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Mit Hannelore Valencak ist eine österreichische Autorin wieder zu entdecken.

Ursulas Leben verläuft ereignislos zwischen ihrer Übersetzungsarbeit im Büro und ihrer Freizeit im Zimmer bei Tante Priska, bei der sie nach der Scheidung und Auswanderung ihrer Mutter nach Kanada seit ihrem siebten Lebensjahr wohnt. Erst durch ihren Mann Joachim, den die junge Frau im April kennen lernt, wird ihr bewusst, "wie gehaltlos ein solches Leben ist" und sie bekommt "einen Blick für die Farben und Dimensionen der Welt".

Doch das Glück im gemeinsamen Reihenhaus währt nur kurz, denn am Tag ihres Urlaubsantritts im Juli erwacht sie stattdessen an einem Februarmorgen in der ewig kalten und muffigen Wohnung ihrer Tante.

Die österreichische Schriftstellerin Hannelore Valencak, geboren 1929, gestorben 2004, schickt ihre Heldin zurück in die Vergangenheit des tristen Winteralltags, allerdings "ausgestattet mit dem Wissen, wie ganz anders ihr Leben aussehen könnte. Das ergibt einen radikal neuen Blick auf ihre früheren Verhältnisse", wie Evelyne Polt-Heinzl in ihrem Nachwort zur Wiederauflage des Romans "Das Fenster zum Sommer" ausführt, der unter diesem Titel 1977 in der Reihe "Die phantastischen Romane" bei Zsolnay und erstmals bereits 1967 unter dem passenderen Titel "Zuflucht hinter der Zeit" erschienen ist.

Blick aus der Zukunft

Ausgestattet mit dem Blick aus der Zukunft, der sie von ihrer unwissenden Umwelt unterscheidet, erfüllt die Ich-Erzählerin nicht mehr so selbstverständlich ihre Rolle, begehrt auf, wenn ihr Vorgesetzter wieder Überstunden verlangt oder ihre Tante jeden Schritt ins Erwachsenenleben durch Krankheit und Schwächeanfälle zu vereiteln sucht. Ursula lebt wie in einem Kerker, eingesperrt in die Innenräume, aus denen immer nur auf die Welt geschaut wird wie auf fremde Planeten, und erinnert damit an die Protagonistinnen, die auch in Marlen Haushofers Büchern zumeist vergeblich auszubrechen und zu flüchten suchen: "Ich trat an das Fenster und schaute hinaus und fühlte in allen Dingen das bleierne Lasten der Zeit."

Selbstbestimmtes Leben

Ursula muss nach anfänglichen vergeblichen Versuchen, die Zeit zu beschleunigen, erkennen, dass sie den Weg zu Joachim möglichst unverändert noch einmal gehen muss, doch dabei verabschiedet sie sich schließlich von ihrem Traum-Mann, der Erlösung verspricht, auch wenn sie bis zuletzt auf die Wiederholung der zufälligen Begegnung in der Straßenbahn hofft. Erst das Zurückspulen der Zeit vor der Heirat ermöglicht der Heldin einen Ausblick auf eine unsichere und bisweilen bedrohliche Zukunft eines selbstbestimmten Lebens.

Hannelore Valencak entzaubert in einer schnörkellosen Sprache die Geschlechterverhältnisse, die vor allem für Frauen in den fünfziger und sechziger Jahren kaum Freiräume und Entfaltungsmöglichkeiten boten. In ihrem Roman "Das Fenster zum Sommer" demontiert sie schonungs-und mitleidslos die stereotypen Glücksversprechen für Frauen.

Zu wünschen ist, dass mit dieser verdienstvollen Wiederauflage auch die Wiederentdeckung einer österreichischen Schriftstellerin eingeleitet wird, die neben Marlen Haushofer, Vera Ferra-Mikura oder Jeannie Ebner, um nur einige zu nennen, zu den wichtigen weiblichen literarischen Stimmen der Nachkriegszeit zählt.

DAS FENSTER ZUM SOMMER

Roman von Hannelore Valencak

Residenz Verlag, St. Pölten 2006

256 Seiten, geb., e 19,90

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