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Zwischen Bodensee und Gletscher

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Der Fremdenverkehr in Vorarlberg hat sich zu einem der stärksten Wirtschaftszweige dieses Bundeslandes entwickelt. Als Beweis dafür kann die Devisenbringung angesehen werden, die nur noch vom Industrieexport, vor allem der bedeutenden Textilindustrie, übertroffen wird. Die Entwicklung des Fremdenverkehrs muß daher im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse mit größter Sorgfalt beobachtet werden.

Die im Jahre 1962 63 zum ersten Male sichtbare Abschwächung der stürmischen Aufwärtsbewegung des Vorarlberger Fremdenverkehrs hat aiuch. im Jahre 1964 65 angehal- ten. Während der Winter 1964 65 eine Zunahme sowohl der Inländer- als auch der Ausländernächtigungen um 8,5 Prozent auf 1,586.134 erbrachte, war der Sommer 1965 mit 2,755.680 Inländer- und Ausländernächtigungen gegenüber dem Vorsommer um 1,3 Prozent rückläufig. Die Gesa.mtnächtiigungen — Sommer und Winter — stiegen auf 4,341.814, also eine Zunahme um 2 Prozent gegenüber der Zunahme in früheren Jahren um durchschnittlich 12 Prozent.

Erfreulich ist die Feststellung, daß die Aufenthaltsdauer sowohl im Sommer als auch im Winter auf 6,7 beziehungsweise 7,5 Nächtigungen gestiegen ist. Dabei sind es vor allem die ausländischen Gäste, die Vorarlberg für einen längerer Erholungsurlaub aufsuchen. Diese Zahlen bestätigen erneut, daß Vorarlberg immer mehr zu einem ausgesprochenen Erholungsland geworden ist.

Daß die eingangs erwähnte leichte Zunahme der Nächtigungen nicht unbedingt auch eine Zunahme der Rentabilität der Betriebe bedeutet, ergibt sich aus den Bettenzahlen, stieg doch die Bettenanzahl in den gewerblichen Betrieben im Winter von 22.158 auf 24.015, die der Privatbetten von 17.730 auf 19.239. Da im Sommer mehr Betten zur Verfügung stehen, ist es auch interessant, diese Zahlen kennenzuilernen. Die Anzahl der in den gewerblichen Betrieben im Sommer zur Verfügung stehenden Betten nahm von 25.185 auf 27.474 au und die der Privatbetten von 21.863 auf 24.994. Besonders beachtenswert ist sowohl im Sommer als auch dm Winter die große Anzahl der Privatbetteni die die Anzahl der gewerblichen Betten beinahe erreicht.

Bei der Reihung der österreichischen Bundesländer im gesamtösterreichischen Fremdenverkehr erweist sich die Bedeutung Vorarlbergs als Land mit sehr starkem Ausländerfremdenverkehr. So nahm Vorarlberg im Winter 1964 65 den 2. Rang nach Tirol in den Ausländemächtigungen ein, bei den Inländern stand es an 8. Stelle, sowohl im Winter als auch im Sommer. Die Zunahme des Winterreiseverkehrs zeigte sich darin, daß es in den Ausländemächtigungen im vorhergehenden Winter erst an 3. Stelle stand.

Die Sektion Fremdenverkehr der Kammer der gewerblichen Wirtschaft, die es verdienstvollerweise unternommen hat, die Ursache der Abnahmen der Zuwachsraten zu erforschen, ist der Meinung, daß in erster Linie eine erhebliche Verschärfung des Wettbewerbes im internationalen Fremdenverkehr, insbesondere im Sommerreiseverkehr, maßgeblich ist, hier wiederum die preisgünstigen Flugpauschalarrangements. Die Zukunftsaussichten für den Winterfremdenverkehr werden als verhältnismäßig gut bezeichnet, besonders auch im Hinblick auf die Empfehlung der Ärzte, einen zweiten Urlaub, im Winter, zu nehmen. Dem Ausbau einer zweiten Saison ist besondere Sorgfalt zuzuwenden, ebenso der Belebung der Frühjahrs- und Herbstsaison.

Während eine Kapazitätsausweitung in den bestehenden "Fremdenverkehrsplätzen gründlich überlegt werden sollte, sieht die Sektion Fremdenverkehr der Handelskammer noch Möglichkeiten in der Erschließung neuer Fremdenverkehrsgebiete, insbesondere für den Wintersport. Als solche werden genannt das Gebiet Warth, Hochkrumbach, Auenfel- der; der hintere Bregenzerwald mit Au, Schoppemau und Schröcken; Damüls im Bregenzerwald mit dem Purkagebiet; die Alpe Garfreschen im Gemedndegebiet von St. Gal- lenkirch im Montafon; Gaschurn, Gantekopf, Versettla, ebenfalls im Montafon; Großwalsertal-Faschina und Ebnit ‘bei Dornbirn mit dem Gebiet der Hohen Kugel.

Den Problemen der Raumordnung ist bei der Erschließung von solchen Hoffnungsgebieten besonderes Augenmerk zu schenken, um eine organische Entwicklung des Gebietes beziehungsweise Ortes sicherzustellen. Der Wunsch der Fremdenverkehrsorganisationen, ein Mftspracherecht zu erhalten, erscheint hierbei wohl verständlich.

‘Es gehört zur Problematik des Fremdenverkehrs, daß er an die Fremdenverkehrsträger laufend hohe Investitionsanforderungen stellen muß, sei es für die Rationalisierung, Modernisierung und Steigerung des Komforts der Betriebe, sei es in den Gemeinden für ‘die dem Fremdenverkehr dienenden Einrichtungen wie Schwimmbäder, Kuranla- gen, Gästehäuser, Seilbahnanlagen usw. Um diesen dringenden Forderungen genügen zu können, bedarf es billiger Kredite. An ERP- Krediten wurde im Jahr 1965 für fünf Vorhalben in Vorarlberg ein Betrag von 7,130.000 Schilling bewilligt, damit bisher für unser Bundesland insgesamt 99,223.127 Schilling. Für Seilbahn- und Sesselliftanlagen: für zwei Vorhaben 6,660.000 Schilling, bisher insgesamt

42.435.0 Schilling. Zinszuschüsse bewilligte das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau im J’ahre 1965 für 18 Bankkredite in der Höhe von 6,115.000 Schilling; damit wurden Zinszuschüsse für einen Gesamtkre- ditbedarf von 25,845.000 Schilling gewährt. Im Rahmen der Bürgeskreditaktion erhielt die Fremdemverkehrswirtschaft im Berichtsjahr

1.134.0 Schilling und beträgt der bisher aus- geschüttete Gesamtbetrag 10,136.000 Schilling. Die Gesamtsumme, die seit Anlaufen der verschiedenen Zinsverbilligungsaktionen für die Fremdenverkehrswirtschaft unseres Landes zur Verfügung gestellt wurde, beträgt somit 177,647.127 Schilling. Nachdem als Eigenmit- telaufbringung mindestens derselbe Betrag angesetzt werden kann, kann festgestellt werden, daß bisher rund 360,000.000 Schilling in vestiert wurden. In dankenswerter Weise hat sich auch die Landesregierung in Anbetracht der Bedeutung des Fremdenverkehrs für Vorarlberg auf Ersuchen des Landesverbandes für Fremdenverkehr bereit erklärt, ebenfalls Mittel für Zinsverbilligung zur Verfügung zu stelen, die einschließlich des Jahres 1965 die ansehnliche Höhe von 750.000 Schilling erreichten.

ln einem Punkt ist Vorarlberg wesentlich schlechter dran als die übrigen Bundesländer, und zwar im Zugsverkehr, das heißt vor allem in den Fernverbindungen. Wiederholt hat der Landesverband für Fremdenverkehr gemeinsam mit dem Amte der Vorarlberger Landesregierung auf die geradezu katastrophale Situation für Vorarlberg im Eisenbahnverkehr hingewiesen. Die DB sollen beabsichtigen, nun auch den D 234 einzustellen, wodurch drei weitere Kurswagenverbindungen verlorengehen. Es wird zwar als Ersatz ein Kurswagen nach Kassel im D 228 eingesetzt, aber Vorarlberg kommt dadurch im Eisenbahnverkehr geradezu in einen Notstand.

Es wird größerer Anstrengungen aller Behörden und Organisationen, die hier Einfluß nehmen können, bedürfen, damit Vorarlberg seine (früheren direkten Kurswagenverfoindungen wieder erhält und daß vor allem nicht noch weitere Einschränkungen vorgenommen werden. Gerade für den Winter, der besonders pfleglich behandelt werden muß, sind gute Bahnverbindungen von größter Bedeutung.

Der Bau eines Flughafens, der vielleicht in der Lage wäre, diese Verschlechterung der Zugsverbindungen, die besonders im Winter nur schwer ertragbar erscheint, durch einen starken Oharterf lug verkehr in etwa zu egali sieren, erfordert sehr hohe Kosten. Im Hinblick auf andere, ebenso wichtige Verkehrsvorhaben, wie den Bau eines zweiten Gleises Bregenz—Bludenz, mußte er leider zurückgestellt werden.

In Vorarlberg gibt es derzeit 18 Seilbahnen,

18 Sessellifte und 120 Skilifte. In diesem Jahr werden neu dem Verkehr übergeben werden: Die Seilbahn auf das Walmendingerhorn in Mittetbeng und auf die Kapellalpe bei Schruns sowie der Sessellift auf den Didams- kopf, eine Gemeinschaftsleistung der Gemeinden Au und Schoppemau. Das Jahr 1966 kann somit in Vorarlberg geradezu als ein „Jahr der Seilbahnen“ bezeichnet werden, und es ist mit dem Bau dieser Seilbahnanlagen ein weiterer Schritt in der Erschließung Vorarlbergs getan.

Für eine gedeihliche Entwicklung des Fremdenverkehrs kommt bei der noch immer stei genden Motorisierung, den Straßen besonders erhöhte Bedeutung zu. Vorarlberg darf sich glücklich schätzen, daß in Erkenntnis dieser Tatsache Land, Bund und Gemeinde einem hochwertigen Ausbau der Straßen des Landes seit Jahren besondere Beachtung zumessen.

Ebenso hat auch der Ausbau der Güterwege, die ebenfalls dem Fremdenverkehr zugute kommen und die zum Teil in landschaftlich sehr schöne Gebiete führen, einen hohen Stand erreicht. Daß der Bau einer Autobahn bei der Größe des Vorhabens verschiedene Schwierigkeiten mit sich bringt, erscheint verständlich. Aber auch sie werden gemeistert werden. Hinsichtlich der-. Winterfestmachung verschiedener Straßenzüge stehen einige vordringliche Wünsche offen, so die Bundesstraße Nummer 1 über den Arlberg, die Straßen Lech—Warth beziehungsweise Schröcken—

Warth.

Mit dem Urteil des Verfassungsgerichts- hofes vom 18. März 1965 wurde die bisher bestehende Verordnung des Landeshauptmanns zur Einhebung von Kurtaxen und Fremdenverkehrsförderungsbeiträgen aufgehoben. Es war damit dringend notwendig,

um die Finanzierung der Fremdenverkehrsbelange in den Gemeinden sicherzustellen, ein neues Gesetz zu erfassen. Am 18. Mai 1966 wurde nun vom Amt der Vorarlberger Landesregierung ein Entwurf zu diesem Gesetz im Landtag eingebracht und den zuständigen Unterausschüssen zugewiesen. Es ist zu hoffen, daß dieses neue Gesetz rechtzeitig im Landtag verabschiedet wird und damit die kontinuierliche Fremdenve rkehrsarbeit in den Gemeinden fortgesetzt werden kann. Die Werbung für das Land Vorarlberg ist dem Landesverband für Fremdenverkehr überantwortet, der bei seinen Bemühungen die Unterstützung des Landes, der Handelskammer, der Gemeinden und einer großen Anzahl von Mitgliedern findet. Er ist seit Jahren um die Bildung des „Image Vorarlberg“ besorgt und hat einen Werbeslogan gefunden, in dem die geographische Lage demonstriert wie auch die Vielfalt der Landschaftsformen, die sich von den Ufern des Bodensees, den Ebenen des Rheintales und Waligaues, über die sanften Hügel des Mittellandes zu den eisumgür- teten Riesen des Hochgebirges aufschwingen, ausgesprochen wird. Er lautet: „Vorarlberg, das österreichische Alpenland zwischen Bodensee und Gletschereis.“

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