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Zehn Jahre Bundesstraßenbau

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Im letzten Jahrzehnt brachte der wirtschaftliche Aufschwung mit seiner technischen Entwicklung eine gewaltige Zunahme des Kraftfahr-zeugbestandes und des motorisierten Verkehrs. Es wuchs zum Beispiel die Anzahl der motorisierten Einheiten (Kraftfahrzeuge ohne Mopeds) von 490.000 im Jahre 1949 auf 870.000 im Jahre 1959. Dementsprechend haben sich auch der Fernlastverkehr und der auf der Straße einströmende Fremdenverkehr vervielfacht und sind damit zu wesentlichen Wirtschaftsfaktoren geworden.

Die Hauptlast des Nah-, Fern- und Durchgangsverkehrs haben die Bundesstraßen zu bewältigen, und zwar die überwiegend dem gemischten Verkehr dienenden Bundesstraßen B und die dem Schnellverkehr vorbehaltenen Bundesstraßen A (Autobahnen).

Den wachsenden Aufgaben der Straße entsprechend hat sich auch die Länge des Bundesstraßennetzes in den Jahren 1948, 1954 und 1959 von ursprünglich rund 4000 Kilometer auf rund 9200 Kilometer (ohne Autobahnen) vergrößert. Hiezu treten die 1954 und 1958 gesetzlich festgelegten Autobahnlinien mit einer Länge von zusammen rund 700 Kilometer. Die Genfer Deklaration vom Jahre 1950 legte ein weitverzweigtes Europastraßennetz fest, von dem 2230 Kilometer auf österreichisches Gebiet entfallen und sich mit jenen Bundesstraßen decken, die innerösterreichische Hauptverkehrsrouten sind (Wien—Linz—Passaü, Linz—Salzburg—Villach, Wien—Klagenfurt—Villaoh, Graz—Marburg usw.).

Derzeit umfaßt das geplante Autobahnnetz die Linien Wien—Salzburg (Westautobahn), Wien—Graz—Klagenfurt—Arnoldstein (Südautobahn), Kufstein—Innsbruck—Brenner (Inntal-Brenner-Autobahn) und Bregenz—Feldkirch (Rheintal-Autobahn), von denen die beiden erstgenannten gesetzlich bereits festgelegt sind. Die Notwendigkeit des Ausbaues von Autobahnen, die anfänglich umstritten war, hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre als abso'ut gegeben erwiesen.

Die steigenden Aufgaben der Straße warfen sofort nach dem Kriege große finanzielle Probleme auf. Bald reichten die Zuweisungen aus dem allgemeinen Steueraufkommen nicht mehr us und so mußten den Bundesstraßen seit 1950 zweckgebundene Einnahmen zur Verfügung gestellt werden (Bundeszuschlag zur Mineralölsteuer). Erst durch diese Einnahmen war es möglich, die wichtigsten Bundesstraßen systematisch auszubauen und das ganze Netz zu erhalten. Der Bau der Autobahn wird überwiegend aus zusätzlichen Mitteln im Rahmen des Investitionsprogramms der Bundesregierung finanziert.

Die Bundesstraßen sollen so erhalten werden, daß sie von allen Gattungen von Fahrzeugen sowie von Fußgängern bei Beachtung der Verkehrsvorschriften und der Witterungsverhältnisse ohne Gefahr benützt werden können. Diese Forderung setzt einen wohlfunktionierenden Straßendienst voraus, der beträchtliche Mittel aus dem Budget in Anspruch nimmt. Der Straßendienst erfährt mit der Zunahme des Verkehrs, der Reisegeschwindigkeit, des Schwerlastverkehrs und mit den steigenden Ansprüchen der Verkehrsteilnehmer eine rapide Ausweitung. Auch die Forderung, die Straßen das ganze Jahr hindurch befahren zu können, erfordert einen gut funktionierenden Winterdienst, der ständig einsatzbereit sein muß. Während im Jahre 1951 noch 13,5 Millionen Schilling für den Winterdienst genügten, mußten im Jahre 1959 bereits 32 Millionen Schilling hiefür aufgewendet werden. So müssen derzeit je Wintersaison rund 120.000 Kubikmeter Sand mit einem Aufwand von 10 Millionen Schilling auf den Bundes-straßen gestreut werden. ,

Die Trassen der Bundesstraßen B stammen zumeist aus einer Zeit, da man den Kraftwagen noch nicht einmal kannte. Sie den Bedürfnissen des Kraftfahrzeugverkehrs anzupassen, war Aufgabe systematischer Planungen, die allerdings auf die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel abgestimmt werden müssen. Im letzten Jahrzehnt wurde das Netz der Bundesstraßen B in Etappen, zum Teil provisorisch, vor allem aber auf weite Sicht verbessert und ausgebaut. Es konnte erreicht werden, daß heute nur noch 25 Prozent aller Bundesstraßen nicht staubfreie Schotterdecken besitzen, während die mittelstarken und schweren Fahrbahnbeläge sich von rund 30 Prozent auf 57 Prozent vermehrten und der Anteil der leichten Beläge etwas gesenkt werden konnte.

Neben größeren Instandsetzungen und Maßnahmen zur Verbesserung der Linienführung und Sichtverhältnisse, der Verringerung von übermäßigen Steigungen, der Beseitigung von Ortsdurchfahrten und schienengleichen Bahnübergängen und den Fahrbahnherstellungen wurden auch Straßenzüge abschnittsweise neu gebaut, wie u. a. in Niederösterreich die links-ufrige Wachau- und die Kamptalstraße, in Kärnten die Möiltal- und die Ossiacher Straße, in Salzburg die Salzachtal- und Gasteiner Straße, in Tirol die Wiener, die Achensee- und die Scharnitzer Straße, in Oberösterreich die Straße Wels—Ried und die Salzkammergutstraße, in der Steiermark die Triester Straße zwischen Leoben und Semmering. die Ennstal- und die Wechselstraße und im Burgenland die Eisenstädter Bundesstraße.

Ein Bild von den Baumaßnahmen an den Bundesstraßen B im letzten Jahrzehnt geben die aufgewendeten Geldmittel. Der Aufwand für Ausbau und Erhaltung der Bundesstraßen B stieg von 281 Millionen Schilling im Jahre 1950 auf 1 Milliarde Schilling im Jahre 195 8 und auf 1,2 Milliarden Schilling im Jahre 1959.

Es darf als Erfolg des letzten Jahrzehnts gebucht werden, daß zu Beginn dieses Jahres — bei einer Länge des Netzes der Bundesstraßen B von rund 9200 Kilometern — immerhin 1450 Kilometer voll ausgebaut sind und 2450 Kilometer auf weitere Sicht dem Verkehr entsprechen. Während 1951 erst 65 Prozent der Bundesstraßen B einen staubfreien Belag hatten, konnte innerhalb von acht Jahren dieser Anteil auf 75 Prozent gesteigert werden. Der weitere Ausbau des Netzes der Bundesstraßen B wird nach den finanziellen Möglichkeiten gemäß dem im Jahre 1956 aufgestellten 15-Jahr-Programm durchgeführt. Die Ziele dieses Programms sind die folgenden:

Sanierung der frostgefährdeten Strecken, Fortsetzung der Staubfreimachung, Erneuerung und Regenerierung nicht mehr vollwertiger Beläge und Fortsetzung des Vollausbaues und Neubaues ganzer Straßenzüge. Auch die Tragfähigkeit der Brücken, insbesondere im Zuge der Europastraßen, wird an die Erfordernisse des internationalen Verkehrs anzupassen sein. Bisher ist es aber noch nicht gelungen, die für die Durchführung des 15-Jahr-Programms jährlich erforderlichen Mittel in voller Höhe zu erhalten, so daß der tatsächliche Ausbau gegenüber diesem Programm zurückbleibt. Nahziel ist es, die vollständige Staubfreimachung der Bundesstraßen zu erreichen und so schnell wie möglich die Anlageverhältnisse und die Tragfähigkeit der Straßen und den Zustand der Fahrbahnbeläge zu verbessern. Im Zuge der Bemühungen, den Verkehr sicherer, flüssiger und wirtschaftlicher zu gestalten, werden nicht zuletzt auch die Ausschaltung verkehrsgefährdender schienengleicher Eisenbahnübergänge und besonders verkehrsbinhindernder Ortsdurchfahrten zu erreichen sein.

In den Jahren 1954 bis 1958 wurden im Rahmen der ersten Bauetappe 118,5 Kilometer Autobahn gebaut und dem Verkehr übergeben (Strecken St. Christophen—Pöchlarn, Ennsdorf— Sattledt, Mondsee—Salzburg). Gleichzeitig wurde bereits der Bau der zweiten Etappe begonnen, im besonderen die Strecken Preßbaum—Sankt Christophen, Pöchlarn—Kottingburgstall, Sattledt— Seewakhen usw. (84 Kilometer). Für die Ausbauarbeiten wurden 1954 bis Ende 1959 insgesamt 2,5 8 Milliarden Schilling aufgewendet. Mit dem Bau der Strecke Wien—Wiener Neustadt der Südautobahn wurde im Mai 1959 begonnen, wobei derzeit die Arbeiten an der Strecke Vösendorf—Sollenau (28 Kilometer) im Gange sind. Im Jahre 1959 wurden hierfür bereits rund 73 Millionen Schilling verausgabt.

Die Autobahnen müßten als Rückgrat des Bundesstraßennetzes jedoch beschleunigt ausgebaut werden; vor allem die Schließung der Lücken der Westautobahn und die Fertigstellung der Teilstrecke Wien—Wiener Neustadt der Südautobahn sollten besonders forciert werden. Die Frage dieser Fertigstellungen ist aber nicht nur eine technische, sondern vor allem eine finanzielle. Leider ist die Finanzierung auf weite Sicht nicht geregelt, so daß sich der Ausbau gegenüber dem ursprünglich aufgestellten Bauzeitplan verzögert.

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