Die Bioethikkommission hat gesprochen - wie üblich mit doppelter Zunge: Zwölf der 19 Mitglieder des bioethischen Beratungsgremiums des Bundeskanzlers votierten für eine beschränkte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID): Nicht nur nicht-überlebensfähige Embryonen sollten im Rahmen einer künstlichen Befruchtung ausgesondert werden dürfen - wie dies das derzeit gültige Fortpflanzungsmedizingesetz ohnehin erlaubt. Auch Paare mit hohem Gen-Risiko sollten sich ihren (gesunden) Nachwuchs aussuchen dürfen - freilich nur im Einzelfall und auf Grundlage eines Indikationsmodells. Den anderen sieben Experten - darunter keine einzige Frau! - geht diese Forderung zu weit: Sie pochen auf Beibehaltung des restriktiven Status Quo.
Ob diese zwiespältige Stellungnahme der heimischen Biopolitik die Entscheidung erleichtern wird, darf bezweifelt werden. Sich einfach an der Mehrheitsmeinung auszurichten, war bisher ja nicht ihr Stil.
Eine Klärung schafft das 70-Seiten-Papier aber doch: Von der gefürchteten Welt der Designerbabys ist man in Österreich gottlob weit entfernt. Anders in Großbritannien: Erst vergangene Woche wurden dort Überlegungen publik, die Regeln zur PID zu lockern: Anlass ist das Schicksal eines zweijährigen Buben, der an einer tödlichen Blutkrankheit leidet und durch die Zeugung eines Geschwisters mit passenden Stammzellen geheilt werden soll. Noch weiter ging Anfang Juli eine EU-Expertengruppe, die sogar daran dachte, flächendeckend Gentests an Neugeborenen einzuführen.
Solch fatale Hirngespinste, mit Hilfe der Gentechnik Krankheit und Leid aus dem menschlichen Leben verbannen zu können, müssen erschüttern. Umso erfreulicher ist die Differenziertheit der Bioethikkommission - wenn sie auch selbst unter dem Geburtsfehler zweier Zungen leidet.
doris.helmberger@furche.at
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