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Die Ars Electronica. Eine Bilanz von

Lauter Bastarde und Boulevardmischlinge. Lauter Neubauten aus den Versatzstücken der zusammengebrochenen Weltanschauungen und der dafür konstruierten Maschinen von gestern. Unter dieser Maxime versammelt die diesjährige Ars Electronica Arbeiten aus der Welt der digitalen Kunst. Zu Recht, denn "letztendlich ist die digitale Medienkunst selbst ein Hybrid aus den Verbindungen von Kunst und Technologie", formuliert der künstlerische Leiter der Ars Electronica, Gerfried Stocker. "Sie akkumuliert das gesamte Spektrum an Ausdrucksformen und erfordert ein außergewöhnliches Crossover von Wissen und Kompetenz."

Kunst und Technologie

Bei den begleitenden Konferenzen durften allerdings auch Menschen zu Wort kommen, ohne dass dadurch die große Überschrift in Gefahr gerät, wie der Planer der Gespräche, Derrick de Kerckhove, versichert. "Das erste Hybridwesen ist der Mensch. Und er lebt in einem Paradoxon. Als Mischung von Geist und Materie lebt der Mensch in einem permanenten Zustand der Hybridisierung." Damit war das längst fällige Thema treffend gesetzt.

Daher findet sich auch eine Menge hybrider Maschinenkreaturen in den auf mehreren Standorten angesiedelten Ausstellungsräumen. Ein seltsames Kribbeln entsteht, wenn Dinge nicht mehr sind, was sie sind, sondern in den Bastlerwerkstätten und auf den Softwaretastaturen zwar wieder zu Dingen geworden sind, für die wir aber noch keine Schublade zum Einordnen haben. Dann heißt es mitspielen bei einem digitalen Tennisspiel oder beim digitalen Seilspringen. Und man merkt plötzlich, welch körperliche Anstrengung dies mit sich bringt, schließlich sind nur Tennisschläger und Seil digital, bewegen muss man sich allemal noch selbst. Etwas weniger anstrengend, wenn man sich über Sensorenkacheln bewegt und dadurch die grafischen Muster des Bodens und die eingespielten Töne steuert. Heftiger, wenn man auf einem Laufband durch eine gespenstische nächtliche Stadt hetzt, auf leeren Strassen und durch düstere Alleen. Da möchte man sich dann zum Ausruhen gerne in den Roboter in Form einer Bettdecke kuscheln, der einen auch bereitwillig einwickelt.

Andere Installationen sind kaum schweißtreibend, dort reichen schon einfache Gehbewegungen aus, um eine gefesselte Frau von ihren Banden zu befreien oder eine frech aus dem Monitor schimpfende animierte Figur von ihrem Stammplatz, dem Bildschirm, zu vertreiben. Wieder andere Arbeiten funktionieren auch ohne direktes Zutun der Betrachter. Marionetten diskutieren miteinander über Sprachtheorie und geraten sich dabei in die Kunstfaserwolle; oder ein kleiner Roboter malt grüne Striche an die Wand, gesteuert durch den CO2-Gehalt der Luft, sodass mit der Zeit eine künstliche Wiese entsteht; oder durch ein aufwändiges Verfahren mit GPS-Satellitennavigation wurde eine Karte des Weges der Milch vom litauischen Bauern zum holländischen Verbraucher gezeichnet, die viel über die Lebensumstände der Menschen entlang dieser Route erzählt; oder hochkomplexe "Strandbiester" von Theo Jansen (Bild) aus Plastikröhrchen, die nur computerunterstützt gebaut werden konnten, sich nun aber windbetrieben fortbewegen.

Kreativität und Computer

Und mitten drin ein mahnender Ruf: Hurra! Die endlose, vielschichtige, superschnelle, ungeheuer komplexe Langeweile ist da! Eine durchaus ernstzunehmende Befürchtung, nicht nur bei der Durchdringung des Alltags durch so genannte Unterhaltung, auch die Medienkunst ist davor nicht gefeit. Besonders dann, wenn die künstlerischen Ambitionen mit den verwendeten Spitzenleistungen der Technologie nicht mithalten können. Zum Glück schaffen es die meisten vorgestellten Arbeiten, dieser Falle zu entgehen. Bleibt noch die Frage: Wie kann man in einer Welt manchmal abschalten, die permanent aufgedreht ist?

Hybrid, living in paradox

Ars Electronica 2005

www.aec.at/hybrid

Kataloge: Gerfried Stocker, Christine Schöpf (Hg.), Hybrid. living in paradox, Ostfildern-Ruit 2005, e 28,-; dies., Cyber Arts 2005. International Compendium Prix Ars Electronica, Ostfildern-Ruit 2005, e 49,90 (inkl. DVD und CD).

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