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Wim-Heuriger in Brüssel

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Die großen Chancen nach dem EU-Beitritt will Wien voll nützen. In Brüssel beginnt Anfang April das Werben um den Standort Wien.

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Die großen Chancen nach dem EU-Beitritt will Wien voll nützen. In Brüssel beginnt Anfang April das Werben um den Standort Wien.

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Wir leben im Jahr der abgesagten Weltausstellung. Heuer hätte jenes Ereignis stattfinden sollen, von dem man hoffte, daß es Wien auf dem Weg zu einer echten europäischen Metropole ein großes Stück weitergebracht hätte. Die Wiener wollten's nicht. Kleingeisterei, gegen die schon Altbürgermeister Helmut Zilk zu Beginn der Weltausstellungsdebatte vergeblich anredete? (In einem entsprechenden furche-Dossier im Jahre 1988, Nummer 48, „Drehscheibe Wien”, haben wir das bereits festgehalten).

Wien steht in der Anfangs- und Aufbauphase der EÜ-Mitgliedschaft. Dabei will die Stadt ihre geographisch-historischen, auch im Bevölkerungsaufbau gegebenen Strukturen für die Verbindung von Ost und West besonders fruchtbar nutzen.

Anfang April wird wahrscheinlich schon die Wien-Repräsentanz in Brüssel eröffnet werden. Ziel ist die Herstellung von Direktkontakten mit EU-Dienstellen. Funktionieren soll die Repräsentanz als Direktvertretung der Stadt und des Magistrats bei den Brüsseler Stellen und als Unterstützung für Leute aus der Wirtschaft.

Der Direktkontakt ist heute wichtiger als Fax und Telefon, ist man im Wiener Rathaus überzeugt und kann eigentlich über manche Zeitungsberichte, die über eine weitere Aufblähung des Beamtenapparates in Brüssel bloß höhnen können, nur den Kopf schütteln. In Brüssel sind heute -Hunderte Städte und Regionen, auch über den EU-Bereich hinaus, vertreten (beispielsweise Hongkong, einzelne US-Bundestaaten und -Städte).

Brüssel ist heute ein globaler Treffpunkt, den Wien für sich nutzen möchte. Informelle Kontakte fließen heute via persönliche Gespräche. Deshalb hat man auch, analog zum Brüsseler Bayern-Stammtisch, die Einrichtung eines Wien-Heurigen im Auge, wo man an jene Infos herankommen will, die auch über eine noch so gut funktionierende Mission nicht zu erhalten sind.

An den kulturellen Veranstaltungen mit Schwerpunkt Österreich Anfang April in Brüssel wird sich Wien daher besonders stark beteiligen. Besonders deutlich will man dabei die Bereitschaft bekunden, jene Rolle zu übernehmen, die laut Brüssel Österreich zugedacht ist: Brückenkopf zur Osterweiterung der EU zu sein

Die Gemeinde Wien wird daher konsequenterweise den Beitrittsantrag zum Netzwerk Euro-City stellen, in dem 60 bis 70 europäische Städte mittlerer Größe verbunden sind. Die an sich guten Beziehungen zu Prag, Preßburg, Budapest und auch Laibach will man verstärken. Ein „Europaforum” als städtische Einrichtung soll demnächst auf Wiener Boden die Kooperation von Städten in Ost und West ausbauen helfen, die Diskussion und den Meinungsaustausch zwischen Politikern, Wirtschaftsleuten und Verwaltungsvertretern zu speziellen Themen fördern. Ebenfalls Anfang April wird Wien gemeinsam mit Graz, Innsbruck und Euro-City ein „Sarajewo-Hilfsprogramm” angehen, das sich nicht mit Hilfssammlungen, sondern mit dem Wiederaufbau der zerstörten Stadt, mit der Betreuung und Therapie seiner Bewohner beschäftigen wird.

Zurück zum Thema Wien als Wirtschaftsstandort: Wien hat da Probleme. Als schöne, liebenswürdige, kulturelle Stadt ist Wien überall bekannt, als Wirtschaftsstandort ist Wien nicht präsent. Daher unternimmt man jetzt gewaltige Anstre-nungen, das Wien-Image um diesen Aspekt zu erweitern. Probeläufe gab's schon in Chicago und New York, detto in Japan, jetzt ist Brüssel dran. Zielgebiete sind die USA, Fernost (Japan/China), der pazifische Baum und der EU-Bereich. City Marketing ist das Zauberwort, man will das ganze zwar institutionalisieren, weiß aber noch nicht wie, weil es kein adäquates Modellvorbild gibt.

Ein erfolgreiches Modell, das für Wien jedoch nicht anwendbar ist, ist das Ruhrgebiet-Kohlenpott-Modell, dessen Erfolg von einer jahrzehntelangen Arbeit abhängig war.

Vor allem über die immer besseren Flugverbindungen via Wien nach Fernost, und in den Nahen Osten will man die Standortvorteile gegenüber Prag und Budapest hervorheben. Auch im Immobilienbereich ist Wien, was Ausstattung betrifft, günstiger als die beiden Konkurrenzstädte. Zudem weist Wien eine bessere Kommunikationsinfrastruktur auf.

Besonders bemühen will man sich in diesem Zusammenhang um das sogenannte „Humankapital”, das bisher straflässig vernachlässigt wurde. Wien hat ein international hochwertiges Ausbildungsangebot, nun müßte man auch daran arbeiten, die „human resources” hier zu halten. Mit Firmengründungen, die zukunftssichere Arbeit und Produkte bieten, am ehesten im schon genannten Telekommunikationsbereich und im Softwarebereich.

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