Auf höchstem Niveau

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"Salome" in Graz: Musik grandios, die Regie überzeugte nicht.

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"Salome" in Graz: Musik grandios, die Regie überzeugte nicht.

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Die Vorgeschichte ist sattsam bekannt - nach dem Eklat der Uraufführung 1905 in Dresden verbot die österreichische Zensur aus moralischen Gründen die Aufführung der "Salome" von Richard Strauss an der Wiener Hofoper. Graz sprang in die Bresche, und die umjubelte Premiere an der hiesigen Oper von 1906 fand aufgrund des enormen Erfolgs sogar Eingang in Thomas Manns epochalen Roman "Doktor Faustus".

Fast ein ganzes Jahrhundert später vermochte die Grazer Oper in beeindruckender Weise an diese ehrwürdige Vorgabe anzuschließen, und das Hauptverdienst daran trägt zweifellos das hauseigene Orchester unter Wolfgang Bozic'. Schillernd-luxurierende Klangschönheit, professionelle Meisterung der polyrhythmischen Ekstasen und glühende Spannungsbögen ließen die Meisterpartitur von Richard Strauss in leuchtenden Farben glänzen. Heftigst akklamiert wurde das Rollendebüt der Französin Sylvie Valayre - nach anfänglichen Schwierigkeiten steigerte sich ihr farbenreicher Sopran in der Schlußszene zu durchschlagender vokaler wie darstellerischer Kraft. Herausragend auch die Leistung von Michael Pabst als selbstquälerischer Herodes und durchaus gediegen die Gestaltung des Jochanaan (M. Cavalcanti) und der Herodias (L. Poulson). Ein Opernkrimi auf höchstem musikalischem Niveau!

Viel Ruhm war dem 1961 in Kärnten geborenen und international bereits gefeierten Martin Kusej vorausgeeilt - nach seiner "Salome"-Arbeit weiß man jedoch nicht recht, warum. Daß keine antike sinnlich lockende Orientkulisse, wie Richard Strauss sie stets explizit gefordert hatte, zu erwarten war, mußte zwar jedem klar sein, und doch vermochte die Reduktion der Oper auf ein reines Familien-Eifersuchtsdrama nicht zu überzeugen. In einem kargen Palast-Bunker reiht Kusejs Regie Peinliches (Jochanaan tritt auf wie ein vom Rinderwahn gepeinigter Indianer-Häuptling), Innovatives (Jochanaan darf erstmals persönlich Narraboth erdolchen), Unverständliches (Salomes "Schleiertanz" als Denunzierung wohl bürgerlicher Sexualpathologie in Form von erotischen Annäherungen an Kinderpuppen), aber auch Szenen großer, geglückter Theaterarbeit aneinander - die Hinrichtung des Täufers, die tragische Selbstkarikatur des Herodes oder der Schlußmonolog der Salome waren gewiß in derjenigen erschütternden Drastik mitzuvollziehen, die Text und Musik wohl ursprünglich gemeint hatten.

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