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Der Bischof, der Kolumnen schrieb.

Helmut Krätzl * 1931

Bischof

Da kommt mein Chef." Mehrmals hat mich Weihbischof Helmut Krätzl humorvoll so begrüßt und anderen vorgestellt, als er unter dem Titel "Zeitgespräch" Kolumnist der Furche war und ich die Ehre hatte, seine Texte zu redigieren. Es war Hannes Schopf, von 1984 bis 1994 mein Vorgänger als Chefredakteur der Furche, der Krätzl 1988 als Kolumnisten zu gewinnen vermochte. In einem Gespräch in Krätzls Büro am Wiener Stephansplatz konnten Schopf und ich den Weihbischof davon überzeugen, dass er seine Stimme in unserer Zeitung zu aktuellen Themen erheben sollte. Das erforderte einigen Mut, denn Krätzl vertrat damit auch öffentlich Positionen, die nicht auf der Linie des damaligen Erzbischofs Hans Hermann Groër und seines mächtigen Auxiliarbischofs Kurt Krenn lagen. Als damals ein Exponent des stramm konservativen Lagers, Robert Prantner, Kritik an "kolumnenschreibenden Weihbischöfen" äußerte, war jedem klar, dass er - obwohl auch Kurt Krenn in diese Kategorie fiel - in erster Linie Helmut Krätzl meinte. Vor allem Krätzls theologisch fundierte, immer auf der weltoffenen Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils liegende Texte erregten besondere Aufmerksamkeit.

Weltoffene Linie

Meine erste Begegnung mit Helmut Krätzl erfolgte nicht persönlich, sondern über einen Text in der Furche. Ich weiß noch, wie ich als junger Redaktionsaspirant Ende der 70er Jahre in der Druckerei Herold in der Wiener Strozzigasse stand und einen Osterartikel von Krätzl Korrektur las. Die Furche-Titelseite mit diesem Beitrag wurde damals auch aktuell in einem orf-Beitrag gezeigt.

Von Angesicht zu Angesicht erlebte ich Krätzl etwas später im Wiener Bildungshaus Lainz. Es trägt heute den Namen von Kardinal Franz König, jenem Mann, der Krätzls kirchliche Karriere förderte und für dessen Anliegen und Erbe Krätzl unermüdlich und vehement eingetreten ist. An Königs Seite, als dessen Sekretär und Zeremoniär, besuchte Krätzl Papst Johannes xxiii., als sein Mitarbeiter erlebte er das Zweite Vatikanische Konzil, ihm stand er als Ordinariatskanzler und Generalvikar zur Seite. Zweifellos liegt Krätzls Bedeutung für die katholische Kirche Österreichs vor allem darin, dass er als Zeitzeuge - wie der heutige Papst Benedikt xvi. oder Hans Küng - den "Geist des Konzils" und das Werden der Konzilsbeschlüsse miterlebt hat. Er kann glaubwürdig einmahnen, dass etwa die Mitwirkung der Laien, die Kollegialität der Bischöfe oder der Dialog der Kirche mit der Welt von heute im Sinne des Konzils eine andere und höhere Qualität haben sollte. Den Leitgedanken des Konzils hat Krätzl eines seiner wichtigsten Bücher - "Im Sprung gehemmt" - gewidmet.

Der doppelte Doktor - der Theologie und des Kirchenrechts - sammelte als Pfarrer von Laa an der Thaya auch wertvolle Erfahrungen in der Seelsorgepraxis. Nach der Bischofsweihe 1977 galt Krätzl als aussichtsreichster Kandidat für den Wiener Erzbischofsstuhl. Aber König war zu nobel, sich direkt in seine Nachfolge einzumischen und Krätzl nach einem Artikel, in dem er mehr Verständnis für wiederverheiratete Geschiedene gefordert hatte, in Rom in Ungnade gefallen. Als 1985 Königs Rücktritt vom Papst angenommen wurde, wählte das Domkapitel Krätzl zum Diözesanadministrator, aber Rom ernannte 1986 Groër zum Erzbischof.

Bischof als Journalist

Krätzl zeichnete sich auch als Österreichs "Schulbischof" und "Bibelbischof" aus. Dass er nicht nur ein gelehrsamer Mann, sondern auch sehr naturverbunden ist, konnte ich bei einem Treffen an seinem oftmaligen Urlaubsort, Kartitsch in Osttirol, feststellen. Vermutlich ließen ihn seine Freude am Leben, seine Neugier, wie es weitergeht, einige schwere gesundheitliche Krisen bewältigen.

Für die Furche war es ein Glücksfall, dass Krätzl, aus dem auch ein glänzender Journalist hätte werden können, Zeit für publizistische Tätigkeit hatte. Seine Verbundenheit mit der Furche und ihrer redaktionellen Linie bewies er auch dadurch, dass er sich häufiger als jeder andere Bischof zum alljährlichen Furche-Heurigen einfand.

Nach fast acht Jahren als Kolumnist - inzwischen war auch ein Buch mit ausgewählten Furche-Kolumnen erschienen, die er mit Kommentaren über das jeweilige Echo darauf ergänzte - zog sich Helmut Krätzl von dieser Aufgabe freiwillig zurück, blieb aber jener Zeitung, die er seit Friedrich Funders Tagen geschätzt hatte, als Autor erhalten. Er wird in deren Leserschaft sicher noch lange ein interessiertes Publikum vorfinden.

Der Autor ist Redakteur der "Wiener Zeitung" und war 1996 - 2001 Chefredakteur der Furche.

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