6650214-1958_48_28.jpg
Digital In Arbeit

Tirol — grün und weiß

Werbung
Werbung
Werbung

Das „Land im Gebirge“, wie Tirol im 10. Jahrhundert genannt wurde, gehört zu den österreichischen Bundesländern, die über zwei Saisons verfügen. Das Tirol des Sommers und besonders des Herbstes, der in wundervoller Klarheit, wenn der Föhn südliche Grüße bringt, über dem Land liegt, ist das Sehnsuchtsziel der Bergsteiger, der Wanderfreunde, die auch hier immer noch stille Winkel finden; es ist das Paradies blumenübersäter Matten, .wolkennaher Almen; der geheime Tip für Spjortifischer;. und nicht zuletzt ist Tirol ein Badeland; im weitesten Sinn — reich an Seen, an modernsten Schwimmbädern, wie der europäischen Berühmtheit Wattens, und an Heilquellen, wie. jener von Solbad Hall. Das Tirol des Winters — er kommt, wie heuer erlebt, oft sehr zeitig — heißt das „Land der 3000 Skiabfahrten“. Es reicht vom Arlberg im Westen bis zu den Kitzbüheler Alpen im Osten, von den Lechtaler Alpen, dem Wettersteinmassiv, dem Karwendel und dem Kaiser im Norden bis zu den Oetztaler'Alpen, denZiller-talern und den Lienzer Dolomiten im Süden. Tirol wird auch im Winter, regelmäßig von den Flugzeugen internationaler Gesellschaften angeflogen. In Innsbruck kreuzen sich außerdem die wichtigen West-Ost- und Nörd-Süd-Bahn-strecken. Die hier verkehrenden Schnell- .und Expreßzüge, aber auch Triebwageneilzüge bestehen fast ausschließlich aus internationalen Kurswagen. Wenn man vor der Tafel der ankommenden und abfahrenden Züge im Innsbrucker Hauptbahnhof steht, verspürt man eine Ahnung, wie sehr Tirol;nicht nur ein Herzland Oesterreichs ist (auch im wahrsten Sinn des Wortes: dem Herzen nahestehend),“sondern Herz und Lunge des Kontinents.

Neben den in aller Welt'bekannten Urlaubsorten und Wintersportplätzen,.wie, St. Anton am Arlberg, Seefeld, Kitzbühel Sölden,. Obergurgl, sind noch weitere 80 Ortschaften 'ausgesprochene Wintersportorte, in ide.nen nicht weniger als 120 Eislaufplätze und , .Eisschießbahnen, 250 Rodelbahnen und 45 Sprungschanzen vorhanden sind. 20 Seilbahnen,. 3 Bergbahnen und mehr als 100 Sessel- und, Skilifte machen die Skifahrten und viele, gut markierte'Skiröuten' im Hochgebirge leicht zugänglich. 23 5 alpine Schutzhütten bieten Stützpunkte und ideale Winterferien. Die ausgezeichnet organisierten Skischulen genießen Weltruf. Die Lehrer ergänzen sich dauernd aus berühmten Rennfahrern, an denen-in Tirol, auch wenn -Prominente ins Ausland oder zum Film abwandern, niemals Mangel herrscht. Wie der Tiroler sozusagen von Geburt an ein Bergsteiger und Bergführer ist, so

ZETTERSFELDSEILBAHN, L1ENZ„ OSTTIROL Das neue Schivaradies an der Alpensi':A:titc auch einer, der gleichsam mit den Bretteln an den Sohlen auf die'Welt kommt. ' '

Wohin sich bei einer auch nur flüchtigen Umschau wenden, und wo endeW? Kommt Jman“ von Osten, liegt Kitzbühel am Wege. Es war vor etwa 30 Jahren nur einem kleinen Kreis von Skifreunden bekannt, nach dem Besuch des Prinzen von Wales 193 5 dann landläufiger Begriff im Commonwealth; seit Christi Pravda, der Nummer 1 des österreichischen Olympia-, teams, auch in USA eine „Marke“. Kitzbühel bringt für die Wintersaison 195 8/59 wieder neue Ueberraschungen. Die bekannte Hahnenkamm-bahn, welche bisher eine stündliche Förderleistung von 300 Personen hatte, wurde im vergangenen Sommer durch Umbau auf Kabinen für 48 Personen auf eine Förderleistung von stündlich 500 Fahrgästen gebracht. Dadurch fallen alle größeren Wartezeiten weg. Alle Kitz-bühler Bergbahnen — vier an der Zahl — können zukünftig 3 300 Personen befördern, was fast dem ganzen Gastbettenbelag des Ortes gleichkommt. Zugleich damit sind die Skiabfahrcen verbessert und ein neuer Eislaufplatz angelegt worden. Im kommenden Winter finden neben anderen internationalen Eishockeyspielen und Curlingturnicren das Internationale Hahnen-kam.mrenn.en (17. und 18. Jänner 1959) und die österreichischen Skimeisterschaften (28. Februar bis 2. März 1959) statt.

Weiter nach Westen und ein kleines Stück von Wörgl nach Nordosten gewendet, sind wir in Kufstein, der „Stadt der acht Seen“, dem beliebten Aufenthaltsort zu jeder Zeit, Ausgangspunkt für Partien ins Kaisertal. Auf der Feste Geroldseck befindet sich die größte Freiorgel der Welt, ein Ehrenmal für die Gefallenen des ersten Weltkriegs. Wir folgen dem breiten Inntal, kommen an dem malerischen Rattenberg vorbei zum Knotenpunkt Jenbach. Von hier gelangt man über die großartige Achenseestraße (auch eine putzige Zahnradbahn verkehrt) vierhundert Meter höher an den See. Von Jenbach zweigt die Zillertalbahn ab und führt in eines der meistbesuchten Täler Tirols mit dem Hauptort Mayrhofen, das einen guten Ausgangspunkt für Partien in die oberen Zillergründe abgibt. Mayrhofen ist Kern des Zillertaler Volkslebens: am 1. Mai gibt es das „Gauderfest“. Baulich sehenswert ist die Rokokokapelle von 1780. Von Wattens war schon kurz die Rede. Der Ort hat sich phantastisch in die Höhe gearbeitet und dehnt sich immer noch aus. Rund zehn Kilometer vor Innsbruck liegt das entzückende, von geschichtlichen Erinnerungen umwitterte Solbad Hall.

Innsbruck, die „Stadt der Bergsteiger“, benötigt mindestens drei Tage zu einer Besichtigung. Dann kann man entweder nach Seefeld mit einer der prachtvollsten Alpenbahnen Europas fahren oder ins Außerfern, nach Leermoos und Reutte. Die Tiroler Zugspitzbahn befindet sich mit ihrer Talstation in Ehrwald-Obermoos und überwindet 1600 Meter Höhenunterschied. Von Tirol sollte kein Besucher scheiden, ohne diese einmalige Fahrt gemacht zu haben. Wenn im Tal die Obstbäume blühen, dann kann man im Zugspitzgelände noch lange Ski fahren. Nach Süden zu von Innsbruck bringt eine lieblich angelegte Straßenbahn, die oft mitten durch den Wald fährt, nach dem Kurort Igls. Er hat Sommer- und Wintersaison, eine überaus lange Sonnenscheindauer, bietet selbst älteren Leuten im Sommer und Winter die bequemsten Spaziergänge — wie das berühmte Seefeld. Sein Skiberg heißt Hochseefeld (1500 m) und ist in wenigen Minuten mit Ski- und Sessellift erreichbar. Natürlich gibt es auch Eis- und Rodelbahnen. Die Secfelder Skischule ist- durch den Namen Toni Seelos' weithin bekannt geworden.

Soll man noch viel über den Patscherkofel und das Hafelekar sagen? Dort sind im Sommer die Menschen in Reihen vor den Talstationen der Seilbahnen angestellt (die Fahrt zum Hafelekar beginnt man mit der neuhergerichteten Hunger-bm-ghahn) und an sonnigen Herbst- und Wintertagen, gar im Frühjahr ist's nicht anders. Wenn man bedenkt, daß man zu Fuß immerhin dreieinhalb Stunden aufs Hafelekar braucht, dann schätzt man den sachten Flug von der Hunger-burg und ihren 860 Metern auf Seegrube (1905 Meter) und Hafelekar (2300 Meter). An Seehöhe freilich übertrifft die Zugspitzbahn, die auf den Zugspitzkamm führt, ihre Innsbrucker Kollegin, sie kommt bis auf 2805 Meter. Die meisten Seilbahnen, in Tirol geben für Gesellschaften oder Mitglieder alpiner Vereine besondere Ermäßigungen. Wer bis Kitzbühel, Kufslein, ins Zillertal oder gar in die Nähe Innsbrucks und weiter westwärts auf-den Arlberg mit der Bahn fährt, löst zweckmäßigerweise einen Rundfahrschein, mit dem man im Triebwagen (ohne Paß) über Franzensfeste nach Osttirol und über Kärnten zurück nach'Wien zu billigem Preise kommt.

Man sollte es auch, sofern man schon bis Innsbruck kommt, nicht versäumen, dem Stubai-tal einen Besuch abzustatten. Bis Fulpmes fährt man mit einer geschickt gebauten Straßenbahn, die wiederholt packende Ausblicke bietet. Wer nun noch weiter will, der kann in St. Anton den amerikanischen Filmtitel für Oesterreich, „Where Winter is King“ („Wo Winter König ist“) nachprüfen. Berühmtheit genießt die ganze Umgegend, aber es gibt viele versteckte, heimliche Winkel. Wer im Winter nicht Skifahren betreibt und nicht zum Kartenspiel nach Sankt Anton gekommen ist, der soll sich in einen Pferdeschlitten setzen. Der Großstädter hat schon keine Ahnung mehr, wie schön das istl Auch St. Anton hat seine Bergbahnen, darunter die durch ihre kühne Anlage weithin bekanntgewordene auf den Vallugagipfel (2811 Meter); die Fahrt legt man schön in Raten zurück, zuerst auf den Galzig (2178 Meter), dann zum Vallugagrat (2650 Meter), schließlich die letzten 328 Meter Seillänge zum Gipfel.

Die jüngste Seilbahn liegt in Osttirol: die Zettersfeldbahn. Osttirol, vor allem Lienz, dann das Virgen-, Defereggen- und Kaisertal sind für fünf Urlaube gut. In Lienz, dem Hauptort Osttirols mit 10.000 Einwohnern, Ausgangspunkt fürs Glocknergebiet, in die Schober- und Venedigergruppe, sollte niemand versäumen, dem Egger-Lienz-Museum und dem Grabungsfeld von Aguntum einen Besuch abzustatten.

Die Zettersfeldbahn hat einem lang gehegten Wunsche aller Bergfreunde entsprochen. Gerade in Osttirol und im Lienzer Gebiet ergeben sich durch die neue Bahn auch für die, denen das Steigen bisweilen schon beschwerlich fällt, eine Fülle lohnendster Ausflüge. Die Stadt Lienz mit einem eigenen, sehr rührigen Verkehrsamt geht Urlaubern mit Ratschlägen jederzeit an die Hand. Auf die vielen Autobus-Sonderfahrten, die jeweils angekündigt werden, sei besonders hingewiesen. Die Hotels und Gasthöfe sowie die ungewöhnlich zahlreichen und geschmackvoll eingerichteten Geschäfte reihen Lienz ganz oben in die internationale Rangliste. Es ist aber für jeden Geldbeutel gesorgt: von dem des wandernden Studenten angefangen bis zu dem, der im eigenen Wagen angefahren kommt. Sehr anerkennenswert hat die Stadtverwaltung für das harmonisch künstlerische Ortsbild gesorgt.

Ja, und da man mitunter auch nach leiblichen Genüssen gefragt wird: man ißt gut, nicht teuer in Tirol, und kann sich am Ende seines Urlaubs ohne Reue in einer gemütlichen Weinstube einen „Roten“ kredenzen lassen, der keinen Kopfschmerz verursacht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung