Aufs Engste miteinander verknüpft

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Ein anspruchsvolles Projekt des Wiener Kunsthistorischen Museums (KHM) verbindet bildende Kunst und Literatur: #Ganymed Boarding#. In einer Kooperation mit der Theatergruppe #wenn es soweit ist# kommen 16 Texte zu Meisterwerken des KHM zur Aufführung.

Seit jeher hat die Literatur den Austausch mit der bildenden Kunst gesucht. Keine Künstlerromane, keine Bildbeschreibungen, keine ästhetischen Reflexionen ohne die Inspirationsquelle Bildkunst und deren optische Reize. Umgekehrt hat die bildende Kunst Literatur stets als Dialogpartner gebraucht, von dem sie kritisiert, gespiegelt, erhöht oder stofflich inspiriert wurde. Während es in der Geschichte der Künste auch Zeiten der Abgrenzung gab, blüht derzeit der Austausch zwischen Literatur und bildender Kunst wieder besonders. So erschienen im deutschsprachigen Raum im Vorjahr mehrere Publikationen, in denen Schriftsteller Meisterwerke der Kunstgeschichte mit ihren subjektiven Ansichten zu neuem Leben erweckten # etwa #Ut pictura poesis#, herausgegeben von der Hamburger Kunsthalle und dem Literaturhaus in Hamburg.

Die Bilder bleiben rätselhaft

Wie inspirierend Kunstwerke für Schriftsteller sind # und wie gegenwärtig literarische Bild-Betrachtungen jahrhundertealte Werke erscheinen lassen können, beweist derzeit auch ein Projekt in Wien mit dem Titel #Ganymed Boarding#. In einer Kooperation des Kunsthistorischen Museums und der Theatergruppe #wenn es soweit ist# kommen 16 Texte zu Meisterwerken des KHM von renommierten Autorinnen und Autoren wie Elfriede Jelinek, Paulus Hochgatterer und Thomas Glavinic zur Aufführung. 16 Stars der österreichischen Schauspielszene wie Anne Bennent, Therese Affolter, Joachim Bißmeier und Erni Mangold rezitieren die Texte und kommunizieren in vielschichtigen Performances direkt mit den Gemälden. Zugleich hat der Brandstätter Verlag die literarischen Bildbetrachtungen in einem ästhetisch ansprechenden Band herausgebracht.

Der dreieinhalbstündige Abend im KHM, bei dem die Besucher den Rundgang frei wählen können, ist in mehrfacher Hinsicht ein Erlebnis. Da die Texte direkt vor den jeweiligen Bildern vorgetragen werden, lässt sich eine besondere Beziehung zu den Gemälden aufbauen. Zugleich wird spürbar, wie rätselhaft Bilder trotz aller Deutungsversuche letztendlich sind. So wird man das 1527 von Lukas Furtenagel gemalte Bild #Der Maler Hans Burgkmair und seine Frau# nach diesem Abend mit Sicherheit nicht mehr vergessen. Packend trägt Joachim Bißmeier vor dem bis kurz vor Schluss der Vorführung verhängten kleinen Gemälde die subtilen literarischen Bild-Assoziationen Walter Kappachers vor: #Ein rätselhaftes Bild, ich werde damit nicht fertig. Bei jedem Besuch des Kunsthistorischen Museums betrachte ich es, lasse ich es auf mich wirken; je älter ich werde, desto mehr erschrecke ich darüber, dass dieses Bild auch mit mir selbst zu tun hat.# Spannend ist auch zu erleben, auf welch unterschiedliche Art und Weise sich Schriftsteller Bildern sprachlich nähern können. So erklärt Karl-Markus Gauß einen der beiden dargestellten Männer in Tintorettos #Susanna im Bade# zum Ich-Erzähler, der über seine undankbare Rolle in dem Bild lamentiert: #Wenn Sie mich fragen, den blödesten Job auf diesem Bild habe eindeutig ich. Fast 500 Jahre lang im Staub kriechen und den roten Mantel hinter sich herschleifen # was für eine unwürdige Aufgabe.# Philosophisch-assoziativ, die Rolle der Frau fokussierend, nähert sich Elfriede Jelinek der Malerei an. Ihr gelingt es, die dargestellten Frauen durch einen melodiösen Sprachfluss nahezu körperlich gegenwärtig zu machen: #Weibliche Wesen sind ans Licht gehoben, sie dämmern oder strahlen dahin, sind ganz aus Farbe gemacht!, eingenäht in ihre Reifröcke, in die sie gestellt oder eingehängt sind (oder sind die Gestelle gar leer?).#

Berührendes Zwiegespräch mit einer Puppe

Ihr Text #Prinzessinnen! Brennendes Unterholz!# zu den Infantinnen von Velázquez und Jürgen Messensee in der eindrucksvollen Interpretation von Anne Bennent geht besonders unter die Haut # genauso wie Paulus Hochgatteres #Ganymed Boarding# zu Correggios #Entführung des Ganymed#. Ein Text, der das mythologische Entführungsmotiv in eine gegenwärtige Kindesmissbrauchsthematik transformiert, berührend im Zwiegespräch mit einer Puppe aufgeführt von Nikolaus Habjan. Ein außergewöhnliches Projekt, das zeigt, dass Geschichte und Gegenwart genauso wie Kunst und Literatur aufs Engste miteinander verknüpft sind.

Ganymed Boarding

Aufführungen im KHM: 29. 9., 13. 10., 27. 10., 3. 11., 10. 11., 19#22.30 Uhr

Karten: (01) 525 24-3401, 3402; www.khm.at

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