Aus einer stillen Kammer

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Hausinterne Lösung: Sabine Haag, die bisherige Leiterin der Kunstkammer, wird Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums.

Versierte Museumsexperten überlegen, ob sie jemand kennen, der sie kennt: Sabine Haag, die designierte Direktorin, ist außerhalb des Kunsthistorischen Museums noch kaum jemandem aufgefallen. Sie hat sich auch nicht um den Posten der Direktorin beworben, sondern ist von Kulturministerin Claudia Schmied - ohne Jury - ausgesucht worden. Eine mutige Entscheidung, von der zur Zeit niemand weiß, ob sie mehr Chance oder Risiko in sich birgt. Gerade ein Jahr hat Sabine Haag, die seit 1990 im KHM ist, die Kunstkammer geleitet, und ab Jahresbeginn 2009 ist sie für ein Haus verantwortlich, das zu den ersten Museen Europas gehört.

Chance oder Risiko?

Da trifft es sich zwar gut, dass im KHM gerade die Wiedereröffnung der Kunstkammer als dringlichstes Projekt ansteht, aber das Haus hat auch noch viele andere Probleme, vor allem die Wiedereröffnung des Museums für Völkerkunde. Ob das weiterhin zu dem von Wilfried Seipel geerbten Museumsgroßkomplex gehören soll, will Sabine Haag derzeit noch nicht sagen. In einigen Medien wurde bereits Small-Talk in Interviewform geführt - Substanzielles will sich die neue Chefin jedoch frühestens im Herbst entlocken lassen.

Komplimente

Wilfried Seipel, der abtretende Museumspatriarch, war bei Haags Bestellung auf Urlaub, ließ sich aber mit ausgefuchst zweischneidigen Komplimenten vernehmen: "Sabine Haag ist von mir eingestellt worden, sie ist eine ausgezeichnete Mitarbeiterin." Oder: Sie werde die Geschäfte weitgehend "so weiterführen, wie ich sie geführt habe". Und als letzter eleganter Dolchstoß: "Jeder wächst in seine Aufgabe."

Wenn eine Frau so begrüßt wird, muss man ihr geradezu die Daumen halten. Und auch deswegen, weil Frauen noch sehr rar sind in den Führungsetagen der großen Museen, zumindest in Österreich. Sabine Haag könnte da eines der so dringend benötigten Beispiele werden, dass Familie und eine Spitzenposition auch für Frauen vereinbar sind; sie ist Mutter von drei Kindern und war drei Jahre in Karenz, ohne deswegen beruflich auf ein Abstellgleis zu geraten.

Besucherzahlen

Eine Äußerung von Sabine Haag ließ inhaltlich bereits aufhorchen: Sabine Haag bat, die Relevanz von Museen nicht nur an Besucherzahlen zu messen, und will eher "zeitgemäße" als "zeitgeistige" Ausstellungsformen suchen - ein wichtiges Votum in der laufenden Debatte über die Bundesmuseen. Bedeutet das eine Abkehr von den großen Blockbuster-Ausstellungen? Jedenfalls darf man erwarten, dass bei Sabine Haag, die sich als Wissenschaftlerin auch international einen Namen gemacht hat, Forschung und Dokumentation in guten Händen sind.

Neue Aufgaben

Aufgaben warten auf die neue Generaldirektorin jedenfalls genug. Wilfried Seipel hat bei der Modernisierung des KHM zweifellos Großes geleistet, auch wenn er oft umstritten war. Doch für die geplanten Sonderausstellungsräume oder die Erneuerung der Ephesos-Sammlung konnte das Haus das Geld verständlicherweise nicht mehr erwirtschaften, und von der öffentlichen Hand kam es auch nicht.

Und 2010 gehen renommierte KHM-Direktoren in Pension: Karl Schütz, der Leiter der Gemäldegalerie, der prestigeträchtigsten Sammlung des KHM, und Kurt Gschwantler, unter dessen Leitung die Antikensammlung so vorbildlich neu gestaltet wurde. Aber zuerst muss die neue Generaldirektorin wohl einmal eine Nachfolgerin für sich selbst suchen.

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