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Wiener Wiederaufbaupläne

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Eingehende Beratungen haben über die endgültige Gestaltung eines Kernpunktes der Wiener Innenstadt grundsätzliche Entscheidungen getroffen. Das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau ist im Einvernehmen mit der Wiener Stadtbaudirektion, mit dem Bundesdenkmalamt, mit der Burghauptmannschaft und der Direktion der Albertina sowie mit führenden Vertretern der freischaffenden Architekten zu einer Lösung des Problems gelangt, das die Kriegszerstörungen und ihre zweckmäßige Behebung um die Albertina'und die vorgelagerte Albrechtsrampe geschaffen haben. Als ob die Zerschlagung des Hauptgebäudes der weltberühmten Sammlungen und ihrer monumentalen Vorbauten nicht genug des Schreckens für den kleinen Platz gewesen wäre, mußte knapp daneben auch der Philipphof zum Massengrab für Menschenleben und zur Brandruine werden.

Sein« Niederlegung hat zusätzliche Fragen aufgeworfen. Wie es immer so ist bei Bauprojekten, die nicht nur mit dem Verstände, sondern auch mit dem Herzen gelöst werden müssen, hat auch die Öffentlichkeit an der Diskussion dieser interessanten Frage des Wiederaufbaus mit Wärme teilgenommen. Eigenwillige und durchaus beachtliche Gestaltungsvorschläge von Architekten haben beigetragen, das Gerücht von einer radikalen Umgestaltung des ganzen Platzbildes ins Leben zu rufen. — Die Planungen der verantwortlichen Stellen sind inzwischen soweit abgeschlossen, daß dem begreiflichen Wunsche der Allgemeinheit nach einer Mitteilung über die tatsächlich bestehenden .Bauabsichten Rechnung getragen werden kann.

Vorweg gilt heute als feststehend, daß der alte G e s a m t e i n d r u c k der zweizusammengehörendenBau-massen von Vorbau und darüber hochragendem Hauptbau beibehalten wird. Auch das Reiterstandbild Erzherzog Albrechts bleibt auf seinem Platz. Der vereinzelt gehörte Gedanke, sämtliche Vorbauten aus Verkehrsgründen abzutragen und dadurch die Albertina selbst auf freigelegtem Sockelgeschoß besser zur Wirkung gelangen zu lassen, mußte abgelehnt werden; denn nach allgemeiner Ansicht würde gerade ein Verzicht auf den vorgelagerten Unterbau den Reiz der architektonischen Gesamtlösung zerstören und auch die Aufstelzung-der Albertina durch ein freigelegtes Sockelgeschoß würde die Wirkung der Stirnfassade dieses historischen Bauwerkes ganz wesentlich beeinträchtigen. Die vorgeschobene Bastion bleibt mithin als Baumasse in ihren großen Umrissen erhalten, zumal den Notwendigkeiten des Verkehrs mit kleineren Verbesserungen der früheren Verhältnisse Rechnung getragen werden kann, ohne daß radikale Umgestaltungen ein altgewohntes Stadtbild auslöschen müßten.

Die einzige Neuerung von größerer Bedeutung wird den Verkehrsnotwendigkeiten nach Möglichkeit gerecht werden und soll dabei auch dem architektonischen Empfinden angenehm entgegenkommen. Es ist bekannt, daß die Einfahrt in den Engpaß der Augustinerstraße durch die Auffahrtsrampe zur Albertina behindert ist. Die stark S-förmige Fahrlinie sollte dort tunlichst flach gestreckt werden. Wenn man die knapp beim Engpaß ansteigende Auffahrtsrampe gänzlich entfernt und durch eine monumentale Freitreppe ersetzt, die grundrißlich nur etwa das letzte, oberste Drittel dieser Rampe als Raum für sich beansprucht, dann hat man nicht nur den Engpaß freigelegt und die erwünschte* Streckung der Verkehrslinie erreicht, sondern gleichzeitig eine ganze Reihe von anderen Vorteilen gewonnen. Mau erwartet, daß eine mit zwei Absätzen geführte Freitreppe architektonisch charaktervoller und ausgesprochener wirken wird als die durchlaufende Schräge der früheren Rampe. Von der Augustinerstraße her entfällt der unsdiöne Anblick der Rampenauffahrt; er wird ersetzt durch einen freieren Ausblick auf die Oper. Die Albertina kann nach Entfernung der alten Rampe im Erdgesdioß eine ganze Reihe von Fenstern und damit wertvollere Innenräume erhalten. Vor allem aber kann sie dann im Mittelrisalit der Längsfront ihren neuen Haupteingang in Straßenhöhe erhalten. Früher mußte man den weiten Weg über die Rampe bis zur Höhe des Reiterdenkmals gehen, um Einlaß zu finden. Will aber ein Fußgänger trotzdem zum hochgelegenen alten Eingang gelangen, dann benützt er in Zukunft eben die neue Freitreppe. Autos können auch über die zweite Rampe in der Hanuschgasse zum alten Eingang auf der Höhe gelangen; sie wenden dort in einer Schleife und fahren über dieselbe zweispurige Rampe zurück. Die Anlage eines Hauptportals im Straßenniveau erfordert einige Umgestaltungen im Innern, die hier nicht näher erörtert seien.

Da auch die vorderen Teile der Vorbauten gegen den Mozartplatz schwer beschädigt wurden, kann anläßlich des Wiederaufbaus auch, dort an Verbesserungen gedacht werden. Der alte Danubiusbrunnen mit seinem beiderseitigen Gefolge von Flußgöttern kann nach einem sehr allgemeinen künstlerischen Urteil vielleicht durch eine wertvollere Neugestaltung ersetzt werden. Ein bildhauerischer Absdiluß am vordersten Punkte der Baumasse, > also an der Stelle des alten Brunnens, erscheint wünschenswert, aber man will die Fortlassung der Seitennisdien mit ihren Figuren und statt dessen die Verkleidung der Stützmauern durch Steingewände zwischen Pilaster-stellungen erwägen. Es sind auf Wunsch der beratenden fachlichen Stellen einige bekannte Architekten eingeladen worden, zur Lösung dieser Einzelfragen bis Ende 1947 entwürfliche Vorschläge zu erstatten. Soweit die Plastiken der alten Anlage von höherem Wert erscheinen, wird sich ihre anderweitige Aufstellung in Gärten oder “ah sonstigen Punkten der Stadt unschwer bewerkstelligen lassen. Die eingeladenen Architekten sind daran, auch^, über die Einzelheiten der vorhin erwähnten Freitreppe sowie über die Ausgestaltung des nach Entfall der Augustinerrampe freigelegten Erdgeschosses der Albertina und ihres neuen Hauptportals detaillierte Vorschläge auszuarbeiten.

Was an Begleiterscheinungen neben dem Problem der Albertina und ihrer Vorbauten noch geplant ist, sei abschließend beigefügt. Das Mozartdenkmal wird voraussichtlich auf einem konzertanten Plätzchen des schönen Burggartens zur Aufstellung gelangen. Es soll seinen bisherigen Platz räumen, weil dort ein Parkplatz für Autos vorgesehen ist. Die Tram zum Neuen Markt entfällt in Zukunft und der Mozartplatz wird, ähnlich wie der Michaelerplatz, rings um den Parkplatz im Kreis zu umfahren sein. Die asthmatischen Stellen der Augustinerstraße und der Passage Josefsplatz — Michaelerplatz sollen etwas mehr Luft erhalten. Ein völlig befreites Atmen läßt*sich dort ohne größere chirurgische Eingriffe, die wir uns dermalen unmöglich leisten können, leider nicht erreichen. Aber man will das bedrohliche Eck am Ende der Augustinerkirche durch Fortschaffung des Gehsteiges etwas außer Gefecht setzen und diesen d u r c'h ein paar Laubenfelder unter der Nationalbibliothek durchführen. In analoger Weise wird der Gehsteig durch den Schwibbogen der Reitschulgasse verschwinden und hineinverlegt werden in einen Laubengang, der durch die Stallburg von der Bräunerstraße bis zur Habsburgergasse führt. Die Alte Hofipotheke wird dabei durchstoßen und muß um eine Fensterachse zur Seite rücken. Das sind gewiß keine großzügigen Lösungen, wie sie wirtschaftlich schönere Zeiten erlaubten. Aber es sind Meliorationen alter Übelstände, die im Bereiche unserer finanziellen Möglichkeiten liegen, und es sind kleinere und darum intimere Umgestaltungen, die ganz reizvolle Aspekte schaffen können und immerhin gewisse Verkehrserleichterungen zur Folge haben.

Es bleibt noch das Problem Philipphof. Den durch die Sprengung freigelegten Platz offenzuhalten, wird der bedeutende Wert des Baugrundes und der Zwing, ihn ökonomisch zu nützen, wdhl kaum zulassen. Außerdem *sind die neu sichtbar gewordenen Häuserfronten um diesen Platz nicht durchwegs geeignet, einen solchen Platz würdig zu säumen. Feste Absichten liegen hier noch nicht vor, weil manche besitzrechtliche Fragen erst der Klärung bedürfen. Es muß jedoch keineswegs wieder ein geschlossener Baublock dort erstehen. Professor Clemens Holzmeister, der den Planungen des Wiederaufbauministeriums, betreffend die Albertina und die Albrechtsrampe in ihren großen Zügen völlig beigepflichtet hat, gab zu erwägen, ob künftighin vielleicht eine Öffnung dieses Baublocks gegen die Albertina zu von guter Wirkung wäre. Ein wertvoller Rat, der verdient, studiert zu werden. Inzwischen haben die Vorbereitungsarbeiten für die bisher klargelegten Bauvorhaben in zügiger Art begonnen. Das Primäre hat vorauszugehen. Die Planungen um den Aufbau des Philipphofes müssen sich, sodann sekundär dem Geschehen um die Albertina anpassen.

Damit sind die wichtigsten Bauabsichten um Albertina und Albrechtsrampe dargelegt. Es geht dabei um heikle Probleme, die jedem Wiener irgendwie ans Herz rühren. Forderungen der neuen Zeit und Empfindungen der Achtung vor altem Kulturgut mußten berücksichtigt werden. Die planenden Stellen haben gewissenhaft l erwogen und sie dürfen hoffen, mit den getroffenen Entscheidungen einer besonderen Aufgabe des Wiederaufbaus in Wien gedient zu haben.

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