Arnautovic im Fersler-Casino
Der internationale Fußball wird zusehends mit politisch motiviertem Kapital aufgebläht und damit zu einem Mittel des internationalen Interessenskonflikts. Eine Analyse.
Der internationale Fußball wird zusehends mit politisch motiviertem Kapital aufgebläht und damit zu einem Mittel des internationalen Interessenskonflikts. Eine Analyse.
Als alles vorbei war, schleimte er sich bei den Fans, denen er noch eine Woche zuvor ausführlich "Bye bye" zugewunken hatte, wieder ein. "Ich bin froh, wieder zurück zu sein. Meine Entscheidung, die ich getroffen habe, macht mich glücklich. Jetzt kann ich es kaum erwarten, wieder vor euch spielen zu dürfen", schrieb Marko Arnautovi´c auf einem Social Media Kanal. "Hört darauf, was dieser Verein sagt oder ich selbst sage. Hört nicht auf die anderen Leute, die nicht im Verein sind."
Um das alles zu verstehen, muss man wissen, dass Marko Arnautovi´c im Feld der internationalen Fußballspieler ein beliebiger Akteur ist, wie es viele gibt. Er hat sich in seiner langen Karriere bei keinem nennenswerten Verein durchgesetzt, weder bei Inter Mailand noch bei Werder Bremen. Und doch ist Marko Arnautovi´c ein besonderer Fußballspieler. Die Entwicklung des Fußball-Business hat dazu geführt, dass Fersler wie Arnautovi´c wohlhabend werden, auch wenn sie nie in ihrem Leben eine Meisterschaft gewinnen. Als Herbert Prohaska im Juli 1980 von Austria Wien zu Inter Mailand wechselte, kostete er den Italienern rund 13 Millionen Schilling, nach heutiger Rechnung eine Million Euro. Für die Austria war das ein warmer Regen. Prohaska gewann mit Inter Mailand den italienischen Cup und mit AS Roma im Jahr darauf die Meisterschaft. Mit der Austria wurde er sieben Mal Meister.
Und Arnautovi´c, der Titelfreie? Vor ein paar Wochen wollte ihn der chinesische Verein Shanghai SIPG haben, laut Zeitungsberichten für rund 57 Millionen Euro, das 50fache dessen, was der Jahrhundertkicker Prohaska wert war. An Arnautovi´cs Beispiel lässt sich die Inflation der Spielerpreise ablesen.
Befeuernde Faktoren
Den ohnehin seit 25 Jahren boomenden Fußballermarkt heizen derzeit zwei Entwicklungen zusätzlich an. Die eine hat ihren Ursprung in China, wo mit Duldung und Förderung der Regierung eine Liga aufgebaut wird, die aus Gründen des nationalen Prestiges in möglichst kurzer Zeit mit den großen europäischen Ligen, dem Kapitalzentrum des globalen Fußball-Business, mithalten soll.
Der zweite Faktor ist ein differenziertes europäisches Phänomen, das die Erlöse der Klubs in den "Big Five"(die Ligen in Italien, Spanien, Deutschland, Frankreich und England) kontinuierlich in die Höhe treibt. Dazu gehören steigende TV-Lizenzerlöse, Zuwendungen aus den UEFA-Klubbewerben Champions League und Europa League, das Interesse globaler Konzerne wie Coca Cola oder Gazprom am Sponsoring prominenter Klubs und das Engagement von politischen Interessenten aus der arabischen Welt und Oligarchen aus Russland, die in England dank investorfreundlicher Gesetze eine sichere Verwahrung ihrer nicht in jedem Fall aus supersauberen Geschäften stammenden Gelder finden.
2017/18 überschritten die kombinierten Einnahmen der Vereine aus den fünf großen Ligen erstmals die Grenze von acht Milliarden Euro (8,3 Milliarden Euro). Die Beraterfirma Deloitte veröffentlicht jedes Jahr ein Ranking der bestverdienenden Vereine. In dem eben veröffentlichten Papier setzte sich Real Madrid (750,9 Mio.) erstmals nach vielen Jahren an die Spitze, gefolgt von FC Barcelona (690,4 Mio.) und dem entthronten Spitzenreiter Manchester United (666 Mio.). Sechs Klubs der reichsten Liga der Welt, der englischen Premier League, platzierten sich in den Top 10.
Um den Wettbewerbsnachteil kleinerer Ligen und Klubs an einem Beispiel zu verdeutlichen: Allein die TV-Erlöse von Real Madrid (251 Mio.) betragen das Zwölffache der TV-Einnahmen aller 28 Klubs der österreichischen Bundesliga.
Es ist nichts leichter und beliebter, als die horrenden Preise für Fußballer als moralisch verwerflich zu erklären. Doch niemand macht sich Gedanken darüber, was moralisch vertretbare Preise für Kicker wären. Das Engagement bei Paris SG ist für den Klubeigentümer, das Ölscheichtum Katar, gut eingesetztes Spielgeld. Zumindest bisher, denn Katar verwendet Sport und vornehmlich Fußball als strategische Maßnahme, um sich dem Westen als schützenswerter Partner anzudienen und Attacken der aggressiven Nachbarn Saudi-Arabien und der Vereinigten Arabischen Emirate zu begegnen.
Die Zuneigung Katars zu Paris SG soll mit der Bewerbung um die Fußball WM 2022 begonnen haben. Dem eben skizzierten Plan folgend traf Katars Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und verklickerte ihm seine Wünsche. Wie der Zufall so spielt, war der ehemalige französische Starkicker Michel Platini gerade UEFA-Präsident. Sarkozy redete seinem Landsmann offenbar gut zu, und die Kataris erhielten gegen jede fußballerische, wirtschaftliche und politische Vernunft die WM 2022. Seither gehört Paris SG den Ölscheichs aus Katar und kann sich die teuersten Fußballer der Welt leisten.
Falls der Plan aufgeht und dazu beiträgt, in der arabischen Region, die einen großen Teil der gerade für den Westen lebensnotwendigen Rohstoffreserven beherbergt, den Frieden zu erhalten, wäre die Preistreiberei für die Kicker geradezu eine moralisch-politische Heldentat.
Geld und Spiele
Bleibt die Frage, ob es ehrenhaft ist, das ach so wunderbar absichtslose, unpolitische, faire Spiel für politische Ziele nutzbar zu machen. Wie es im Inneren der Fußball-Kugel aussieht und wie Katar -auch dank Frankreichs Hilfe -zur WM kam, ist ein Lehrbeispiel für die Mechanismen und Entscheidungsfindungen in der globalen Weltwirtschaft. Persönliche Netzwerke, politische Koalitionen und individuelle Gier zählen mehr als Fairness, Chancengleichheit oder Nachhaltigkeit. Die FIFA posaunt gern hinaus, wofür sie stehe: "Für das Spiel! Für die Welt!"
Wofür sie wirklich steht, schildert die Australierin Bonita Mersiades in ihrem Buch "Whatever it takes -The Inside Story Of The FIFA Way". Mersiades war Mitarbeiterin der australischen Bewerbung für die WM 2022. Der Verdacht steht im Raum, dass einige der damals noch entscheidungsberechtigten Mitglieder des FI-FA-Exekutiv-Komitees bestochen wurden.
Später wurde der Modus geändert, seither stimmen alle 211 FIFA-Mitgliedsverbände ab, eine Beeinflussung der Wahl wurde schwieriger. Der unter Korruptionsverdacht stehende Ex-FIFA-Präsident Sepp Blatter musste just auf Initiative der FIFA-Ethikkommission sein Amt abgeben. Sein Nachfolger Gianni Infantino ist ebenfalls ein Schweizer und erinnert in seiner Amtsführung stark an Blatter.
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung plant er, "das Kerngeschäft des
Weltfußballverbandes an Investmentfirmen zu verscherbeln". Infantino, der alle unabhängigen Mitglieder der Ethikkommission hinauskomplimentiert hat, holte für den geplanten Ausverkauf aller FIFA-Rechte Katars Intimfeinde, die Saudis und deren Verbündete, die Vereinigten Arabischen Emirate, sowie den japanischen Technikkonzern Softbank ins Boot. Das "Konsortium" will über eine neu zu gründende Fifa Digital Corporation (FDC) 25 Milliarden Dollar für die Verwertungsrechte fast aller FIFA-Events zahlen.
Den Aufsichtsratsvorsitz dieses Unternehmens würde sich Infantino mit dem Boss der Softbank-Gruppe teilen. Die FI-FA könnte nicht mehr über ihr eigenes Geschäft entscheiden, FIFA-Boss Infantino im Einvernehmen mit einem Konzern und arabischen Hintermännern aber sehr wohl.
Tausende Kicker wie Arnautovi´c würden von der Kapitalflucht in den Fußball weiterhin profitieren. Arnautovi´c selbst verlängerte seinen Vertrag mit West Ham bis 2023. Dann ist er 33 Jahre alt und kann noch ein, zwei Jahre nach China gehen und dort ein fettes Ausgedinge einstreifen.