AUFS LAND UND IN DIE LÜFTE DER ERZÄHLUNG

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Zwei Kinder, deren Eltern irgendwo unterwegs sind, ein Großvater, der am liebsten von seiner Begegnung mit einer Japanerin erzählt, eine Großmutter, die immer Blusen und Röcke trägt, die nicht zusammenpassen, und Eltern, die Karten an die Kinder schicken, "die Vorderseite beklebt oder bemalt, die Rückseite beschrieben mit unregelmäßigen Zeichen, die wir manchmal als unsere Buchstaben erkennen und manchmal für fremdländische Erfindungen der Eltern halten. Was nicht entzifferbar ist, schmücken die Großeltern beim Vorlesen mit reichen Worten aus." Das ist der Stoff, aus dem Literatur gemacht ist.

Für die Arbeit an ihrem eigenwilligen, poetischen und fantasieanregenden Roman "Für den Herrscher aus Übersee" (Wallstein 2012) erhielt Teresa Präauer bereits das Adalbert-Stifter-Stipendium des Landes Oberösterreich, nun - nach Fertigstellung - kam noch der aspekte-Literaturpreis für literarische Debüts dazu. Die österreichische Literatur, auch die von jungen Autorinnen und Autoren, ist überhaupt sehr präsent. Thematisch suchen die Schriftsteller neuerdings auffällig oft das Landleben auf, stellt Rainer Moritz in seinem Essay in diesem BOOKLET fest, das sich anlässlich der internationalen Buchmesse in Wien (22.-25. November 2012) neuen Werken von österreichischen Autorinnen und Autoren bzw. aus heimischen Verlagen widmet.

Zusammenreimen, was das alles miteinander zu tun hat

Wem der literarische Rückzug aufs Land zu eng ist, der kann mit Teresa Präauer in die Lüfte der Phantasie abheben -oder mit Christoph Ransmayr in die weite Welt reisen. Aus dieser hat der Autor siebzig "Episoden" mitgebracht. Einen dieser Orte, schreibt er im Vorwort zum "Atlas eines ängstlichen Mannes" (S. Fischer 2012), habe er nie bereist, er sei ihm trotzdem vertraut. Denn wir kennen vieles, weiß Ransmayr, "was wir von unserer Welt zu wissen glauben, nur aus Erzählungen", und er stellt fest, "daß (fast) jede Episode dieses Buches auch von einem anderen Menschen, der sich ins Freie, in die Weite oder auch nur in die engste Nachbarschaft und dort in die Nähe des Fremden gewagt hat, erzählt worden sein könnte".

Die Möglichkeiten des Erzählens und die uralte Sehnsucht des Menschen, fliegen zu können, und damit auch: abzuheben und Überblick zu bekommen - vielleicht haben sie mehr miteinander zu tun, als es auf den ersten Blick scheint. Präauers Roman verknüpft beide Motive, und auf den Karten, die die Eltern ihren Kindern schicken, können manchmal auch die Kinder "fliegen, und manchmal liegen ein paar Frauen splitternackt im Gras, und wir müssen uns selbst zusammenreimen, was das alles miteinander zu tun hat". Was für eine einladende Formulierung für jenen Vorgang, den man Lesen nennt!

Das nächste BOOKLET erscheint am 6. Dezember 2012 als Beilage in der FURCHE Nr. 49/12.

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