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Wohnen im Kulturgut

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Die Schloßherrin läßt bitten. Klingender Doppelname, italienisch-deutsch; das paßt noch ins Klischee. Der Alltag im Schloß weit weniger: „Arbeiten, arbeiten, Steine klauben ...” Vor 27 Jahren kaufte die Familie das halbverfallene Schloß Neuhaus bei Tainach in Kärnten. Jetzt wohnt die Witwe allein in den 650 Jahre alten Mauern. Die Steine, die noch zu klauben sind, reichen für Jahrzehnte. Geld vom Denkmal-amt? „Gibt es schon, aber immer erst im nachhinein.”

Immerhin, der Verfall ist vorerst gestoppt. Ein paarmal im Jahr kommen Urlaubsgäste, genießen die Atmosphäre vergangener Jahrhunderte. Mehr Fremdenzimmer bauen? „Irgendwann vielleicht. Aber ich will kein Geschäft daraus machen.”

Viele Schloßbesitzer denken so. Sie wollten sich einen ausgefallenen Wohntraum erfüllen - „und kiefeln für den Rest ihres Lebens an den Reparaturarbeiten”, wie es ein Mitglied des „Osterreichischen Burgenvereins” ausdrückt. Der Verein unterstützt seine rund 700 Mitglieder mit Seminaren über alles Wissenswerte, von der Dachrenovierung bis zur Erhaltung historischer Gärten. Und führt einen aussichtslosen Kampf um steuerliche Erleichterungen.

Denn was die Besitzer historischer Bauten als Erhaltung von Kulturgut betrachten, ist für die Steuerbehörde schlicht ein Hobby. „Nicht einmal Mehrwertsteuervergütung gibt es”, erzählt eine Betroffene. Ob sie denn bereit wäre, ihr privates Kulturgut der Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Verwunderung: „Was, meine private Wohnung?” Die Erhaltung der wertvollen Bausubstanz sei auch schon eine Leistung für die Allgemeinheit, findet sie.

Wohnen im Schloß ist aufwendig und oft unbequem. „Früher waren hier Substandardwohnungen”, erzählt Aglae Löw-Baselli, Mieterin im oberösterreichischen Schloß Parz. Erst in den letzten zehn Jahren wurden vom neuen Besitzer moderne Sanitäranlagen eingebaut; alles, was vorher verschandelt worden war, wurde stilgerecht renoviert. Das Heizen der hohen Bäume werde jeden Winter zum Problem, sagt die Bewohnerin. Andererseits: Wo sonst kann man schon täglich den Anblick eines Benaissancefreskos an der Außenfront seines Wohnhauses genießen?

Auch Johann und Ludmilla Elbe haben sich den Traum vom Wohnen im Schloß erfüllt. Sie hätten sich nie ein Schloß kaufen können - also bauten sie eines im Kärntner Ort Globas-nitz. Seit 21 Jahren arbeiten sie daran; Multitalent Johann Elbe malt sogar Bilder, die entsprechend alt aussehen sollen. Kunst oder Kitsch? Wer weiß. Historisierend gebaut wurde auch schon früher. Die niederösterreichische „Burg” Kreuzenstein stammt aus dem vorigen Jahrhundert - heute ist sie unbestreitbar ein Kulturgut.

1 Iistorische Gebäude privat zu erhalten, ist auf Dauer nur bei wirtschaftlicher Nutzung möglich. Die Kärntner Jägerschaft kann sich ihre repräsentative Heimstätte im Renaissanceschloß Mageregg nur leisten, weil sie Teile des Gebäudes vermietet und verpachtet. „Das reicht gerade für die Deckung der Betriebskosten”, so ein Mitarbeiter. Für die Generalsanierung des Gebäudes mußte das Land Kärnten einspringen.

Aus den Mauern des Schlosses Starkenberg in Tarenz in Tirol ragt ein Fabriksschlot: Ein Teil der Schloßbrauerei ist hier untergebracht. Die jetzige Besitzerin Charlotte Amann ist darüber nicht glücklich: „Der Innenhof ist leider zerstört.” Bis zum Zweiten Weltkrieg war das Gebäude ein Hotel, stand dann jahrzehntelang fast leer. Jetzt ist es renoviert, jeder Baum wird genutzt: „Für die Verwaltung unserer Betriebe und für Wohnungen.” Gesamtinvestitionen: 110 Millionen innerhalb der letzten zehn Jahre. Das nächste Projekt: ein Museum.

Ebenfalls nach unternehmerischen Gesichtspunkten bewirtschaftet die Familie Herberstein ihren Besitz in der Steiermark: als Kultur- und Freizeitunternehmen. Ausstellungen und Gastronomie im Schloß, dazu der historische Schloßpark, der angereiht angelegte Tierpark und der nahegelegene Stubenbergsee fürs Badevergnügen - für jeden soll etwas geboten werden. Und alles an einem Platz.

Wer für ein paar Tage zu Gast im Schloß sein will, hat die Auswahl zwischen vielen Schloßhotels in Österreich. Im „Hochzeitsschloß” Obermayerhofen bei Waltersdorf kann man sogar „fürstlich” heiraten: standesamtliche und kirchliche Trauung, I lochzeitstafel und Flitterwochen im Schloßhotel - alles unter einem Dach.

„Atmosphäre” ist beim Urlaub im Schloß garantiert - wenn auch das, was drinnen geboten wird, nicht immer zum Äußeren paßt. Das Schloß Pichlarn in der Steiermark ist heute ein Gesundheitszentrum; man kurt dort nach indischen Heilmethoden -in luxuriösem, modernen Ambiente. Der Vorbesitzer mußte aufgeben, das Hotel gehört jetzt der Bank. So hat schon für viele der Traum vom eigenen Schloß geendet.

Lernen in historischer Umgebung: auch das ist möglich. Das Schloß Hetzendorf war für die Wiener Modeschule ein Ausweichquartier nach dem Krieg, heute gehören Schloß und Schule untrennbar zusammen. Fresken und Plastiken aus dem 18. Jahrhundert, daneben unpassende italienische Wandleuchten - nicht alles ist stilgerecht. Aber das Schloß lebt, seine Erhaltung ist gesichert.

Im „Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung” in der Burg Schlaining werden unter anderem UNO-Mitarbeiter ausgebildet. Ein privater Verein begann vor 15 Jahren, das alte Gemäuer aus dem 13. Jahrhundert zu restaurieren. Initiator Gerald Mader: „Alle haben über uns nur gelacht. Aber wir sind von Haus zu Haus ge gangen, haben Spenden gesammelt.” Heute ist die Burg in gutem Zustand, die burgenländische „Friedensuniversität” international anerkannt. Und Geld fließt aus diversen Fördertöpfen. Gerald Maders Lebensziel: Ein „Museum für den Frieden”, vielleicht mit EU-Unterstützung: „In Schlaining wird die europäische ,Schlösselstraße' enden, die von Portugal bis ins Burgenland führen wird.”

Wieder so eine Utopie. Genauso wie damals die „Burg für den Frieden” ...

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