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Versuche um die kunstliche Herzklappe

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Diese Blindtechnik nur mit Hilfe des Tastsinnes war jedoch unmöglich bei kombinierten Fehlern, bei denen die Klappe gleichzeitig verengt und schlußunfähig ist. Erst mit Hilfe des künstlichen Herzens, der Herz-Lungen-Maschine, die während der Operation im extrakorporalen (außerkörperlichen) Kreislauf die Herz- und Lungentätigkeit ersetzt, wurde die Arbeit ermöglicht. Das Herz ist nun aus dem Kreislauf ausgeschlossen, das isolierte Herz wird geöffnet und der Klappenfehler wird unter Kontrolle des Auges behoben. Ebenso wie Mitralfehler lassen sich nun mit Hilfe des künstlichen Herzens Aortenfehler aus der geöffneten Aorta korrigieren.

Nun begann der Schritt zur Klappenprothese. Deformierung, Verkalkung und Verkürzung der Klappensegel riefen nach der künstlichen Herzklappe.

Die Klappenprothese hat wichtige Ansprüche zu erfüllen. Die Konstruktion der Klappenprothese wurde zum Gegenstand intensiver experimenteller Forschung an zahlreichen chirurgischen Arbeitsplätzen der ganzen Welt. Das Problem wurde in engster Zusammenarbeit mit Technikern und Fachleuten der synthetischen Stoffe bearbeitet.

• Einfach, so daß sie leicht an jener Stelle angebracht werden kann, von der die ursprüngliche kranke Klappe entfernt wurde.

• Die Anbringung muß eine Fixierung garantieren, bis die Prothese fest mit dem benachbarten Gewebe verwächst.

• Das Material der Prothese darf sich weder abnützen noch ermüden, es muß im Herzen wenigstens 20 Jahre lang funktionieren.

• Das Material muß inert sein, es darf keinerlei Reaktion im Organismus hervorrufen, die die Klappenprothese als unbiologisches Material aus dem Körper ausscheidet.

• Es darf sich kein Blutgerinnsel bilden, das den Mechanismus zum Ställstand brächte oder sich loslösen und als Embolus lebenswichtige Arterien verstopfen würde.

• Schließlich darf das Material der Prothese nicht toxisch auf den Organismus wirken.

Eine Klappenprothese, die anatomisch und funktionell der natürlichen Klappe gleichkommt, gibt es noch nicht. Noch wird die Funktion der Mistral- oder Aortenklappe imitiert.

Die Starr-Edwardssche Klappe wurde im Jahre 1960 zum ersten Male angewandt. Sie bedient sich des Prinzips des Kugelventils. Eine in einem Korb befindliche Kugel garantiert ein hydrodynamisches Umfließen mit minimalem Widerstand, geringste Abnützung durch freie Drehbarkeit, die das Bilden von Blutgerinnseln verhindert. Der Nachteil dieser Klappe — ein Vita-liumkorb mit Silikonkautschukkugel — liegt in der Verringerung der Kontraktion. Eine geringe Menge des Blutes entweicht zurück in den Vorhof.

Der amerikanische Chirurg Huf-nagl verringerte nun die Höhe des Korbes und verwendete statt einer Kugel eine Scheibe. Die Scheibe aus einem Polypropylenkern, mit Silikonkautschuk überzogen, reagiert schon bei geringsten Druckunterschieden zwischen Vorhof und Kammer. Der südafrikanische Chirurg Bernard benützte einen Verschlußkörper in Form einer Linse und statt des platzraubenden Korbes einen Hängemechanismus, um die Nachteile weiter zu verringern. Einen ähnlichen Hängemechanismus im Vorhof besitzt auch die Uhlir-Altmannsche Klappenprothese; Alvarez-Diaz aus Spanien und Melrose in London gingen noch weiter, entfernten den Hängemechanismus und entwickelten einen sich exzentrisch öffnenden Gelenkmechanismus. Die Starr-Edwardssche Aortenklappenprothese hat sich relativ am besten bewährt. Zu diesem Klappenprothesensystem gehört auch die Bernariksche, die auf der Zweiten Chirurgischen KMnäk in Brünn entwickelt wurde und darüber hinaus nur den zehnten Teil der amerikanischen kostet. Statt 800 Dolor nur 80 Dollar.

Das Einsetzen einer derartigen Prothese in das menschliche Herz, bei der wir Zeuge waren und davon berichten, gehört zu den schwierigsten chirurgischen Eingriffen. Professor Dr. Jan Navrätil aus Brünn steht in der ersten Reihe, wenn nicht am führender Stelle der modernen Herzchirurgie. Der 56jährige Brünner Chirurg hat bis jetzt an die 2000 Herzoperationen vorgenommen. Bei zwei von drei Patienten gelingt der Eingriff. 600 Patienten sind jährlich bei ihm vorgemerkt, die eine Ärztekommission in Prag aussucht. Doch nur 120 Operationen kann er im Jahr bewältigen. Aus allen Teilen der Welt kommen die Patienten, viele aus Westdeutschland, und erhoffen Heilung unter seinen Händen. Vor drei Jahren war er als Gastarzt ein halbes Jahr an der Mayo-Kilinik in Rochester, USA. Er erhielt sofort ein Angebot zur Übernahme einer Privatklinik mit 300 Betten in Florida. Er hat das Angebot abgelehnt und kehrte zurück nach Brünn.

Als tiefgläubiger Katholik sieht er seine Aufgabe in seiner Heimat. „Ora et labora“ ist auch sein Wahlspruch. Ein kurzes Gebet vor jeder Operation gibt ihm die Kraft und die Ruhe der Hände. Neben ihm steht heute seine 20jährige Tochter als Operationsschwester und reagiert sofort auf jeden Augenwink ihres Vaters. Ein exakt eingespieltes Team steht im Operationssaal der Zweiten Chirurgischen Klinik in Brünn. Alle, die entweder am Operationstisch oder beim Narkoseapparat oder beim (extrakorporalen) Kreislauf und bei den Registrierapparaten tätig sind, bilden ein aufeinander abgestimmtes Arbeitsteam, das sehr empfindlicher und schneller Reaktionen auf die augenblicklichen Erfordernisse einer während der Operation auftretenden Situation fähig ist.

Wir haben einen ganzen Mann in tiefem Ernst bei seiner Arbeit gesehen, unter dessen Händen das Herz eines sechsjährigen Knaben, einer 29jährigen Stenotypistin und eines 36jährigen Bergarbeiters aus der Slowakei wieder zu schlagen begann.

Doch der Traum vom künstlichen Herzen ist noch nicht ausgeträumt

Eine Reihe von Chirurgen, unter ihnen auch Dr. Jubka von der chir-“urgischen Klinik Professor Siskas in Bratislava (Preßburg), bemüht sich vorläufig im Rahmen von Tierversuchen auch um den Ersatz der Mitralklappe durch Homoiotrans-plantate, die einem anderen Hund abgenommen worden sind. Es äst heute noch schwer zu sagen, welche der beiden Methoden sich in Zukunft besser bewähren wird und welche weitere bedeutende Rolle synthetische Stoffe in der Herzchirurgie spielen werden. Tatsache aber ist heute, daß experimentell an dem Problem gearbeitet wird, einen Teil oder das ganze Herz durch Pumpen zu ersetzen, die aus synthetischen Stoffen hergestellt sind und die an Stelle des eigenen, herausgenommenen Herzens in den Brustkorb der Versuchstiere eingenäht werden.

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