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Sorgen der Wirtschaft Kärntens

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Für die wirtschaftliche Situation eines jeden Landes sind gewisse Merkmale mitbestim- mend, die sich aus seiner Eigenart ergeben. Es ist eine unumstößliche Tatsache, daß sich die Wirtschaft und damit der Wohlstand eines Landes besonders nach der Menge und der Güte der Rohstoffe richtet, die sein Boden zu geben vermag. Selbstverständlich kommen dazu noch viele andere Faktoren, wie zum Beispiel die Verkehrslage, die Zahl und die Ausbildung der vorhandenen Arbeitskräfte usw., welche für die Wirtschaft mitbestim- mend sind.

Rückschauend muß festgehalten werden, daß sich Kärnten nach dem ersten Weltkrieg in einer schwierigen wirtschaftlichen Ausgangsposition befunden hat. Durch den Frieden svertrag waren zwei seiner wertvollsten Landesteile abgetrennt worden; das Mießtal mit einer Bevölkerung von etwa 25. 00 Einwohnern, dem großen Bleierzbergbai n Mieß und Schwarzenbach sowie dem hlwerk Streiteben. Mit dem Kanaltal hatte . iärnten die Raibler-Bleibergwerke, die eine wichtige Rohstoffquelle für die Bleihütte Gailitz darstellten, verloren. Durch die Abtrennung des Mießtales und den damit verbundenen Verlust des Eisenbahnknotenpunktes Unterdrauburg war der Verkehr zwischen dem Südkärntner Gebiet und Ostkärnten in eine Sackgasse geraten. Die Verbindung dieser Landesteile war nur mehr über die Steiermark, also auf einem übermäßig weiten Umweg möglich. Nach dem zweiten Weltkrieg verhinderte die Erklärung des Gebietes südlich der Drau zur Sperrzone einen raschen wirtschaftlichen Aufbau des Landes, und es waren große Anstrengungen notwendig, um den Vorsprung der übrigen Bundesländer einzuholen. Eine für die wirtschaftliche Aufschließung des Landes wichtige Maßnahme war die Inangriffnahme des Baues der Eisenbahnlinie Bleiburg—St. Paul im Lavanttal im Jahre 1959. Die Jauntalbahn, welche die verlorengegangene Verbindung auf einem kürzeren Weg wiederherstellt, wird ihren Betrieb im Herbst dieses Jahres auf- nehmen. Schon seit Jahren sind alle dafür zuständigen Stellen bemüht, die wirtschaftliche Aufschließung Südkärntens voranzutrei- ben. Durch die Ansiedlung kleinerer und mitt- ‘ lerer-’industriebetriebe in diesem Gebietsteil schöbe Erfolge drzielt. Diese Maßnahme soll vor allein der Abwanderung noch vorhandener freier Arbeitskräfte durch die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen entgegenwirken.

Ein Problem, mit dem sich Kärnten immer wieder zu beschäftigen hat, ist die enorme Winterarbeitslosigkeit, die doppelt so hoch ist als der Bundesdurchschnitt. Bei einem durchschnittlichen Beschäftigungsstand von 140.347 Männern und Frauen im Jahre 1963 gab es Ende Februar 21.831 Arbeitssuchende, gegenüber 1720 im August. Ursache dieses eminenten Unterschiedes sind vor allem die klimatischen Verhältnisse, die sich besonders auf dem Bausektor sehr ungünstig auswirken. Aber auch dem Fremdenverkehr fehlt die zweite, die Wintersaison, obwohl dazu nach Aufschließung der herrlichen Wintersportgebiete die Möglichkeit vorhanden wäre. Kärnten liegt, was die zur Verfügung stehende Bettenanzahl der gewerblichen Beherbergungsbetriebe anlangt mit über 69.000 Betten hinter Tirol an zweiter Stelle unter den Bundesländern. Bei der Anzahl der Übernachtungen steht Kärnten jedoch mit rund 5,5 Millionen hinter Tirol und Salzburg erst an dritter Stelle. Das zeigt, daß die Kapazitätsausnutzung der Kärntner Fremdenverkehrsbetriebe geringer ist als die von Tirol und Salzburg.

An erster Stelle: das Holz

Für die Verstärkung des Winterfremdenverkehrs in Kärnten wäre der Bau eines wintersicheren Überganges über die Tauern eine der Voraussetzungen. Die Diskussion, ob dafür ein Straßentunnel neben dem Eisenbahntunnel in Mallnitz errichtet werden soll, ist in vollem Gange. Nach meiner Meinung -sollte der Übergang weiter ostwärts (Katschberg) gesucht werden, weil damit die Erschließung eines der schönsten und schneesichersten Wintersportgebiete mit eingeleitet werden könnte.

Kärnten hat zwar — in einem gewissen Übereifer von Wien protegiert — gerade kürzlich einen Straßentunnel nach dem Süden durch die Karawanken fertiggestellt, den Anschluß an den Verkehr im Norden, der die Quelle des kärntnerischen Fremdenverkehrs ist, aber noch nicht erlangt. Damit soll kein Wort gegen den auch völkerverbindenden Wert eines guten und unbeschwerlichen Verkehrsweges durch die Karawanken gesagt sein — nur, so lange die Verkehrserleichterung eine einseitige ist und der Gegenstrom aus dem Süden ausbleibt, hätten die Kärntner die3b vielleicht politisch erwünschte ‘Geste eher für eine Benachteiligung ihrer eigenen Fremdenverkehrswirtschaft.

Von den Rohstoffen, die Kärnten zur Verfügung stehen, muß das Holz an erster Stelle genannt werden, denn es ist die bedeutendste Grundlage für die industrielle und gewerbliehe Produktion des Landes und hat auch den größten Anteil am Export aufzuweisen. Von der Bodennutzungsfläche des Landes sind 44.7 Prozent Waldflächen! Durch Schlägerung sind im Jahre 1963 1,636.000 fm Rundholz angefallen, von dem durch die Sägewerke 1.395.0 fm im Handelsverschnitt und 82.0 fm im Lohnverschnitt verarbeitet wurden. Aus dem angefallenen Holz wurden außerdem 935 1 Zündhölzer, 58.8501 Dämm- und Hartplatten, 21.810 m3 Schwellen und Masten, 116.798 m3 Zellulose, 13.400 m3 Holzstoffe, 11.600 m3 Pappe, 60.633 m3 Papier, weiters Möbel und andere Erzeugnisse aus Holz hergestellt, Holz dient auch als Rohstoff für die Erzeugung von Heraklith, wovon im Jahre 1963 über 121.000 t produziert wurden. Wie schon erwähnt, ist Holz auch der größte Exportfaktor des Landes. Bezogen auf den Gesamtexport wurden von der Sägeindustrie 39.7 Prozent, von der Papiererzeugung und -bearbeitung 12,2 Prozent und von der sonstigen Holzbearbeitung 4,6 Prozent, das ist somit mehr als die Hälfte des Gesamtexportes, ausgeführt.

Eine Steigerung des Exportes von Holz — in jedem Bearbeitungszustande — ist natürlich möglich, hängt jedoch vor allem von einem entsprechenden Arrangement mit den EWG-Staaten ab, welche die größten Holzabnehmer Österreichs sind. Kärnten hat hier mit einer von Jahr zu Jahr zunehmenden Konkurrenz der nordeuropäischen Staaten zu rechnen, die hinsichtlich Bringung und Frachtweg eine günstigere Position besitzen.

In diesem Zusammenhang ist eine Betrachtung der gesamten österreichischen Export- und Importsituation interessant, für die ein Vergleich des Jahres 1953 mit dem Jahre 1962 herangezogen werden soll.

Im Jahre 1953 betrug der Anteil der heutigen EWG-Staaten am österreichischen Außenhandel exportseitig 45,5 Prozent (rund 6 Milliarden Schilling) und importseitig 44,6 Prozent (rund 5,9 Milliarden Schilling). War somit der österreichische Handelsverkehr mit den EWG- Staaten im Jahre 1953 nahezu ausgeglichen, so ergibt das Jahr 1962, daß der Handelsverkehr mit diesem Raum für Österreich ein Passivum von rund 7,4 Milliarden Schilling aufweist. Die österreichischen Exporte nach den EWG-Staaten betrugen in diesem Jahr 16,42 Milliarden Schilling (50 Prozent), während sich die Importe aus diesem Raum auf 23,89 Milliarden Schilling (59 Prozent) erhöhten.

Durch die derzeitige wirtschaftliche Situation Italiens sind für Kärnten als nächst- liegendes Exportland für Schnittholz besondere Schwierigkeiten aufgetreten. Die mit dem Rohstoff Holz zusammenhängende Industrieproduktion hatte 1963 in fast allen Sparten mengenmäßige Steigerungen gegenüber dem Vorjahre aufzuweisen; so die Produktion von Dämm- und Hartplatten um 16,7 Prozent, von Zellulose um 10 Prozent, Holzstoff um 10,8 Prozent und Papier um 6,4 Prozent. Lediglich die Produktion von Pappe ist um 8,6 Prozent zurückgegangen.

Von den in Kärnten vorhandenen Bodenschätzen ist das Magnesitvorkommen auf der Millstätter Alpe hervorzuheben, das in Radenthein einen blühenden Industriezweig entstehen ließ. Die dort erzeugten Radexsteine sind als Material für die Ausmauerung von Schmelzöfen weltbekannt und werden in alle Länder der Erde exportiert. Magnesit und Holz ergeben in gemeinsamer Verarbeitung eine Leichtbauplatte, die Heraklithplatte, die für Isolierzwecke hervorragende Eigenschaften besitzt und für die Bauwirtschaft unentbehrlich geworden ist. An weiteren Bodenschätzen verfügt Kärnten über Mergel und Kalk für die Zementerzeugung sowie über Blei, Eisenerz und Braunkohle.

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