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Um das Grazer Künstlerhaus

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Die „österreichische Furche“ hat in ihrer Nummer vom 4. Februar dieses Jahres mit einem Artikel des Dekans der Grazer technischen Fakultät, Prof. Dipl.-Ing. K. R. Lorenz, „Der Musentempel auf der Drehscheibe, Zum Leidensweg des Grazer Künstlerhauses“, den Fragenkomplex berührt, der sich um ein für das österreichische Kulturleben höchst bedeutungsvolles Bauvorhaben angesammelt hat. Dieser Artikel hat neben entschiedener Zustimmung auch vereinzelte Gegenargumente ausgelöst! getreu dem Grundsatz der „Osterreichischen Furche“, in notwendigen Diskussionen Meinung und Gegenmeinung zu Worte kommen zu lassen, veröffentlichen wir nachfolgend einige sachliche Gesichtspunkte aus einem Brief des bekannten steirischen Politikers und Kulturförderers, Landesrat DDDr. Udo 111 i g, an die „Furche“ und anschließend von gleichfalls maßgeblicher Seite eine entgegengesetzte Meinung.

„Die österreichische Furche“

„Die Stadt Graz und auch das Stadtbauamt hatten nach dem Zusammenbruch ein Künstlerhaus nicht projektiert. Die Idee, in Graz ein Künstlerhaus zu errichten, wurde vielmehr von mir persönlich wieder aufgegriffen, nachdem ihre Verwirklichung 81 Jahre lang in Graz wiederholt betrieben worden, aber bisher nie gelungen war. Es gelang mir schließlich, drei Interessentengruppen zusammenzubringen, und zwar das Land Steiermark, die Stadtgemeinde Graz und die Künstlerschaft (letztere mit Unterstützung des Bundesministeriums für Unterricht), die sich bereit erklärten, je ein Drittel der Baukosten zu tragen und sonach das fertige Künstlerhaus in das alleinige Eigentum des Landes Steiermark zu übertragen. Grundbücherlicher Eigentümer des Künstlerhauses wird also das Land Steiermark sein.

Professor Z o 11 e r wurde nicht von der Berufsvereinigung, sondern von dem aus Land Steiermark, Stadtgemeinde Graz und Künstlerschaft gebildeten, den Bauherrn repräsentierenden Künstlerhausbaukomitee, dessen Vorsitzender ich bin, mit der Ausarbeitung des Projekts beauftragt, worüber mit ihm ein von mir unterfertigter Architeklenvertrag abgeschlossen und ein Honorar von 30.000 S vereinbart wurde.

Ich habe das Projekt und dann den fertigen Entwurf Professor Zotters unterstützt und gefördert. Daß das Projekt Zotter nicht ausgeführt werden konnte, hat seinen Grund darin, daß die Stadtgemeinde Graz einerseits als Baubehörde erster Instanz, andererseits als Eigentümerin des Baugrundes erklärte, für dieses Projekt weder die Baubewilligung geben noch den Baugrund widmen zu können. Dies war nicht die Folge eines ,wenig erfreulichen Intrigenspiels', sondern einfach nichts anderes als das Ergebnis einer Beratung des Grazer Stadtsenats, in welcher das Projekt Zotter, an Hand des Modells vorgeführt, nicht den Beifall des neungliedrigen Stadtratskollegiums fand.

Das Künstlerhauskomitee beschloß im Hinblick auf diese Tatsachen, ein neues Projekt ausarbeiten zu lassen, wobei Professor Z o 11 e r ebenso wie Stadtbauamt und Landesbauamt gebeten wurden, einträchtig mitzuwirken. Dieses neue Projekt wurde in einer Sitzung des Künstlerhausbaukomitees vom 9. November 1949 vorgeführt, in dieser Sitzung einstimmig angenommen und zur Ausführung bestimmt, und zwar, wie ich ausdrücklich feststelle, mit der Stimme des damals persönlich anwesenden Professors Zotter.

Nach dieser Sitzung erklärte Professor Zotter allerdings, daß er sich von der ganzen Künstlerhausangelegenheit zurückziehe. Nunmehr schaltete sich die Zentralvereinigung der Architekten ein und begehrte die Heranziehung von Sachverständigen, die Durchführung eines öffentlichen Ideenwettbewerbes der Architekten usw. Hiezu ist festzustellen, daß damals, als Professor Dr. Zotter, der seinerzeitige Präsident der Zentralvereinigung der Architekten, den Auftrag des Künstlerhausbaukomitees erfüllte, ein Künstlerhausprojekt auszuarbeiten, er die Ausschreibung eines Ideenwettbewerbes für keineswegs notwendig erachtete, sondern dem ihm erteilten Auftrag mit eben demselben Ausschluß der Öffentlichkeit nachkam, welchen man jetzt so sehr beanstandet. Wenn damals, als das Projekt Zotter zur Ausführung bestimmt war, ein Tdeenwettbewerb unnötig erschien, so muß es mir freistehen, jetzt, da eben auf Beschluß des Künstlerhausbaukomitees ein anderes Projekt zur Ausführung bestimmt ist, einen Ideenwettbewerb unnotwendig erscheinen zu lassen, da hiezu heute so wenig oder so viel Veranlassung ist wie ehedem.

Im übrigen stimme ich der Ansicht, daß das sogenannte Amtsprojekt eine völlig unrichtige Situierung des Gebäudes vorsehe, in keiner Weise bei. Es scheint mir im Gegenteil falsch, das Künstlerhaus nach den jederzeit abzuändernden Wegen oder Rasenflächen zu orientieren. Ein sogenannter toter dreieckiger Zwickel, der nur in einem Rasenstück besteht (welches übrigens auch schon seit Jahren nicht mehr vorhanden ist), kann jederzeit geändert werden. Die Dominante jedoch, die in den das Künstlerhaus umgebenden Baumassen gelegen ist, kann nicht geändert werden, und nach dieser Dominante hat sich das neue Projekt ausgerichtet. Man hat daher die Längsachse des Künstlerhauses parallel zu der das Gelände beherrschenden Häuserzeile des Burgrings gelegt, eine nach meiner Meinung außerordentlich glückliche Lösung, die einer einseitigen Ausrichtung nach einer Straße in gelungener Weise begegnet. Ein nach dem neuen Projekt angefertigtes Modell mit der ganzen Umgebung und den daran ebenfalls ersichtlichen Baumasseri der Umgebung läßt in überzeugender Weise die Richtigkeit des neuen Projekts erkennen.

Jeglicher Begründung entbehrt die Vermutung, daß das neue Projekt vielleicht eine Versammlungshalle beabsichtige, da die Situierung der Achse einen ,Anmarschweg' vermuten lasse. Ich bezeichne diese Kombination hiemit ausdrücklich als unrichtig.

Schließlich sei festgestellt, daß die Zentralvereinigung der Architekten, die nunmehr plötzlich dem Bauherrn einen Kunstbeirat und Fachbeirat vorzusetzen vorschlägt, sich, obwohl das Projekt eines Grazer Künstlerhauses seit 81 Jahren aktuell ist, bis 28. November 1949 um diese Angelegenheit niemals bekümmert hat. Erst an diesem Tag, also am 28. November 1949, ist die Zentralvereinigung erstmalig an mich mit Wünschen in dieser Frage herangetreten. Dies geschah jedoch zu einem Zeitpunkt, in welchem ich diese Wünsche im Interesse einer Gefährdung des ganzen Werkes nicht mehr berücksichtigen konnte. Wie von mir vorausgesehen und befürchtet, hat die von der Zentralvereinigung der Architekten ausgelöste Diskussion keinerlei Entscheidung der öffentlichen Meinung für oder gegen das Projekt Zotter oder das Projekt Stadtbauamt gebracht, sondern lediglich die öffentliche Diskussion zur demagogischen Gegenüberstellung inkommensurabler Begriffe, nämlich zur Aufwerfung der Frage ,Künstlerhaus oder Wohnungsbau' geführt.“

Landesrat DDDr. Udo 111 i g

Für eine Preisausschreibung

Es ist geradezu ein Erbübel der Stadt Graz, daß sie alle Bauten ohne Fühlung mit der Bevölkerung zur Ausführung bringt. Preisausschreibungen sind hier nicht üblich; so entstand das neue Rathaus, das wohl niemandes Wohlgefallen erweckt, es entstand das schiefe Opernhaus, das die Ringstraße verunstaltet (man denke sich nur das Burgtheater nach einer der hinter ihm einmündenden Straßen ausgerichtet!), und nun soll auf ähnliche Art das neue Künstlerhaus geschaffen werden. Das einzig Richtige in der gegenwärtigen Situation dürfte wohl sein, jetzt noch das Versäumte nachzuholen und eine Preisausschreibung zu veranlassen, die den hiesigen Architekten viel Anregung geben und einigen auch einen kleinen Verdienst bringen würde, der Bevölkerung aber Gelegenheit gewährte, zu der Frage Stellung zu nehmen. Der gegenwärtig gewählte Bauplatz scheint schon durch die bei der Planung auftretenden Schwierigkeiten in den Beziehungen zur Umgebung ungeeignet.

Auf einen Umstand scheint überhaupt vergessen worden zu sein: soll das neue Künstlerhaus wirklich fernab von den Hauptverkehrsadern stehen? Die Künstler wollen doch durch das neue Künstlerhaus das Publikum heranziehen, nicht nur um ihre hohe Kunst zu zeigen, sondern auch um ihre Werke Kunstliebhabern zur Verfügung zu stellen. Ich möchte rein gefühlsmäßig behaupten, daß die Wahl der örtlichkeit mindestens 20 Prozent weniger Besucher ins Kün.st-lerhaus bringen würde als bisher.

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