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Verwahrloste Paradiese

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Eisiger Wind weht am 10. September durch den ältesten Privatgarten Schönbrunns. „Bei der Kaiserfigur” hat sich eine Handvoll tapferer Gartenfreunde zu einer Pressekonferenz eingefunden. Man wartet auf Zugpferd Andre Heller, einen der hundert prominenten Österreicher, die sich für die „causa Garten” stark machen. Endlich erscheint er, selbst stolzer Besitzer eines Parks in Italien, der durch Eintrittspreise gut gepflegt, stark besucht und gewinnbringend erhalten werden kann. Der Hellersche Garten hat Glück: im Privatbesitz eines prominenten Gartenfreundes, wirft er Gewinn ab und kann mit Personalaufwand erhalten werden.

Für die meisten historischen Gärten in Österreich sieht die Lage ganz anders aus. „Felder, Alleen und Parkanlagen und sonstige derartige Erscheinungsformen der gestalteten Natur sind nicht Denkmale.” Diese lapidare Feststellung im Art. 10 Ahs.lZ. des Bundesverfassungsgesetzes 13 wird für viele Gärten zum Todesurteil. Weltweit sind sie gesetzlich geschützt. Nur in Österreich nicht. Selbst die repräsentativsten Parkanlagen haben mit dem Überleben zu kämpfen.

„Mit der Monarchie ist die Gartenkultur in Österreich gestorben,” bedauert Peter Fischer-Colbrie, Direktor der Bundesgärten. Mitglieder der kaiserlichen Familie in der österreichischen Gartenbaugesellschaft sorgten damals für ein gutes Image, 1.300 Tag-löhner für den tadellosen Zustand des barocken Gartenjuwels im Belvedere, das alljährlich von etwa zweieinhalb Millionen Menschen frequentiert wird. Steinerne Putti lehnen absturzgefährdet, mit rotweißroten Baustellenbändern gezeichnet von ihren Brüstungen, Gehwege sind abgesperrt, die Brunnen leck. Diese Bauten fallen unter das Denkmalschutzgesetz, haben aber trotzdem njit allem, was wächst, und den Bundesgärten unterstellt ist, nichts zu tun. Eine Begenwasserver-wertungsanlage ist derzeit nicht finanzierbar. Deswegen muß der Park immer noch teuer mit Hochquellenwasser gespeist werden. Maximal 20 Millionen Schilling stehen den Bundesgärten zur Verfügung.

Um das Geld, das momentan in die Bewässerung sickert, „könnte ich wieder eineinhalb Männer mehr anstellen”, bedauert Fischer-Colbrie. Eintrittspreise verlangen kann er nicht. „Wenn der Kaiser seine Gärten dem Volk geöffnet hat, kann die Bepublik nichts verlangen.”

Seit 1992 gibt es das „Parkpflegewerk”, das sich die Instandsetzung des Belvedereparks nach dem Vorbild alter Stiche zum Ziel gesetzt hat. Von den damals versprochenen Subventionen hat man noch nichts gesehen. Eiben originalgetreu zu Kegeln oder Pyramiden zu schneiden, bedeutet pro Pflanze eine Arbeitsstunde für einen Gärtner. Zwölf Männer ersetzen heute die 1.300 Tagelöhner, obwohl das meiste nur mit der Hand gemacht werden kann. „Wirsind jetzt schon am Limit”, erklärt Gartenverwalter Willibald Ludwig. Im Notfall wird es im Frühjahr keine Blumen mehr geben, die Kastanien werden wuchern, weil man sie nur noch alle drei oder vier Jahre stutzen kann, und den Luxus des Entkrautens der Gehwege wird man sich nicht mehr leisten können. 1996 wurde das Belvedere sogar von der New Yorker International Preservati-on Organisation auf die „Watch-List” der meistgefährdeten Kulturdenkmäler gesetzt. Trotzdem sind die großen Parks noch relativ gut dran.

„Hunderte private Anlagen verfallen still und leise!” Gezä Hajos vom Bundesdenkmalamt kämpft schon seit Jahren um die unzähligen Kulturdenkmäler, die nach und nach verwachsen und in der Vergessenheit verschwinden. Der Barockgarten von Neuschloß ist so ein Beispiel. In Privatbesitz, ist von der im 18. Jahrhundert kunstvoll angelegten Parkanlage nur noch eine romantische Pflanzenruine über. Neuschloß ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich die momentane Gesetzeslage in den Schwanz beißt. Die Orangerie, die diesen Garten schmückt, stünde gesetzlich unter Denkmalschutz. Ohne Gärtner und das historische Umfeld Garten erscheint sie allerdings nicht erhaltens-wert. Dabei sind Orangerien noch seltener als die Gärten selbst.

Nicht nur Verwilderung, auch das Verbauen stellt für die historischen Gärten eine existentielle Bedrohung dar. So fielen weite Teile der barocken Gartengründe des Damenstifts in Innsbruck einer Wohnanlage zum Opfer. Genauso geht es den meisten Villengärten. Im 19. Jahrhundert hatten viele Textilfabrikanten eine hochstehende Gartenarchitektur entwickelt. Inzwischen sind diese Grünflächen zu beliebten Spekulationsobjekten geworden. So hatdie „Bote Villa” in Feldkirch erst in den achtziger Jahren ihre Parkanlage gegen einen Wohnbau eingetauscht. Dabei fällt der Verfall bei englischen Gärten nicht sofort ins Auge. Angelegt auf pittoreske Naturkulissen, wirken sie selbst im Verwahrlosungszustand noch kunstvoll.

Sogar vor der Stadt macht das Gartensterben nicht halt. „Es sind sicherlich zwei pro Jahr, die allein im siebten Bezirk verschwinden,” weiß Peter Pindor. 31 grüne Oasen aus der Barockzeit oder dem Jugendstil erfreuen hinter den steinernen Fassaden dieses Bezirks ihre Besitzer, in ganz AVien sind es über 200. Allerdings steht und fällt die Existenz dieser Gärten mit dem Verständnis und der pflegenden Hand ihrer Besitzer.

Seit einem Jahr, der Geburtsstunde der von Barbara Bett ins Leben gerufenen „Initiative zugunsten eines Denkmalschutzgesetzes für Österreichs historische Gärten und Parkanlagen” gibt es Hoffnung. Bundesministerin Elisabeth Gehrer hat die „causa Garten” zu einem Tagesordnungspunkt bei der Landeshauptleutekonferenz in Brixen gemacht. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus zehn Personen vom Bundesdenkmalamt, dem Ministerium sowie privaten Interessenten soll einen Katalog ausarbeiten, der die Kriterien festlegt, die ein schützenswerter Garten aufweisen muß.

Geza Hajos bleibt skeptisch. 48 Gärten sind auf der Liste, die Zahl der bedrohten Anlagen liegt weit höher. Für die Zukunft braucht man sich dennoch nicht wirklich zu sorgen. „Moderne Gärten kann ich mir durchaus aus Glas und Stahl vorstellen,” meint Gartenplanerin Maria Auböck. Diese Materialien sind verfallssicher. „Der Garten als irdisches Paradies ist eben nicht unbeschränkt vermarktbar.”

Um das zu schaffen, muß man schon Andre Heller heißen.

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