Aufstieg und Fall des Leutnant Kasda

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Arthur Schnitzlers Novelle „Spiel im Morgengrauen“ ist die letzte Premiere im heurigen Festspielprogramm in Reichenau und zugleich das erfolgreiche und überzeugende Regiedebüt von Nicholas Ofczarek, der auch in der Rolle des erkrankten Leutnants Greising brilliert.

„Spiel im Morgengrauen“, Arthur Schnitzlers Novelle um den schnellen Abstieg eines jungen Soldaten, ist die letzte Premiere im heurigen Festspielprogramm in Reichenau. Zugleich ist es das gelungene Regiedebüt des Burgschauspielers Nicholas Ofczarek, der den niederösterreichischen Theatersommer mit dieser unprätentiösen Inszenierung bereichert.

Schnitzlers Erzählung wurde 1927 veröffentlicht und gilt als Nachfahre eines seiner berühmtesten Werke, des „Leutnant Gustl“. In beiden Erzählungen werden die Spielregeln des Militärs und dessen strenger Ehrenkodex zu unüberwindlichen Lebenshürden für seine Protagonisten – für Wilhelm Kasda, die Hauptfigur von „Spiel im Morgengrauen“, sogar mit tödlichem Ausgang.

Pech im Spiel

Leutnant Kasda (gespielt von Marcello de Narda) will seinen ehemaligen Kameraden Otto Bogner (Sascha Oskar Weis) aus einer misslichen Lage retten. 960 Gulden hat dieser in seiner Firma veruntreut, nun steht eine interne Revision an, die den Betrug ans Licht führen würde. Um diese Schuld zu tilgen, beteiligt sich Wilhelm, zu Anfang höchst erfolgreich, am Kartenspiel einer illustren Herrenrunde, bestehend aus dem unbeherrschten und an Syphilis erkrankten Leutnant Greising (famos gespielt von Nicholas Ofczarek), dem undurchsichtigen Konsul Schnabel (Michael P. König), dem Regimentsarzt Tugut (Paul Wolff-Plattegg), dem Theatersekretär Weiss und dem Schauspieler Elrief (Michael Gampe und David Oberkogler).

Zu Beginn kann Wilhelm seinen Einsatz vervielfachen, doch das Blatt wendet sich und im Laufe des Abends kommen zu den 960 Gulden Betrugsschulden noch weitere 11.000 Gulden Spielschulden hinzu.

Die unerbittlichen Regeln von Zeit und Geld machen diese Erzählung zu einer präzisen Studie um die Befindlichkeiten und Werte einer (Nachkriegs-)Gesellschaft, die bereits alles verspielt hat und mit vollem Risiko in ihr nächstes Verderben läuft.

24 Stunden hat Leutnant Kasda, um die Summe aufzutreiben und seine Ehrenschuld zu begleichen. Damit beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, im Stück immer wieder in Erinnerung gebracht durch das laute Ticken einer Uhr.

Im zweiten Teil der Aufführung versucht Wilhelm, bei seinem Onkel Robert Wilram (etwas zu naiv dargestellt von Gerd Böckmann) das Geld zu beschaffen. Doch dieser hat das gesamte Vermögen seiner neuen Frau, dem einstigen Blumenmädchen Leopoldine Lebus überantwortet. Mit dieser hatte Wilhelm Jahre zuvor eine kurze Affäre, für die er sie mit 10 Gulden abgefertigt hatte. Leopoldine, zur harten, tüchtigen Geschäftsfrau gereift (überzeugend verkörpert von Tamara Metelka) lässt ihn im Unklaren, ob sie bereit ist, ihm zu helfen.

Schlussendlich kann Kasda zwar seinen Freund Bogner retten, für ihn selbst bleibt nur der sinnlose, aber dem Ehrenkodex des Militärs entsprechende Freitod.

Auswegloser Strudel

Auf der von Peter Loidolt konzipierten und nüchtern ausgestatteten Bühne werden die einzelnen Szenen des ersten Teils im rasanten Tempo durchgespielt. Damit wird dem ausweglosen Strudel, in den Wilhelm Kasda durch sein riskantes Spiel immer schneller hineintreibt, auch dramaturgisch Rechnung getragen. Leider wird dieser konzise Inszenierungsstil im zweiten Teil nicht beibehalten und zerfällt vielmehr in melodramatische Ausdehnungen der einzelnen Szenen.

Doch insgesamt kann Nicholas Ofczarek mit seiner ersten Regiearbeit durchaus überzeugen. Wesentlichen Anteil hat daran nicht zuletzt der Krimiautor Stefan Slupetzky, der die Erzählung für Reichenau neu adaptiert und zu einem stringenten Drama zusammengefasst hat.

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