Astronomen im Wettlauf um Planeten

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Amerikanische Astronomen haben möglicherweise den ersten erdähnlichen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt. Das könnte dank neuer Messtechniken noch öfter passieren.

Die Entdeckung von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems ist nichts Ungewöhnliches. Seite 1995 wurde alle elf Tage ein neuer Exoplanet gesichtet. Es hat andere Gründe, warum eine Publikation amerikanischer Wissenschaftler vorige Woche so rasch um die Welt ging.

Die Astronomen wollen mit Gliese 581g, so sein sperriger Name, in 193 Billionen Kilometer Entfernung den ersten Exoplaneten entdeckt haben, der unserer Erde ähnlich genug ist, dass Leben auf ihm existieren könnte.

Um diesen Befund zu bekräftigen, lehnt sich sein Entdecker ungewöhnlich weit aus dem Fenster. #Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit für Leben auf diesem Planeten liegt bei 100 Prozent#, sagt Steven Vogt vom Lick-Observatorium der Universität Kalifornien. #Es ist ein freundlicher, angenehmer Ort.# Die Kombination aus Wunschdenken und Spekulation löste die mediale Aufmerksamkeit. Doch mit der Entdeckung des Planeten könnte ein neues Kapitel der Astronomie beginnen.

Erdähnliche Planeten

#Das Besondere daran ist, dass Gliese 581g der erste plausible Kandidat für einen erdähnlichen Exoplaneten in der habitablen Zone ist#, bestätigt Ronald Weinberger vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.

Erdähnlich nennen Astronomen solche Planeten, die aus festen Bestandteilen bestehen, also nicht gasförmig sind und genügend Masse aufweisen, um eine Atmosphäre halten zu können. Sie sollten ungefähr die Größe der Erde haben (mit einer zulässigen Variante von ungefähr einigen Zehntel bis zum dreifachen der Erdmasse).

Die #habitable Zone# ist jener Abstand vom Zentralstern, innerhalb dessen die Oberflächentemperatur des Planeten gemäßigt genug ist, dass Wasser flüssig bleibt. In unserem Sonnensystem liegt die habitable Zone etwa zwischen Venus und Mars. #Erdähnlich bedeutet aber nicht, dass es dort notwendig Leben gibt oder gab#, schränkt Weinberger ein.

Einen wesentlichen Unterschied zur Erde weist Gliese 581g allerdings auf. Er liegt seinem Zentralgestirn etwa 2,5 Mal näher als Merkur unserer Sonne. Daraus ergibt sich das als #gebundene Rotation# bekannte Phänomen, dass er seinem Stern stets die gleiche Seite zuwendet. Auf der einen Planetenhälfte ist also immer Nacht, auf der anderen immer Tag. Laut thermischen Computersimulationen soll das der Wirtlichkeit des Planeten jedoch keinen Abbruch tun, sagen die Entdecker.

Das Gliese-System ist Astronomen bekannt. Zwischen 2005 und 2009 entdeckten Forscher vier Planeten, die ihre Bahnen um den Stern Gliese 581 ziehen. Einer von ihnen, Gliese 581 c, galt für einige Zeit als Kandidat für einen erdähnlichen Planeten. Genauere Analysen schlossen dies aus.

Suche als boomende Disziplin

Seit der Astronom Michel Mayor 1995 in etwa 40 Lichtjahren Entfernung (rund 380 Billionen Kilometer) den jupiterähnlichen Gasplaneten 51 Pegasi b entdeckt hat, ist die Suche nach Exoplaneten zu einer boomenden Disziplin innerhalb der Astronomie geworden. Die Fundhäufigkeit steigt rapide an. Mehr noch: Wurden bisher fast ausschließlich riesige Gasplaneten entdeckt, gelingt seit ein paar Jahren immer öfter die Sichtung von Felsplaneten, die nur unwesentlich größer sind als die Erde (meist jedoch außerhalb der habitablen Zone liegen). #Künftig werden erdähnliche Planeten noch häufiger entdeckt werden#, prophezeit Ronald Weinberger.

Dafür ist einerseits die immer raffiniertere Software zur Auswertung der Daten verantwortlich. Andererseits werden die Messinstrumente selbst ständig optimiert oder völlig neu gebaut. So hat das europäische Weltraumteleskop Corot seit 2006 mehr als ein Dutzend Exoplaneten entdeckt, einige davon potenziell erdähnlich. Die NASA wiederum setzt große Hoffnungen auf ihr Weltraumteleskop Kepler, das seit vergangenem März nach neuen Planeten sucht.

Exoplaneten lassen sich nur in den seltensten Fällen mit optischen Instrumenten beobachten. Meist gelingt die Entdeckung nur indirekt. Für die Entdeckung von Gliese 581g haben die Forscher eine Methode verwendet, die man Radialgeschwindigkeitsmethode nennt. Sie beruht auf dem Umstand, dass beim Umkreisen eines Planeten um seinen Stern nicht nur der schwere Stern auf den vergleichsweise leichten Planeten Gravitationskraft ausübt, sondern auch umgekehrt. Streng genommen rotieren also beide Körper um den gemeinsamen Massenschwerpunkt. Relativ auf einen entfernten Beobachter bewegt sich also auch der Stern selbst abwechselnd auf ihn zu und wieder weg. Dessen ausgestrahltes Licht verschiebt sich dabei gemäß dem Doppler-Effekt abwechselnd in den roten und blauen Bereich des Spektrums. Diese Verschiebung lässt sich messen und daraus lassen sich Daten über den Planeten ableiten.

Mindestens so bedeutsam ist die Transitmethode. Sie funktioniert allerdings nur, wenn der entfernte Stern, sein Planet und der Beobachter auf einer Ebene liegen. Dann reduziert der Planet, während er vor dem Stern vorbeizieht für kurze Zeit dessen abgestrahltes Licht, was mit empfindlichem Messinstrumentarium ebenfalls detektierbar ist.

Zusätzlich grenzen die Planetenjäger ihre Suche auf Erfolg versprechende Sternsysteme ein. So sucht man bevorzugt in der Umgebung von Sternen des Typs #Roter Zwerg#. Diese sind deutlich kleiner und leichter als unsere Sonne, entsprechend leuchtschwächer und weniger heiß. Sie sind sie der häufigste Sterntyp in der Milchstraße, was die Trefferwahrscheinlichkeit erhöht. Zudem liegt ihre habitable Zone relativ nahe beim Stern. Je näher ein Planet sich bei seinem Stern befindet, desto genauer sind seine Signale messbar. Außerdem sind rote Zwerge extrem langlebig. Man vermutet eine Lebensdauer von rund 100 Milliarden Jahren.

Um bewohnbar zu sein, muss ein Planet zur Erdähnlichkeit eine langzeitstabile Umlaufbahn aufweisen. #Das ist für Gliese 581g noch nicht klar, weil die Entdecker keine Daten zu seiner Umlaufbahn angegeben haben#, sagt Elke Pilat-Lohinger vom Institut für Astronomie der Universität Wien. Bekannt ist, dass die Umlaufbahn des unmittelbaren Nachbars Gliese 581d stark von einer idealen Kreisbahn abweicht. Das könnte Gliese 581g unter bestimmten Bedingungen instabil machen.

Wechselwirkung der Gravitation

Instabilität von Planeten kann dazu führen, dass diese irgendwann mit ihrem Zentralgestirn kollidieren oder aus dem System herausfallen. Solche Fragen sind allerdings knifflig. Denn in Mehrkörpersystemen übt jeder Planet auf jeden anderen Gravitationskräfte aus. Das Langzeitverhalten solcher Systeme ist schwierig zu berechnen. Vorläufige Schätzungen lassen Pilat-Lohinger vermuten, dass der neue Planet nicht stabil ist. #Auf jeden Fall sind weitere Untersuchungen nötig, bevor man von möglichen Bedingungen für Leben sprechen kann.#

Entdecker Steven Vogt zeigt jedenfalls unwissenschaftlichen Optimismus. Das dürfte einen handfesten finanziellen Hintergrund haben. Seine Forschung wird vom amerikanischen Wissenschaftsfonds NSF und der NASA finanziert. Beide wollen Ergebnisse sehen. Zudem könnte ein Sensationsfund das NASA-Projekt #Terrestrial Planet Finder# wieder auf die Tagesordnung bringen. Es sieht den Bau eines Superteleskops von bislang ungekannter Genauigkeit vor. Es soll nicht nur nach erdähnlichen Planeten suchen, sondern gleich eventuell auf ihnen vorhandene Moleküle aufspüren. 2006 wurde das Projekt mangels Finanzierbarkeit für unbestimmte Zeit gestoppt.

Doch selbst wenn Gliese 581g nicht die gesuchte Zwillingserde ist # die Jagd nach ihr hat gerade erst begonnen.

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