Aus der Reserve geholt

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Es hätte auch ganz anders kommen können. Statt einer raschen Neuorientierung wäre ein als Personaldebatte getarnter zermürbender Richtungsstreit durchaus möglich, ja zu gewissen Zeiten sogar eher wahrscheinlich gewesen.

Die Rede ist von der SPÖ, der im Interregnum nach Klima ein Flügelkampf zwischen Schlögl- und Einem-Anhängern drohte. Doch wenns drauf ankommt, zeigen die Genossen Einigkeit, und zu Viktor Klima ist bei dessem Abgang jene politische Fortüne zurückgekehrt, die ihn zu Beginn seiner Amtszeit begleitete (CA-Kauf, Umbau der Regierungsmannschaft, Traumwerte in den Umfragen), ihn in der Zwischenzeit aber mehr als einmal verlassen hat.

Die Personalreserve, die soweit hinten in der Reserve steckte, daß bis vor wenigen Wochen niemand im Nachfolgerroulette auf diesen Namen gesetzt hätte, war wohl ursprünglich als Notlösung und Kompromißkandidat gedacht. Doch Alfred Gusenbauer, mit 40 Jahren der jüngste SPÖ-Parteivorsitzende der Zweiten Rebublik (Victor Adler und Otto Bauer traten ihr Amt noch jünger an), hat sich bei seinen ersten Auftritten respektabel geschlagen. Gusenbauer ist zuzutrauen, daß er seine Partei erfolgreich in die ungewohnte Opposition führt. Er selbst präsentiert sich kompetent, kampfeslustig und vor allem authentisch, was nach seinem spin-gedoctorten Vorgänger eine wahre Wohltat ist.

Der Vorwurf, daß Gusenbauer sein Leben lang Parteifunktionär gewesen ist, ein "Apparatschik", wie die FPÖ höhnt, zieht nicht. Auch der Bundeskanzler hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt, sein Heil nur in der Politik gesucht und offensichtlich gefunden. Außerdem haben Quereinsteiger ebenfalls schon genug Mist gebaut, so daß ein pauschales Lob für diese Politikergattung keinesfalls mehr gerechtfertigt ist.

Gusenbauer vereint weitere Vorzüge: Den Karikaturisten wird sein Äußeres viel Inspiration liefern. Den Journalisten bietet seine Biographie (Ministrant, in Moskau den Boden geküßt, ...) so manche Geschichte. Seiner Partei kündigt Gusenbauer eine Re-Ideologisierung an. Ob die SPÖ damit die Mitte aufgibt und nach links driftet, wie die ÖVP urteilt (oder hofft!), ist aber nicht sicher. So schnell läßt sich die alte Tant' Sozialdemokratie auch von einem Gusenbauer nicht aus der Reserve holen.

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