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Zweckmäßigkeit, nicht falscher Luxus

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Das Planen von innen nach außen, das Einstellen des Wohnungs- und Hausgrundrisses auf die Bedürfnisse der künftigen Bewohner und somit auf den eigentlichen Zweck des Wohnbaues, setzt sich bei uns nur langsam durch. Aus der Erwägung, daß diese Anforderungen bei den meisten Bewohnern gleich oder ähnlich sein werden, ist man etwa zur Anlage von Installationsblocks: Küche-Bad-WC übergegangen.

Was aber für technische Installationen gilt, trifft auch für den Möbelbau zu, nur daß der Grundsatz: Die Benützung und die Art und Weise der Benützung machen die Wohnung erst zum privaten Lebensbezirk, hier noch stärker gilt. Es müßten endlich auch in der Möbelherstellung Wege gefunden werden, die eine rationelle Serienproduktion der verschiedensten Möbeltypen in enger Zusammenarbeit mit dem den Neubau planenden Architekten ermöglichen, wie dies bereits bei nahezu allen anderen Gebrauchsgegenständen der Fall ist.

Der bei der Interbau in Berlin eingeschlagene Weg des neuen Städtebaues brachte viele interessante Grundiißlösungen, die für die Möbelherstellung, vor allem der Serienfertigung, neue Aspekte aufzeigen. Beim Besuch der fertig eingerichteten Wohnungen fiel besonders das Fehlen der bei uns so häufigen freistehenden zwei-oder mehrtürigen Garderobeschränke innerhalb der Wohnräume auf. Sie sind in fast allen gezeigten Wohnungen teils in Vorräumen, teils in den Wohnräumen direkt als Einbauschränke untergebracht. Dem Besucher wurde damit vor Augen geführt, daß vor allem der freie Raum als solcher wirkt und daß in Serien hergestellte Möbel nur einen harmonischen Bestandteil der Raumarchitektur darstellen. In allen gezeigten Wohnungen waren die Einbauschränke- sowie die nach amerikanischem Vorbild eingebauten Küchen in das Bauprogramm selbst einbezogen. Eine Uniformierung durch die verwendeten Serienmöbel wurde damit vermieden, daß man die persönliche Note des Wohnungsinhabers durch geschmackvolle Anbringung von Teppichen, Vorhängen, Bildern und durch sinnvolles Aufstellen von Pflanzen und Gebrauchsgegenständen zum Ausdruck kommen ließ.

Der Kasten etwa ist in seiner heutigen Verwendungsform weder ein schöner noch ein zweckmäßiger Einrichtungsgegenstand. Er braucht viel Raum, er wird den größten Teil des Tages nicht benützt und ist im Wohnraum ebenso unpassend wie ein Waschbecken; außerdem beeinflußt er durch Volumen und Masse auch die Gestaltung der übrigen Möbelstücke. Den Wohnungseigentümern ist es in vielen Fällen unmöglich, selbst Einbauschränke anzulegen, weil dies in Einzelanfertigung zu kostspielig ist und in den bis heute bei uns in Oesterreich gebauten Wohnungen der Vorraum in seiner Grundrißlösung meist viel zu geringe Beachtung findet, so daß es zu Kleinstvorräumen kommt, die wohl noch Platz für die dorthin aufgehenden Türen haben, aber weder das Anbringen einer normalen Garderobe noch das Einbauen eines Garderobenschrankes ermöglichen und daher ihrer Hauptaufgabe als Vorraum nicht gerecht werden.

Der Einbauschrank fällt in seiner Wirkung überhaupt nicht auf, er wird zum Teil der Raumbegrenzung, der Wand. Schon dieser Hinweis entkräftet das häufige Gegenargument, daß Serienmöbel zwangsweise zu einer Uniformierung der Wohnung führen müßten. Bei den übrigen Serienmöbeln — außer Kästen — geht die Entwicklung immer mehr dahin, Kleinserien oder „Blocks“ in mehreren Typen aufzulegen, die eine unbeschränkte Zahl von Kombinationsmöglichkeiten erlauben und der individuellen Phantasie des Benutzers genügend Spielraum lassen. Die größere Beweglichkeit ermöglicht aber auch durch Umstellungen und Verwendung von Zusatzteilen eine Anpassung an geänderte Bedürfnisse, wie sie sich etwa durch das Hinzukommen oder Aelterwerden von Kindern ergeben.

Bei anderen . serienmäßig hergestellten Gebrauchsgegenständen haben wir uns schon an ihre Existenz als Massenware gewöhnt, ohne der Zwangsvorstellung der Uniformierung zu verfallen, etwa bei Geschirr, Kleidern, Stoffen, technischen Anlagen, Autos; auch die Wohnung selbst ist in größeren Wohnkomplexen kein Einzelstück Die Standardisierung all dieser Gegenstände gestattet es unserer heutigen Generation, einen Lebensstandard zu erreichen, der in früheren Zeiten ausschließlich ein Vorrecht der begüterten Klasse war. Voraussetzung ist eine material- und funktionsgerechte Gestaltung dieser Gegenstände.

Durch Serienherstellung der Möbel bzw. Einbauküchen und Schränke wäre es aber auch möglich, die bei uns übliche Möbelproduktion, die größtenteils in Klein- und Mittelbetrieben mit Einzelstücken oder Kleinstserien unrationell arbeitet, grundlegend zu rationalisieren. Dies würde schon beim Ankauf des teuren Rohmaterials (Holz) bzw. der Halbfabrikate zu einer bedeutenden Verbilligung führen, da selbst Kleinbetriebe bei Erhalt eines größeren Auftrages, zum Beispiel von Einbauscrrränken, in der Lage wären, ihren Betrieb auf eine derartige Fertigung einzurichten, und das hierfür benötigte Rohmaterial im großen eingekauft werden könnte. Eine solche Rationalisierung der Möbelerzeugung in größerem Umfang als bisher hätte eine beträchtliche Preisverminderung zur Folge, die neben den gesamtwirtschaftlichen Vorteilen auch weniger Bemittelten die Möglichkeit gäbe, in schön gestalteten Wohnungen zu leben.

Es läge in der Hand der großen sozialen Vereinigungen und Genossenschaften, die sich die Wohnbauförderung zum Ziel gesetzt haben — ohne bisher wirklich zu berücksichtigen, daß die schönste Wohnung ohne sachgemäße Innenausstattung ihren Zweck nicht erfüllen kann —, in ihrem Wohnbauprogramm in Zusammenarbeit mit der holzverarbeitenden Industrie die Ausgestaltung vor allem der Küchen und Voräume einheitlich durchzuführen, wie dies zum Beispiel von der Gemeinde Wien bei der Aufstellung von Gasherden, Abwäschen und Badeeinrichtungen erfolgt.

Es liegt in der Hand der Industrie, in Zusammenarbeit mit Architekten und Formgebern die Möbel zu schaffen, die in diesen Wohnungen den gemeinsamen Forderungen aller und den persönlichen Wünschen eines jeden entsprechen können. Es ist ferner Sache des Handels, der Wohnberatung und der Werbung, auf dem Gebiet der Möbelherstellung endlich mit der künstlichen Erzeugung falscher Luxusbedürfnisse aufzuhören und statt dessen den Menschen zu helfen, sich auf das zu besinnen, was sie wirklich brauchen. Nur dadurch schafft sich jeder — und sicherlich auch unter Benützung von Serienmöbeln — die ihm gemäße Umgebung, in der er sich wohlfühlt.

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