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„Wo die goldne Traube reift...“

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Von dem Punkt des Sieges Kaiser Rudolfs über Ottokar im östlichen Weiiwiertel soll Grillparzer das Land betrachtet haben,'als er das Loblied auf Österreich schrieb. Und so wie zur Zeit des großen Dichters, war das Stammland Österreichs auch schon zur Zeit dieser denkwürdigen Schiacht und schon viele Jahrhunderte früher ein Land der Reben und des Weines.

Man nimmt an, daß es die Römer unter Kaiser Probus waren, welche die Rebe ins Land brachten. Geistliche und weltliche Fürsten, besonders Karl der Große und vor allem die Klöster haben der Verbreitung und Pflege des

Weinbaues besondere Bedeutung beigemessen. Mit der Geschichte des Landes eng verbunden, hat auch der Weinbau ein wechseivolies Geschick erlebt. Kriege und Notzeiten verwüsteten die Rebflächen. Schädliche Insekten, Pilz-krankheiten und Unwetter drohten den Weinbau mehr als einmal zu vernichten.

Wie kein anderes landwirtschaftliches Erzeugnis gibt der Wein die Eigenart von Boden und Klima seines Ursprungs wieder. So ist es verständlich, daß sich die Eigenart der Weine unseres Landes in einer ebenso reichen Vielfalt darbietet, wie die schöne Weinlahdschaft. Auffällige Unterschiede bestehen daher zwischen den Weinen der einzelnen Weinbaugebiete, des Weinviertels, des Kamptales, aus Krems und der Wachau, des Danautales um Wien oder gar des Südibahn-gebietes. Aber schon von Weinort zu Weinort, ja sogar von Weinberg zu Weinberg vermag der Kenner Unterschiede im Geschmack und im Bukett festzustellen.

Die klimatischen Bedingungen sind . von Jahr au Jahr sehr verschieden. Die Extreme des kontinentalen Klimas liegen mit dem feuchten atlantischen und dem warmen medi-teranen Klima mit seinen bedeutungsvollen Föhneinbrüchen zur Zeit der Traubenreife im ständigen Kampf. Von der Summe dieser Einflüsse ist die Qualität des jeweiligen Jahrganges abhängig. Von wesentlicher Bedeutung

für die Art des Weines ist aber auch die Rebensorte.

Die letzte Feinheit aber verleiht der Mensch dem Wein. Die Persönlichkeit des Erzeugers spiegelt sich im dargebotenen Glas Wein wider. Je gewissenhafter und liebevoller der Besitzer zu seinen Weinstöcken ist, um so edler ist der Wein in seinem Keller, um so mehr gewinnt auch der Wein Persönilich-keitswert. Das ist keine schwärmerische Übertreibung, das ist Gesetz. Das sei dankbar allen jenen gesagt, die Rebe und Wein mit Liebe pflegen und sei denen zur Freude, die ihn mit Verständnis trinken.

Aber der Wein ist nicht nur Gegenstand historischer und schöngeistiger Betrachtung. Er ist vielen tausenden Familien der Erwerb ihres täglichen Brotes. Er ist in unserem Lande ein bedeutender Wirtschaftszweig.

Mit ungefähr 30.000 Hektar Weingärten bewirtschaftet das Land zwei Drittel der österreichischen Weinbaufläche. Die Weinmosternten, die von Jahr zu Jahr mengenmäßig sehr stark schwanken können, betragen im Durchschnitt eine Million Hektoliter. Das ist ungefähr die Hälfte der gesamtösterreichischen Ernte. Die Flächenerträge liegen im Schnitt bei 40 Hektoliter pro Hektar, mit einer Streuung von 9,3 im Jahre 1956 und 90,7 Hektoliter im Jahre 1964. In den Berglagen sind die Erträge bedeutend geringer.

Der Bestand der Weingärten wurde nach dem zweiten Weltkrieg vollkommen erneuert und der Großteil der Weingärten auf arbeits-wirtschaftlich günstige HocbkuHturanlagen nach Lenz Moser umgestellt oder neu angelegt. Diesbezüglich steht der niederösterreichi-

sche Weinbau mustergültig im Vergleich zu anderen Weinbauländern da und ist einer Eingliederung in einen größeren Wirtschaftsraum weitgehend gewachsen. Diese Entwicklung ist neben der Aufgeschlossenheit der Weinbauern einem gutausgebauten Förderungsdienst der Landwirtschaftskaircner und einem schlagkräftigen landwirtschaftlichen Fachschulnetz der Niederösterreichischen Landesregierung und der Höheren Bumdeslehr-anstalt für Weinbau in Klosterneuburg zu verdanken.

Die Hauptrebensorte ist der grüne Velt-liner, er bedeckt ein Drittel der Rebfläche des Landes, in vielen Gemeinden wird er fast ausnahmslos angebaut. Die neuere Sorte Müller-Thurgau, auch Riesling und Sylvaner genannt und die im Anbaurückgang begriffene Sorte Welschriesling sind mit je 10 Prozent vertreten. Die Sorten Riesling, Burgunder weiß, Neuburger, Traminer u. a. haben in besonderen Anbaugebieten ihre hervorragende Bedeutung. Rotgipfler und Spätrot geben den Weinen von Gumpoldskirchen ihren besonderen Vorzug. Rotwein wird nur auf etwa 10 Prozent der Weintoaufläche im Raum Haugsdorf, Matzen-Prellenkirchen, Vöslau-Baden angebaut. Dabei werden die Sorten Blauburgunder, Blaufränkisch, St. Laurent, Zweigeltrebe und Blauer Portugieser kultiviert. Der Rotweinanbau zeigt eine etwas steigende Tendenz.

Der Weinbau ist vorwiegend in den Händen kleinerer und mittlerer Betriebe. Durch die Rebe lassen sich Böden, welche für andere Kulturen Ungeeignet wären, noch intensiv nützen und ermöglichen zufolge des etwa vierfachen Rohertrages im Verhältnis zum allgemeinen Pflanzenbau, die Familien-existenz noch auf kleiner Fläche. Von den mehr als 30.000 Weinbaubetrieben besitzen weniger als 50 Prozent nur eine Gesamtwirt-schaftsfläche unter fünf Hektar, davon selten mehr als ein Hektar Weingarten. Diese vielen kleinen Betriebe sind natürlich nicht sehr krisenfest und jede Verminderung der Ernte und des Preises bringt sie in arge finanzielle Schwierigkeiten, Die notwendige Betriebsvergrößerung, welche den heutigen Lebens-ansprüchen und der geänderten maschinellen Bearbeitung Rechnung trägt, vollzieht sich langsam, aber stetig.

Nicht jeder Betrieb ist den neuzeitlichen Erfordernissen der Kellerwirtschaft mit einem immer größer werdenden Bedarf an Maschinen gewachsen. Noch schwieriger aber ist es, den Wein, der heute immer mehr in Flaschen gefüllt verkauft wird, auf den Markt zu bringen. Fast 12.000 Weinbauibetriebe haben sich daher in 23 Wirtzergenossenschaften und diese wieder in einem Genossenschaftsverband zusammengeschlossen und verfügen über einen Fassungsrauni für 400.000 Hektoliter Wein. Diese Genossenschaften unterhalten zum Teil eigene Absatzorganisationen, zum Teil verkaufen sie, wie auch viele Weinbautreibende, den Wein vom Faß an den Weimgroßihandel. Eine andere Gruppe der Weinbauern füllt den Wein selbst in Flaschen und stellt ihn dem Käufer zu.

Das Bild der Weinvermarktung wäre nicht vollkommen, würde man nicht die vielen Buschenschattikibetriebe nennen, bei denen sich täglich so viele Freunde des Weines und der Geselligkeit ein Stelldichein geben.

Mit einer Milliarde Schilling kann sich der jährliche Produlktionswert des niederösterreichischen Weinbaues ala Wirtschaftsfaktor sehen lassen. Für eine Unzahl von Lieferbetrieben ist der Weinbau ein interessanter Handelspartner und dem Staat bringt er durch seine hohen Steuerlasten direkt und indirekt hohe Einnahmen.

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