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Völker im Volke Österreichs

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Volksgruppen und Sprachminderheiten in der Republik Österreich (?)

Wie viele Slowenen gibt es ir Kärnten nun wirklich? Sloweni-scherseits wird immer wieder eine Zahl von 90.000 bis 100.000 genannt, wobei man gerne alle Slowenen, die irgendeiner der vielen slowenischer Organisationen angehören, so ofl zählt, als sie dort aufscheinen. Sc etwas ist natürlich abwegig. Ebenso kann man ab und zu in solchen Quellen lesen, daß diese Zahl sich auf die Zählungen der Zeit vor dem ersten Weltkrieg stütze. Tatsächlich zählte man 1890 noch 101.030 = 29,53 Prozent der Bevölkerung an Slowenen und 1910 noch 82.212=20,75 Prozent. Dabei wird aber verschwiegen, daß Gebiete mit überwiegend slowenischer Bevölkerung, nämlich das Mießtal mit Unterdrauburg und die Gemeinde Seeland, und das immerhin minderheitlich von Slowenen besiedelte Kanaltal 1919 ohne Volksabstimmung abgetreten werden mußten. Dazu kommt die sehr starke Germanisierung seit dem Kärntner Abwehrkampf, durch welche — im übrigen ohne jeden äußeren Zwang — das bis dahin geschlossene slowenische Siedlungsgebiet in drei untereinander nicht mehr zusammenhängende Lappen (Jauntal, Rosental, Gailtal) aufgespalten wurde, dies bei gleichzeitiger innerer Umwandlung sehr vieler rein slowenischer Gemeinden in gemischtsprachige Gemeinden. Wo vor hundert Jahren, wie übrigens schon seit dem frühesten Mittelalter und aus derselben Zeit, in welcher von Südosten die Alpenslawen ins Land kamen (bis ins heutige Osttirol, bis vor Wiener Neustadt und in den Lungau), stammenden Städte und Märkte Südkärntens gewissermaßen deutsche Sprachinseln im Slowenischen waren, nämlich Eisenkappel, Bleiburg und Ferlach, ist nun schon seit Jahrzehnten das Slowenentum in Sprachinseln aufgespalten und eine verstreute Minderheit, mit der Mehrheit fast überall verzahnt lebend. Der im übrigen imponierend gediegenen slowenischen Literatur zu den Kärntner Volksgruppenfragen entnimmt man zwar, daß immer von „Slowenisch-Kärnten“ (Slovens-kaKoroska) gesprochen wird*2. Ein solches gibt es heute nicht mehr, der Ausdruck kann nur als nationalpolitisches Ziel angesehen werden und ist als solches wie alle Nationalismen abzulehnen. Es gibt aber immer noch eine Anzahl Gemeinden mit einer slowenischen Sprachvolks-mehrheit (in dem oben aufgezeigten Sinne), nämlich:

Zu diesen 1961 mehrheitlich von Angehörigen der slowenischen Sprachminderheit bewohnten Gemeinden (von denen einige inzwischen aufgelassen beziehungsweise zusammengelegt worden sind) kommen solche mit einer stattlichen slowenischen Sprachminderheit wie Egg im Gailtal (329 Slowenen), Feistritz im Rosental (401), Ferlach (795), Keutschach (604), Rottmannsdorf (522), St. Margarethen im Rosental (381), Schiefling am Wörther See (577), Unterferlach (259), Weizelsdorf (328), Augsdorf (531), Finkenstein (823), Ledenitzen (374), St. Jakob im Rosental (1847), Diex (306), Eberndorf (1566), Loibach (628), St. Kanzian (787), St. Peter a. W. (316) und Waisenberg (314).

1939 gab es noch viel mehr Gemeinden mit einer mehrheitlich der slowenischen Sprachminderheit zugehörigen Bevölkerung, nämlich: Egg im Gailtal, Keutschach, Oberdorf!, St. Margarethen i. R., St. Stefan a. Gail, Augsdorf, Ledenitzen, St. Jakob i. R., Diex, Eberndorf, St. Kanzian, St. Peter am Wallersberg sowie einige heute mit anderen Gemeinden zusammengelegte Gemeinden wie Rückersdorf, Leifling, Loibach, Schwabegg, Tainach. Einige Gemeinden, die 1961 nur noch eine eher schwache slowenische Minderheit aufweisen, waren noch zwischen 45 und 49 Prozent slowenisch, wie Galizien, Markt Griffen, Haimburg, Rüden, Feistritz i. R., Rottmannsdorf, Weizelsdorf, Finkenstein, Markt Rosegg.

Der Abbröckelungsprozeß

Nun erscheint es völlig undenkbar, daß die Zahl der Angehörigen der slowenischen Sprachminderheit in Südkämten innerhalb von nur 22 Jahren um 40 Prozent abgenommen hätte. Es muß in einigen Gemeinden, wo der Rückgang von einer starken Mehrheit auf fast Null ermittelt wurde wie in Egg i. Gailtal, oder doch nur auf einen recht geringen Prozentsatz gegenüber einem rund 50prozentigen Anteil wie in Rüden, Markt Griffen, Finkenstein oder Galizien, das Zählergebnis von 1961 (und in einigen Gemeinden schon 1951) objektiv unrichtig sein. In Gemeinden mit national betontem traditionellem Slowenentum, also ohne die „deutschfreundlichen“,

„windischen“ Slowenen, wie Egg i. G. oder Galizien, kann trotz des Abbröckelungsprozesses durch Fremdenverkehr, Straßenbau, An-siedlung von Unternehmungen und Firmenfilialen unmöglich ein so weitgehender Volkstumsschwund in so kurzer Zeit aufgetreten sein. Es muß also an der Fragestellung oder an der Eintragung liegen. Die Tatsache, daß 1939, zur Zeit einer kurzen Scheinblüte freien Sprachzugehörig-keitsbekenntnisses um fast 70 Prozent mehr Slowenen gezählt wurden als 1934, ist hierfür ein deutliches Indiz. Man wird also anzunehmen haben, daß die slowenische Sprachminderheit Kärntens auch heute noch mindestens so viele Angehörige hat wie 1939, also zwischen 43.000 und 44.000 Personen. Da aber schon 1939 sich manche dieser Slowenen wohl nicht als Minderheitsangehörige, sondern aus politischen oder Nützlichkeitserwägungen als Deutsche der Sprache nach bezeichnet haben werden (die sogenannten Windischen waren zu erheblichem Teil Anhänger des Nationalsozialismus, bis dann auch sie ab Frühjahr 1941 jäh diskriminiert wurden), ist auch diese Zahl geringfügig zu niedrig gegriffen. Man wird sie auf etwa 50.000 zu korrigieren haben.

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