Auf den Spuren eines Genies

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Sehenswerte Ausstellung in München: "Genau betrachtet. Albrecht Dürer - Die Gemälde der Alten Pinakothek. Restaurierung und Forschung"

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Sehenswerte Ausstellung in München: "Genau betrachtet. Albrecht Dürer - Die Gemälde der Alten Pinakothek. Restaurierung und Forschung"

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Ein Säureattentat auf den herausragenden Werkbestand Albrecht Dürers in der Alten Pinakothek in München im April 1988 hatte weitreichende Folgen. Die "Schmerzensmutter" (1495/98), der "Paumgartner Altar" (1498) und die "Glimsche Beweinung" (1500) wurden schwer beschädigt. Die Malschicht war von tiefen Laufspuren teilweise bis auf den Kreidegrund durchzogen, originale Substanz unwiederbringlich verloren. Im Zuge der langwierigen und aufwendigen Restaurierung - zur Neutralisierung wurde erstmals ein Ionenaustauscher in Pastenform erfolgreich eingesetzt - bot sich die Möglichkeit, den gesamten Dürerbestand mit den modernsten gemäldetechnischen Methoden zu untersuchen.

Insgesamt 13 Werke Dürers werden nun im Rahmen der Restaurierungs- und Forschungsergebnisse wieder der Öffentlichkeit vorgestellt, begleitet von einer umfassenden Publikation. Großfotos der beschädigten und die Präsentation der wiederhergestellten Gemälde lassen das Ausmaß der vorgenommenen Retuschen erkennen, das heißt drei Hauptwerke müßten auch künftig in der wiedereröffneten Alten Pinakothek von ihrem Schadensbild begleitet sein.

Neben der Restaurierung kann auch die Dürer-Forschung große Erfolge verzeichnen. Im Doerner-Institut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gelang es, mittels der Infrarotreflektographie computergestützte Aufnahmen von sehr hoher Präzision der von Dürer vorgenommenen Unterzeichnungen in der Größe 1:1 vorzulegen. Rund 600 Teilbilder verschmelzen zu einem Bild und geben Einblick, mit welcher Sicherheit und Zweckbestimmung Dürer mit spitzem Pinsel in flüssiger schwarzer Tusche, auch in Feder, selten mit dem Stift direkt auf die Grundierung gezeichnet hat: Konturen definieren die Komposition, Schraffierungen die Farbigkeit und Modellierung. Kaum gibt es Korrekturen und Änderungen zur Ausführung im Tafelbild, Hilfslinien oder Pauspunkte sind nicht nachgewiesen. Innerhalb der Werkfolge ist deutlich die Tendenz zu Vereinfachung zu erkennen. Von außergewöhnlicher Qualität ist hingegen die Unterzeichnung des berühmten Selbstbildnisses von 1500. In der Feinheit der Details und der präzisen Ausführung gleicht sie einer eigenständigen Zeichnung.

"... Wißet, das ich nimb die allerschönesten farben, so ich haben mag ...", schrieb Dürer 1508 an den reichen Auftraggeber Jacob Heller in Frankfurt/M. Schon 1505/1507 hatte er den Plan gefaßt, ein Lehrbuch der Malerei zu schreiben. Über ein Fragment von farben, eine Vorrede und drei verschiedene Inhaltsangaben ist er jedoch nicht hinausgekommen. Konkret hat sich Dürer nur zu Kesselbraun, Bleiweiß und Ultramarin geäußert. Durch verfeinerte Pigmentanalyseverfahren einerseits, sowie durch neu erschlossene Quellen zur Pharmazie-, Montan- und Wirtschaftsgeschichte und über Apothekeninventare und Taxen aus der Zeit zwischen 1450 und 1550 andererseits können jedoch wichtige Erkenntnisse zu den damals verwendeten Pigmenten vorgelegt werden.

Der Künstler stellte die Farben nicht selbst her, sondern erwarb sie von erstmals nachgewiesenen farbprennern, von Färbern (bei Pflanzenfarben), eventuell bei Alchimisten oder durch Tausch und Kauf bei Malerfreunden. Für den Import der Rohmaterialien spielte der internationale Handel der Freien Reichsstadt Nürnberg eine entscheidende Rolle. Zinnober und Quecksilber kamen aus Idria bei Laibach (Ljubljana), Grünspan aus Antwerpen, Krapp aus den Niederlanden, mittelmeerische und polnische Schildläuse für leuchtend rote Farblacke gingen über Nürnberg nach Antwerpen beziehungsweise Venedig, rotes Brasilholz kam aus Fernost nach Europa. Hingegen war Azurit aus dem Bergbau in Schwaz und Brixlegg/Tirol sowie aus dem Saarland ein bedeutender deutscher Exportartikel innerhalb Europas bis nach Nordafrika. Der Handel mit diesen und anderen Rohstoffen erfolgte über die Apotheken, die über die ihnen vorbehaltenen giftigen Stoffe hinaus offensichtlich (auch damals) viele andere Artikel anboten, und über Wurzkramereien.

Die Preise, in Taxen festgeschrieben, lassen große Unterschiede erkennen. Einer Unze Grünspan entsprach etwa der Nachtlohn eines Müllers, bester Azurit kostete doppelt soviel wie ein Liter Muskatellerwein. Ultramarin, aus dem tiefblauen Mineral aus Afghanistan, wurde mit Gold aufgewogen und war in Deutschland nicht erhältlich. Dürer verwendete diese kostbare Farbe auf zwei aller bis jetzt untersuchten Gemälde, und er war in der Lage, auf seiner Reise in den Niederlanden diese einzutauschen: Jch hab dem für 12 ducaten kunst für ein uncz gut vltermarin geben. Entsprach Dürers Palette weitgehend der seiner Zeitgenossen, so hat er die Qualität seiner Farben und seiner Malerei wiederholt hervorgehoben.

Neue Pinakothek, bis 14. Juni.

München, Barerstr. 29. Tägl. außer Mo. 10-17 Uhr, am Di. bis 20 Uhr.

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