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Stift Altenburg-Die gebaute Ordnung
Das 850-Jahr-Jubiläum begeht das Benediktinerstift Altenburg im Waldviertel. Seit 1983 wird auch der mittelalterliche Vorgängerbau des Stiftes freigelegt.
Das 850-Jahr-Jubiläum begeht das Benediktinerstift Altenburg im Waldviertel. Seit 1983 wird auch der mittelalterliche Vorgängerbau des Stiftes freigelegt.
Als am 11. Juli 1144 die Stifterin Hiltburg von Poigen, ihr Sohn Hermann und der Bischof Reginbert von Passau nebst einigen Vertretern der Stadt Horn die Urkunde zur Gründung des Stiftes Altenburg unterzeichneten, konnte niemand abschätzen, welches architektonische Juwel dieses damals noch in der Einöde liegende Kloster einmal sein würde. Ursprünglich als kleine Gründung für zwölf Mönche vorgesehen, zeigt sich heute ein barocker Bau in bestaunenswerter Schönheit, für den unter Abt Placidus Much (1715-1756), in erster Linie Baumeister, Josef Munggenast verantwortlich ist. Jüngste archäologische Grabungen haben ergeben, daß ein mittelalterlicher Klosterbau die bemerkenswerten Fundamente dafür lieferte.
So wurde während der letzten Grabungen seit 1983 unter dem barocken „Brunngarti“ ein Kreuzgang aus den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts nebst den für das Mittelalter charakteristischen „Regularräumen“ freigelegt. In diesen verwirklichte sich das klösterliche Leben nach der „Regula“ des hl. Benedikt: der Kapitelsaal („Capitulum“), der Sprechraum („Auditorium“), der Mönchsraum („Fraterie“), der Küchen- und Speisesaalbereich („Refektorim“) und der Waschplatz im Kreuzganghof.
Aus den Originalteilen wurde der gotische Kreuzgang rekonstruiert, der eingeschlossene Klostergarten wurde behutsam wieder bepflanzt, um den Eindruck der Keimzelle eines Ordenshauses wiederzugeben. Eine Stahlkonstruktion, die durch ein Holzdach abgedeckt wurde, schützt neuerdings den Kreuzgang einerseits um die Witterungseinflüsse zu minimieren, andererseits um die starken baulichen Eingriffe zu verhindern.
Die Regelung des Mönchlebens, die Strukturierung des Tages und der Nacht, die Ordnung für den Klosteralltag, werden so als „gebaute Ordnung“ sichtbar. Der Tagesordnung nach Stunden entspricht eine Tagesordnung nach Räumen. Und da die Regel Benedikts aus dem 6. Jahrhundert nur ein Rahmengesetz ist, entstanden in den einzelnen Klöstern die „Consuetudines“ (Brauchtexte), die als Interpretation der „Regula“ verbindlich wurden und sich deutlich je nach Kloster unterscheiden.
Im Zuge der archäologischen Grabungen wurde 1993 auch eine Fußbodenheizung für die Schreibstube und den Speisesaal entdeckt. Aus einer unterirdischen Heizkammer strömte die erwärmte Luft in ein doppeltes, durch Kiesel ausgelegtes Gewölbe, von dem aus Heizkanäle den Fußboden und die Wände temperierten. Der Raum der Arbeit war gleichzeitig „Calefactorium“, Wärmestube im Winter.
Bei den Grabungen fand man auch Keramiktöpfe aus stiftseigenen Werkstätten, die sich zeitlich gut einordnen lassen: Während der Hussitenstürme waren die Regale umgestürzt, die Räumlichkeiten verwüstet und in Brand gesteckt worden. Einige der Töpfe wurden nun neu zusammengesetzt und auf neue Regale gestellt, so gewinnt man einen Eindruck davon, wie die Mönchsge- meinschaft früher ihre handwerkliche Tätigkeit ausübte.
Heute leben und wirken vierzehn Mönche in Stift Altenburg, das sind nur wenig mehr als bei dessen Gründung. Lediglich während der Barockzeit beherbergte das Stift über dreißig Mönche.
KULTURELLES ZENTRUM
Die Benediktiner von Stift Altenburg leben heute vor allem von der Forst- und Landwirtschaft, die klostereigenen Betriebe beschäftigen rund 45 Arbeiter und Angestellte. Sechs um das Kloster liegende Pfarreien gehören zum klösterlichen Seelsorgesprengel (Altenburg seit 1288, Horn 1144 bis 1399 und seit 1689, Strogen seit dem 12. Jahrhundert, Röhrenbach seit 1251, St. Marein seit 1396, Maria Dreieichen seit 1756). Maria Dreieichen und St. Marein nehmen als Wallfahrtsorte eine besondere Stellung unter ihnen ein.
Während der Sommermonate ist Stift Altenburg ein Zentrum des Theaters und der Musik: Das Internationale Kammermusik-Festival Austria (14. August bis 11. September) gastiert mit seinen Kursen und Aufführungen ebenso im Stift wie die Sommerspiele mit Theateraufführungen im spätbarocken Bibliothekssaal mit den Deckenfresken von Paul Troger.
Und in der sogenannten „Jugendherberge“ wohnen zur Zeit 38 bosnische Flüchtlinge. Das Stift Altenburg ist also nicht nur ein Ort des Gebets und der Meditation. Nach einer bewegten Geschichte mit Zerstörungen durch Hussiten, Schweden, Nazi-Enteignungen und Verwüstungen durch sowjetische Soldaten wurde das Stift immer wieder zu einem Ort der Hoffnung und des Glaubens.
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