Auch Staub kann glitzern

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Luc Bondy inszenierte für die Wiener Festwochen im Akademietheater Tschechows "Möwe".

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Luc Bondy inszenierte für die Wiener Festwochen im Akademietheater Tschechows "Möwe".

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Taube (Anouilh) und Pelikan (Strindberg), Wildente (Ibsen) und Möwe (Tschechow) - niemand kann leugnen, dass Dramatiker - vielleicht, weil sie selbst auf dem Dichterross Pegasus schweben - viel für die Symbolkraft von Geflügel übrighaben. Auf diesen alten Stücken lastet zwar einiger Staub, aber es lässt sich ihnen auch noch viel Reizvolles und manches Glitzern entlocken.

Am Wiener Akademietheater hat Luc Bondy als Festwochenproduktion "Die Möwe" von Anton Tschechow inszeniert. Was viele moderne Regisseure leider zu vergessen scheinen - dass es beim Theater zunächst einmal schlicht und einfach darum geht, eine Geschichte zu erzählen -, das setzt Bondy hier mit Tiefgang, manchmal eine Spur zu theatralisch, zu Beginn etwas zu langatmig, aber mit Verlauf des Abends immer treffender mitGilles Aillaud (Bühne) und Marianne Glittenberg (Kostüme) und einer hervorragenden Besetzung um.

"Die Möwe" zeigt das ewige Streben des Menschen nach Liebe und Anerkennung und wie dieses Streben vielfach scheitert. Ein Beispiel dafür ist Mascha, die Verwalterstochter, die sich ihre unerwiderte Liebe zu Konstantin, dem Neffen des Gutsbesitzers, "mit Stumpf und Stiel" aus der Seele reißen will und ihren ungeliebten Lehrer heiratet, ein anderes Konstantin, der seine Liebe, Nina, verliert und zudem von seiner nur sich selbst liebenden Mutter Irina demütigende Kritik statt Zuwendung erfährt.

Und schließlich die junge Schauspielerin Nina, die sich mit einer von Konstantin geschossenen Möwe identifiziert. Sie verfällt dem erfolgreichen Autor Trigorin, der in der toten Möwe Stoff für eine kleine Erzählung und in dem Mädchen nur ein nettes Abenteuer sieht, sie mit einem Kind sitzenlässt, bei Irina bleibt und sich an die Möwe bald nicht mehr erinnern kann oder will. Dass Nina auch dann nicht von Trigorin loskommt, wirft Konstantin um. So laufen mehrere seelisch gestörte Personen durch diese "Komödie", die aus ihrer Not nicht herauskönnen und denen nur zwei Wege bleiben: ihr Kreuz auf sich zu nehmen oder in den Freitod zu gehen.

Sehenswert machen die Aufführung vor allem die jungen Hauptdarsteller: August Diehl (Konstantin) und Johanna Wokalek (Nina) stellen zwei glaubwürdige, Mitgefühl erweckende Menschen auf die Bühne und lassen sogar Theatergrößen wie Jutta Lampe (Irina) und Gert Voss (Trigorin) ein bisschen alt aussehen. Dem starken Ensemble gehören noch Martin Schwab, Ignaz Kirchner, Gertraud Jesserer, Maria Hengge, Philipp Brammer und Urs Hefti an.

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