich zurückgegangen, wenn auch gerade in der Zeit zwischen den beiden letzten Volkszählungen das Bundesland Salzburg die geringste Abnahme der Wirtschaftsgruppe Land- und Forstwirtschaft unter allen österreichischen Ländern, nämlich nur über zwei Prozent, ausweist. Sind so rein statistisch auch nur 19,1 Prozent der Bevölkerung unseres vom Hochgebirge bis ins Alpenvorland reichenden Landes dem Bauerntum zuzuzählen, so ist doch gerade in Salzburg, dessen bäuerliche Bevölkerung zum erheblichen Teil aus schwer um ihre Existenz kämpfenden Bergbauern besteht, das Bauernproblem im politischen und sozialen Leben noch immer eine sehr entscheidende Frage. Die Gründung des- Allgemeinen-Bauernverbandes in Salzburg im Vorjahr und die dadurch ausgelösten zum Teil recht heftigen Auseinandersetzungen innerhalb und außerhalb der Salzburger Bauernschaft haben von neuem erwiesen, welche Bedeutung den bäuerlichen Wirtschaftsproblemen in der Salzburger Land€spolitik heute noch zukommt. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Neuordnung des Bauernstandes im Zeitalter der zweiten industriellen Expansion wird gerade in unserem Bauernstand, der nur wenig Groß- und wenig Kleinbetriebe, hauptsächlich aber Mittelbetriebe aufweist, besonders deutlich empfunden.

Bemerkenswert ist die Tatsache, daß im Gegensatz zu manchen anderen Bundesländern, die Wirtschaftsgruppe Industrie und Gewerbe in den letzen zehn Jahren kaum eine merkbare Vergrößerung erfahren hat, wenn auch in letzter Zeit zum Teil durch die Grenzlage gegenüber der Deutschen Bundesrepublik veranlaßt, eine Reihe von größeren und kleineren Industrieunternehmen in Stadt und Land Salzburg neu errichtet wurden.

Die Stadt Salzburg zeigt da ein eindeutiges Übergewicht; mit mehr als 10.000 in der Industrie Beschäftigten, das sind fast ein Viertel der Gesamtarbeitnehmerschaft, ist aber nach wie vor der Fremdenverkehr die tragende Säule der Salzburger Wirtschaft.

Seine Einrichtungen auch in der Zukunft auf der Höhe zu halten beziehungsweise in manchen Sparten, vor allem was den Winterfremden-dienst, den Sommer-Skilauf betrifft, noch weiter auszubauen, wird daher eine stete Sorge aller verantwortlichen Kreise Salzburgs bleiben. Die in den letzten Jahren geschaffenen Einrichtungen zur Erschließung unserer Bergwelt, wie der Bau von Seilbahnen und Sesselliften, hat überaus viel dazu beigetragen, neue Besucher nach Salzburg zu führen und eine solidere, sich auf längere Zeit erstreckende Grundlage für den Fremdenverkehr zu schaffen. Neben der Errichtung von guten Quartieren ist mit diesem Wirtschaftszweig eng die Frage nach dem Ausbau der Verkehrsverbindungen, vor allem der Straßenbau verknüpft. Dem Ausbau eines modernen, für einen sommerlichen Stoßverkehr eingerichteten Straßennetzes, stellen sich in unserem Ge-birgsland weit mehr Schwierigkeiten gegenüber als in manchem anderen Bundesland.

Wir sind glücklich, daß mit der Vollendung des Scheitelstückes der Gerlosstraße nicht nur ein wichtiger Zugang aus dem Westen in den Pinzgau für den Durchgangsverkehr erschlossen werden konnte und dadurch sich ein weiteres bedeutendes Wintersportzentrum, das Gebiet um die Gerlosplatte, günstig erreichen läßt. Von geradezu lebenswichtiger Bedeutung für Salzburg und den großen alpinen Durchgangsverkehr ist aber der gerade im Gang befindliche Ausbau der Straße über den Paß Lueg, der im letzten Jahr soweit vorangetrieben werden konnte, daß nun durch diese schwierige Stelle der Verkehr von Salzburg aus ins Gebirge ohne Gefährdung geführt werden kann. Auch manch anderes Straßenstück, manche Ortsumfahrung konnte fertiggestellt werden.

Neuer Aufschwung nach dem Krieg

Für den Oberpinzgau wird der begonnene Bau der Felbertauernstraße einst von entscheidender Bedeutung werden und diesen Teil des Landes aus einem vom Verkehrsstrom bisher etwas abgelegenen Teil Österreichs in eine viel frequentierte Verkehrslandschaft verwandeln.

Ebenso wie sich in Stadt und Land Salzburg In den letzten zwei Jahrzehnten eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung vollzogen hat, hat auch Salzburgs Stellung im Rahmen der österreichischen Bundesländer im geistigen und künstlerischen Leben eine bemerkenswerte Neuorientierung erlebt. Die alte Hauptstadt des geistlichen Fürstentums Salzburg, die innerhalb Österreichs durch die Abwanderung so vieler Institutionen und Kräfte im 19. Jahrhundert kulturell sehr stark verarmte, erlebt jetzt wieder einen deutlichen Auftrieb. Schon nach dem ersten Weltkrieg sind hier durch die Begründung der Salzburger Festspiele, durch den weiteren Ausbau des Mozarteums, durch Einrichtungen wie die Salzburger Hochschulwochen und anderes mehr wesentliche Ansätze für eine künstlerische und wissenschaftliche Aufwärtsentwicklung eingeleitet worden.

Nach dem zweiten Weltkrieg hat das kulturelle Leben, nicht unwesentlich unterstützt durch die Zuwanderung mancher wertvoller Kräfte aus dem Kreis der Heimatvertriebenen und anderer, die nach den Kriegswirren in Salzburg eine zweite Heimat fanden, einen weiteren Aufschwung erlebt. Zahlreiche allgemeinbildende und Fachschulen wurden gegründet, nicht nur in der Stadt Salzburg selbst, sondern auch in Städten und Märkten des Landes. So wird Salzburg mit Ausnahme Vorarlbergs das einzige Bundesland, das in jedem politischen Bezirk eine öffentliche oder private höhere Schule hat. Das Mozarteum erhält den Rang einer Kunstakademie, es entsteht eine Reihe künstlerischer Sommerakademien, das Forschungszentrum für Grundfragen der Wissenschaft sowie die Sommerkurse für deutsche Sprache und Literatur werden gegründet.

Die Krönung der Bemühungen, Salzburg seinen Glanz als Stätte wissenschaftlicher Forschung und Lehre zurückzugeben, stellt aber die Wiedererrichtung der 1810 aufgelösten Salzburger Universität dar, die nach einem Bundesgesetz vom Sommer 1962 als staatliche Volluniversität mit vier Fakultäten wiedergegründet wurde, von denen allerdings vorläufig neben der katholisch-theologischen nur eine philosophische Fakultät entstehen soll. Juridische und medizinische Fakultät werden zu einem späteren Zeitpunkt gebildet werden. Wenn — wie wir hoffen — sich im Herbst 1963 die neue philosophische Fakultät der Universität Salzburg bildet, ist dies nicht ein Abschluß eines langjährigen Bemühens um das wissenschaftliche Leben dieser Stadt und dieses Landes, sondern vor allem ein Anfang, der Salzburg im Rahmen Österreichs auch im wissenschaftlichen Leben zur neuen Geltung bringen soll.

Wie für wenige Plätze In Österreich sind die letzten Jahre gerade für das Bundesland Salzburg von großer Bedeutung gewesen. Sie haben dazu beigetragen, diesem Land Österreichs im Gefüge des Gesamtstaates einen neuen, wie uns scheint verbesserten, Standort zu schenken.

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