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Wien lebt vom Bund

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Von Zeit zu Zeit werden aus dem Wiener Rathaus immer wieder Stimmen laut, Österreichs Hauptstadt sei vom Bund in dieser oder jener Sache benachteiligt worden.

Welche beachtlichen Leistungen jedoch der Bund für Wien wirklich erbringt, wird mit aller Deutlichkeit klar, wenn man aus dem Bukett der Aufgaben lediglich den staatlichen Bausektor herausgreift So wurde die Öffentlichkeit jüngst von den Ergebnissen der Mikrozensus-Erhebungen 1968 überrascht, die eine Verbesserung der Wohnungsqualität gegenüber der Volkszählung 1961 Ausweisen. Innerhalb von sieben Jahren stieg die Zahl gut ausgestatteter ‘ Wohnungen von 21 Prozent auf 47 Prozent, während die für Wien besonders charakteristischen Bas- senawohnungen der Gründerzeit anteilsmäßig von 32 Prozent auf 16 Prozent zurückgingen.

An dieser so erfreulichen Verbesserung hat der Bund den Löwenanteil. So wurden in Wien mit staatlicher Förderungshilfe zwischen 1948 und fast 197.000 Wohnungen geschaffen, was knapp 50 Prozent der solcherart in ganz Österreich finanzierten Wohnungen entspricht. Von den augenblicklich im Bundesgebiet 1 mit staatlicher Hilfe in Bau befindlichen 36.000 Wohnungen entfällt mit knapp 13.000 Einheiten weiterhin der Hauptanteil auf Wien, Obwohl hier nur 23 Prozent der Gesamtbevölkerung leben. Was den Straßenbau an- langt, haben Rathauslkreise seit Jahren immer die gleiche Klage. Im Verhältnis zum Anteil der Wiener Kraftfahrer am Aufkommen der Bundesmineralölsteuer — so wird argumentiert —, verwende der Bund für den Ausbau des Wiener Straßennetzes viel zu geringe Mittel. Es wäre indes um die Bundeshauptstadt wirklich sehr schlecht bestellt, würde man den Ausbau der Zufahrtsstraßen 1 zugunsten innerstädtischer Maßnahmen vernachlässigen.

Westautcbahn auf Wiener Konto

Bestes Beispiel dafür ist wohl die Westautobahn, durch die Wien verkehrsmäßig aus seiner ungünstigen Randlage befreit wurde. Denn dieser Verkehrsweg ermöglicht eine durchschnittliche Fahrzeit zwischen Wien und Salzburg von etwa drei Stunden. Die sieben Milliarden Schilling, die in den Bau der Westautobahn investiert worden sind, kommen daher auch Wien sehr zugute. Das gleiche gilt für die Süd- autobahn, die den mit Wien wirtschaftlich verflochtenen Industrieraum bis Wiener Neustadt erschließt. Niederösterreich ist auch das traditionelle Erholungsgebiet der Wiener. Die Ausbaumaßnaihmen des Bundes in Wien und Niederösterreich bilden daher eine verkehrspolitisehe Einheit. Betrachtet man diese Dinge getrennt voneinander, als wäre Wien durch eine Mauer hermetisch abgesperrt, dann freilich entsteht jenes falsche Bild, das so oft in der Öff entlichkeit gezeichnet wird.

Immerhin hat der Bund für die drei Baujahre 1966 bis einschließlich in den Straßenbau von Wien und Niederösterreich rund 3,8 Milliarden Schilling investiert, was etwa einer Jahresbaurate für ganz Österreich entspricht. Mit anderen Worten: Es entfällt auf Wien und Umgebung etwa ein Drittel der Straßenbaumittel.

Aber selbst die ständig steigenden Straßenbauinvestitionen, die direkt in Wien verbaut werden, können sich durchaus sehen lassen. Für die drei Jahre von 1966 bis 1968 stehen insgesamt Aufwendungen von 667 Millionen Schilling zu Buch. Damit konnten verkehrsbedeutende Werke wie die Wientalbegleitstraße geschaffen werden. Mit der Verlängerung der Südautobahn bis zur Favoritenstraße und der Nordostautobahn vom Stadlauer Donauufer bis zum Donaukanal konnte begonnen werden. Beide Strecken werden 1970 zur Verfügung stehen. Eines der Schlüsselbauwerke ist hier die vierte Donaubrücke, die zugleich im Stadtbereich von Wien die dritte Straßenverbindung über die Donau sein wird, für die der Bund zuständig ist. Da lediglich die Floridsdorfer Brücke zum Betreuungsbereich der Gemeinde Wien igelhört, trägt der Bund also auch die Hauptlast für die Verbindung zwischen dem Stadtkern und den in starker Entfaltung begriffenen Stadtteilen nördlich der Donau.

Wien hinkt im Straßenbau nach

Übrigens braucht der Bund auf dem Straßenbausektor den Leistungsvergleich mit der Gemeinde Wien keineswegs zu scheuen. Während für den Autobahn- und Bundesstraßenbau heuer Mittel in Gesamthöhe von 278 Millionen Schilling zur Verfügung stehen, liegt das gemeindeeigene Etat für das weit größere eigene Netz mit Aufwendungen von 287 Millionen Schilling nur knapp darüber. Doch auch davon verbleiben nur 82 Millionen Schilling für den Ausbau von Hauptverkehrsstraßen! Wien liegt damit bei einer Kopfquote von 175 Schilling nicht nur weit abgeschlagen hinter Großstädten wie Hannover (1105 Schilling), Düsseldorf (702 Schilling) oder München (461 Schilling), sondern auch hinter Klagenfurt (710 Schilling), Linz (597 Schilling), Bregenz (530 Schilling) und Graz (498 Schilling)! Für die Zukunft hat sich der Bund aber überdies mit der Bundesstraßengesetznovelle 1968 auch noch zum Bau eines großzügigen innerstädtischen AutObahnnet- zes, mit der Gürtelautdbahn als Kernstück, verpflichtet.

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