Aus dem Leben in einer Bilderbuch-Kommune

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Zum Saisonauftakt zeigt das Akademietheater Thomas Vinterbergs "Die Kommune“ in der Regie des Autors. Eine etwas dürftige Geschichte, aber allemal gefällig und unterhaltsam.

Anna will es, Erek will es, Ditte und Steffen auch und Ole sowieso. Sie alle wollen bürgerlichen Lebensentwürfen entfliehen und eine alternative Form des Zusammenlebens erproben. Gemeinsamer Wohnraum, gemeinsame Liebe und gemeinsame Rechnungen, alle Entscheidungen gemeinschaftlich ausdiskutiert und beschlossen. So sieht sie aus, die Bilderbuchkommune des Autors, Film- und Theaterregisseurs Thomas Vinterberg.

Freier Alkoholkonsum statt freier Liebe

Die dritte Spielzeit von Matthias Hartmann eröffnet das Akademietheater mit der Uraufführung von Vinterbergs Stück "Die Kommune“, das der umtriebige dänische Regisseur gemeinsam mit Mogens Rukov geschrieben und selbst inszeniert hat. Vinterberg hat mit seinen Eltern viele Jahre in einer Kommune verbracht, das Stück basiert also auf seinen eigenen Lebenserfahrungen und Kindheitserinnerungen. Dabei war dieses Kommunenleben entgegen den klischeehaften Vorstellungen von Hippie-Kultur und Flower Power weniger von freier Liebe als freiem Alkoholkonsum und einer gepflegten Streitkultur geprägt. In seinem Stück stellt er uns eine solche alternative Wohngemeinschaft der 1970er-Jahre vor, in der sich hinter der friedlich-fröhlichen Fassade allerdings bald einige zwischenmenschliche Kampfzonen auftun.

Erek (Joachim Meyerhoff) hat das Haus seines Vaters geerbt und zieht dort gemeinsam mit seiner Frau Anna und Tochter Freja (wunderbar gespielt von Regina Fritsch und Elisa Plüss) ein. Dem beklemmenden und starren Familienleben seiner Kindheit möchte er eine antibürgerliche Idee von Familienglück entgegensetzen. Ohne kapitalistische Besitzansprüche und gesellschaftliche Zwänge wird das Haus deshalb mit einer bunten Schar an Lebenskünstlern geteilt. Ole (grandios Tilo Nest), Ereks langjähriger Freund, zieht ebenso ein wie das junge Paar Ditte und Steffen (glaubwürdig dargestellt von Alexandra Henkel und Dietmar König), sie eine angehende Ärztin, er Sohn eines reichen Fischhändlers, sowie Mona und Virgil (Dorothee Hartinger, Fabian Krüger), zwei Aussteiger, deren Zukunftsvorstellungen noch vage aber sehr vielversprechend scheinen. Die ersten Jahre lebt man pure Harmonie. Der Frieden wird erst gestört, als Erek sich Hals über Kopf in seine junge Studentin Emma (Adina Vetter) verliebt. Damit gerät der beschauliche Alltag gefährlich ins Wanken, denn Frau und Kind können weder der neuen Bettgefährtin noch der neuen Familienkonstellation etwas abgewinnen. Es muss also abgestimmt werden: wer darf bleiben und wer muss gehen? Leider stößt der Mehrheitsbeschluss beim Hausbesitzer auf wenig Gegenliebe, und plötzlich treten die bisher gut kaschierten Machtverhältnisse hinter der scheinbar so liberalen Lebensweise der Gruppe offen zu Tage. Denn schlussendlich bleibt der Hausherr Sieger, ohne Haus gibt es schließlich auch keine Hausgemeinschaft, und so fügt sich jeder dem Willen des Patriarchen, der bedenkenlos bereit ist, Frau und Kind gegen das neue Liebesglück auszutauschen.

Einblicke ins Beziehungsleben

Wie schon bei "Das Begräbnis“ und "Das Fest“ ist die Kulisse, vor dem die unausweichliche zwischenmenschliche Eskalation ihren Ausgang nimmt, ein gediegenes Herrenhaus, in dem Vinterberg die Geschichte vom Scheitern gleichberechtigter Lebensweisen in kurzen Episoden, die, jeweils unterteilt durch Musikhits der 70er- und 80er-Jahre, eine Zeitspanne von mehreren Jahren umfassen, erzählt. Diese episodenhafte Erzählweise ermöglicht es den Schauspielern, die hier eine beeindruckende Ensembleleistung hinlegen, ihre komödiantischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, so zum Beispiel ein nackter Tilo Nest, der mit viel Verve am Klavier "I want to know what love is“ von den Foreigners intoniert.

Vinterberg versteht es, Dialoge und Szenen authentisch und kurzweilig zu inszenieren, insgesamt ist der Handlungsverlauf aber zu dürftig, um der Geschichte Tiefgang geben zu können. Amüsante Einblicke in die Grenzen des zwischenmenschlichen Beziehungslebens, die in der einen oder anderen Form jeder auch ohne Kommunenerfahrung schon erlebt hat, liefert dieser gefällige aber durchwegs unterhaltsame Theaterabend jedoch allemal.

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