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Visionen & Hirnschmalz sind gefragt

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Niemand wollte in den vergangenen Jahrzehnten, seit dem Zweiten Weltkrieg, an der toten Grenze investieren. Das Risiko schien vielen Unternehmern zu groß. Jetzt erst, mit der Öffnung der Nachbarstaaten, können Visionen verwirklicht werden, die bisher niemand haben mußte, weil ohnhin keine Realisierungsmöglichkeit bestand.

Nun ist das Hirnschmalz der Burgenländer gefragt. Und in der Tat: Kaum jemand wird mehr über die Ostfriesen Österreichs (ein lächerlicher Imagetransfer!) witzeln, besieht er sich das Landesentwicklungsprogramm, das in acht Ballungszentren die Errichtung von Industrie- und Gewerbezonen vorsieht. Wenn Sie die Seite 14 schon gelesen haben, werden Sie die große Wertschätzung seitens der hohen Politik für den grenzüberschreitenden Industriepark St. Gotthard/Heili-genkeuz im südlichsten Teil des Burgenlands bemerkt haben. Aber es soll noch mehr des Guten geben, vielleicht soll da in kurzer Zeit gar allzuviel an Visionen verwirklicht werden. Doch gehen wir ins Detail.

Kittsee, Parndorf-Nickelsdorf, Eisenstadt, Siegendorf-Sopron-Deutschkreutz (siehe Gespräch Seite 17), Mattersburg-Marz, Öberpullen-dorf, Pinkafeld-Großpetersdorf und Heiligenkeuz sind jene Zonen, in denen mit Industrie-, Gewerbe-und/oder Handelsparks die gesamte Ostregion Österreichs mit Auswirkungen nach Niederösterreich, Wien und Ungarn aufgemöbelt werden soll.

Peter Schmitl, seines Zeichens Geschäftsführer des Industrie & Gewerbezentrums Parndorf, mitverantwortlich auch für Kittsee, skizziert für die furche die Projektidee(n). Parndorf konnte bereits mit Jahresbeginn mit der Verwertung beginnen, da die Ver- und Entsorgungseinrichtungen auf einem 50 Hektar großen Areal schon unter der Erde liegen. In Kittsee (um etwa zehn Hektar kleiner) wurden dieser Tage die Aufträge für die Infrastrukturerrichtung vergeben. Parndorf liegt direkt an der Ungarnautobahn A 4, für Kittsee hat man am 30. September dieses Jahres mit dem Bau der Südumfahrung begonnen, ein neuer Grenzübergang nach Bratislava (Preßburg)/Petrzalka (Engerau) soll gemeinsam mit der Umfahrung am 1. Jänner 1998 eröffnet werden.

In Parndorf, so Schmitl, liegt der Schwerpunkt beim produzierenden Gewerbe und bei der Konsumgüter-sowie Investititionsgüterindustrie (erklärte Schwerpunkte sind Kunststoff, Elektronik, Lebensmittel, aber auch Logistik und nachgelagerte Dienstleistungs- und Handelsbetriebe). In Kittsee geht es eher um Dienst-Knapp nach der Öffnung der Ostgrenze 1990 wurde das Landesentwicklungsprogramm beschlossen. Mehrere Industriezonen sind im Entstehen. leistungs- und Servicebetriebe. Man erwartet, daß sich in Kittsee auch internationale Investoren ansiedeln, die hier ihre Headquarters und Servicestellen einrichten sollen.

Mit Unterstützung des Landes und der Gemeinden konnten die Grund stücke in Kittsee und in Parndorf sehr günstig erworben werden, die Gesellschafterstruktur besteht aus einer Bank-Burgenland-Tochter, aus den Sitzgemeinden Kittsee und Parndorf, aus der WIBAG und privaten Investoren aus der Wirtschaft. Schmitl: „Aus dieser Konstruktion ist zu ersehen, daß es gelungen ist, die Parks, die wir der Wirtschaft ' zur Verfügung stellen wollen, kostengünstig zu errichten und letztlich auch zu vermarkten. Es gibt hochwertige Telekomanschlüsse, in Parndorf sowohl ISDN-Leitungen als auch bald den burgenländischen Daten-Highway, Kittsee ist noch nicht so weit, aber auch dort wird es bald einen ISDN-Anschluß geben.”

Positive Auswirkungen für die Region erwartet man sich, was die Zahl neuer Arbeitsplätze betrifft. Geschäftsführer Schmitl rechnet vor: Von den 40 Hektar Nettofläche in Parndorf wurden 20 Hektar schon verkauft oder sind optioniert oder reserviert für ernsthafte Ansiedlungsin-teressenten. Von dieser Größenordnung her läßt sich auf die Dimension der Investitionen in puncto Beschäftigte schließen. Schmitl meint, daß auf der genannten Fläche etwa 700 Arbeitsplätze geschaffen werden mit einem Investitionsvolumen von etwa 1,8 Milliarden Schilling. „Arbeitet” Parndorf komplett, kommen noch etwa 700 Arbeitsplätze dazu (das Gesamtinvestitionsvolumen machte dann vier Milliarden Schilling aus).

Bezüglich der Förderungen (es gibt gewisse Förderungsprioritäten, die zu beachten sind, WIBÄG oder das Euro-Point-Info-Center in Eisenstadt informieren darüber) gibt es im Burgen-land gegenüber vergleichbaren hochwertig aufgeschlossenen Zonen in anderen Bundesländern beste Voraussetzungen. Genießt man oberste und höchste Priorität, dann gibt es für jeden eingesetzten Investitionsschilling bis zu 30 Prozent Barwertförderung, im Südburgenland sogar bis zu 40 Prozent. In beiden Zonen - Kittsee und Parndorf - macht der Gesamtkaufpreis für einen Quadratmeter Industriegrund 600 Schilling aus - da sind sämtliche Grund- und Infrastrukturkosten dabei, gleichzeitig auch die Anschlußgebühren für Straße, Kanal, Wasser, Strom et cetera. „Ein immenser Vorteil gegenüber anderen ße-triebsstandorten”, so Schmitl zur furche, „bei denen diese Anschlußgebühren zum Grundpreis noch hinzukommen”.

Ein Punkt, der den Betreibern zu schaffen macht, ist die Konkurrenz ähnlicher Industriezonen im benachbarten Niederösterreich, beispielsweise in Bruck an der Leitha. Schmitl: „Wir alle in Ostösterreich, egal ob Wiener, Niederösterreicher oder Burgenländer, werben praktisch damit, daß wir Tor zum Osten sind, mit unmittelbarer Nähe zu günstigen Beschaffungsmärkten, andererseits aber auch zu Exportmärkten. Wir sitzen hier alle im gleichen Boot. Wir Burgenländer unterscheiden uns mit unseren Wirtschaftsparks von anderen dadurch, daß wir zu einem etwas günstigeren Preis anbieten können. Bei uns kommen als Ziel-1-Gebiet höhere Individualförderun-gen zum Zug als etwa in Wien oder in Niederösterreich, wo es Indivi-dualförderungen in der Höhe überhaupt nicht gibt oder wo sie geringer sind als bei uns.”

Beworben wird der Standort Kittsee beziehungsweise Parndorf auch mit dem deutlichen Hinweis auf das niedrigere Lohnniveau im Burgenland als beispielsweise im westlichen Ausland. Gegenüber dem deutschen Lohnniveau liegt das österreichische um rund 30 Prozent darunter, und das burgenländische noch einmal 15 bis 20 Prozent unter österreichischem Schnitt.

Als Problem stellte sich in Kittsee die Errichtung eines Einkaufszentrums auf 20.000 Quadratmetern heraus, für das man die Genehmigung bereits hatte: Man hatte allerdings damit gerechnet, daß die Umfahrung Kittsee und der Grenzübergang spätestens 1993 fertiggestellt sein würden - nun kommt das erst, siehe oben, 1998. So ging man daran, Platz für Handelseinrichtungen in Parndorf zu schaff fen und erweiterte das Gebiet um zehn Hektar direkt an der Autobahn. Was hier entsteht, ist ein sogenanntes „fac-tory outlet-center”, eine neue Vertriebsform für Markenartikler, die ihre Vorjahresware oder zurückgenommene Restanten vom Einzelhandel verkaufen. Da regten sich Existenzängste der benachbarten Neusiedler Einzelhändler, die schwere Einbußen befürchteten. Hand in Hand mit der hohen Politik und mit der Wirtschaftskammer hintertrieben die Neusiedler die notwendigen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft zur Errichtung des Handelszentrums in Parndorf. Landeshauptmann Stix ist noch nicht davon überzeugt, ob die Philosophie richtig ist. „Wir haben Parndorf als Jndustriepark gesehen, was mir fehlt, ist das richtige Verständnis für diese Philosophie, billige Ware ab Fabrik zu verkaufen. Ich hoffe, daß die recht haben, die dieses Projekt befürworten. Ich glaube auch, daß viele Sorgen der Neusiedler übertrieben sind.” Peter Schmitl meint: „Es geht dem Einzelhandel im Burgenland schon jetzt nicht besonders gut, aber das hängt damit zusammen, daß das Preis-Leistungsverhältnis bei uns nicht ganz stimmig ist, und daß sich der Konsument schon seit jeher im Burgenland nach der Decke streckt und ins benachbarte Ungarn oder ins benachbarte Niederösterreich oder Wien abwandert.

Was wir wollen ist, den Kaufkraftabfluß im Nordburgenland, im Bezirk Neusiedl, der mehr als drei Milliarden Schilling im Jahr ausmacht, wieder zurückzugewinnen, indem wir für günstigen Einkauf Einzelhandelsmöglichkeiten anbieten für einen Einzugsbereich von bis zu 70 Kilometern. Und nicht nur um Rückgewinnung geht es, sondern auch um Ansaugen neuer Kaufkraft aus den benachbarten Bundesländern.”

Gesamtwirtschaftlich schätzt der Betreibergeschäftsführer Schmitl das Handelszentrumprojekt Parndorf wegen seines Investitionsumfanges von 500 Millionen Schilling und den damit voraussichtlich 350 geschaffenen Arbeitsplätzen sehr positiv ein - noch dazu, wenn man sieht, daß aus diesem Gebiet 2.000 Beschäftigte im Einzelhandel täglich nach AVien auspendeln müssen.

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