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Martin Luther war der Tonfall wichtiger als der Wortlaut. Wenn er als Übersetzer der Bibel auf einen schwierigen Sachverhalt traf, dann half ihm ein geläufiges Sprachbild oder eine populäre Redewendung oft aus dem hermeneutischen Notstand.

Auch der Politiker ist gleichsam ein Interpret. Zu seinen vornehmsten Aufgaben könnte es zählen, komplexe Verfahren und voraussetzungsreiche Tatsachen verständlich zu vermitteln: ohne Einbuße an Information und abseits des funktionalen Jargons, der für empfindliche Leser bereits in die Kategorie "rezeptpflichtig" fällt.

Nun lässt sich das Vokabular der Technokraten nicht immer vermeiden. Eurofighter steht als Kürzel für ein viel diskutiertes Fluggerät, das man nicht bei jeder Erwähnung umständlich beschreiben kann. Dasselbe gilt für den Wortschatz zwischen Maastricht-Vereinbarungen und Schengen-Abkommen, den uns die EU-Mitgliedschaft als verbales Rüstzeug beschert hat.

Aber die Leitfossilien der öffentlichen Sprache beschränken sich nicht auf das bloße Bezeichnen und Benennen. Der Politiker weist sich bei diversen Wortspenden auch in Sprachbildern und Konversationsfloskeln als Vertreter seiner Zunft aus.

Wer sich mit einem Partner weder überheblich noch subaltern austauscht, tut dies neuerdings "auf Augenhöhe". Noch mehr Familiarität und Nähe verheißt ein Politiker, wenn er/sie mit Nachdruck versichert: "Ich bin ganz bei Ihnen!" Bleibt nur zu hoffen, dass er im Moment dieses großen Wortes auch ganz bei sich ist.

Fast keine politische Äußerung aber kommt ohne das Signal "am Ende des Tages" aus. Wenn die folgende Botschaft vollmundig nach leerem Versprechen klingt, bietet sich der Appell "Herr, lass es Abend werden" an. Womit wir wieder bei Martin Luther wären.

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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