Ausbruch aus der Provinz

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30 Jahre Brucknerhaus haben die Kulturszene in Linz verändert.

Am 23. März 2004 dirigierte Heinrich Schiff im Großen Saal das Jubiläumskonzert mit dem Bruckner Orchester Linz, bei dem ein Konzert für Flöte (Wolfgang Schulz) und Orchester zur Uraufführung gelangte, gefolgt von der Sinfonie Nr. 1 von Gustav Mahler. Am 23. März 1974 war es Herbert von Karajan, der dort am Pult der Wiener Philharmoniker stand, um mit Vier Motetten von Anton Bruckner und dessen Symphonie Nr. 7 das von dem finnischen Architekten Heikki Siren geplante Brucknerhaus in das Bewusstsein der Musikwelt einzuführen. Paul Stepanek, heute Vizedirektor der Kulturabteilung des Landes Oberösterreich, erinnert sich, dass die Eröffnung dieses Konzerthauses für die gesamte oberösterreichische Kulturszene und im Speziellen für das Musikleben wie ein Befreiungsschlag aus provinzieller Enge wirkte, ein Effekt, der bis heute anhält, allerdings abgewandelt durch gravierende Veränderungen, vor allem im Stellenwert der Klassik. Heute sei "Crossover" ein dominierendes gesellschaftliches Faktum, ob es einem passe oder nicht.

Ähnlich sieht es Wolfgang Winkler, seit 1998 künstlerischer Leiter des Brucknerhauses, der auf die Frage, welche Erfahrungen er mit dem Publikum seither gemacht habe, antwortet: Die Neugierde für alles Neue sei vorhanden, sei es nun für zeitgenössische Musik im Sinne des Jazz und auch im Sinne dessen, was heute vergröbernd U-Musik genannt werde, und ebenso für neue Musik, sobald diese als Avantgarde bezeichnet werde. Aber man müsse die vorerwähnte Unterscheidung bedenken. Als ihm wichtige Anliegen nannte Winkler, es gelte, den Kunstbegriff innerhalb der Musik über die Klassik im engeren Sinn zu erweitern und die Jugendarbeit weiterzuführen.

Auch zwei Linzer Musikkritiker der ersten Stunde sollen hier zu Wort kommen: Denkt Franz Zamazal an die Zeit vor 1974 zurück, als Gastorchester und Publikum noch mit einer Turnhalle, der Straßenbahnremise und einem zwar schönen, aber akustisch wie räumlich höchst unbefriedigenden Konzertsaal vorlieb nehmen mussten, kann er für das Brucknerhaus mit seiner den gesteigerten Anforderungen gerechten Akustik und Ausstattung nur lobende Worte finden. Davon abgesehen biete es als Konzerthaus in Ergänzung zum Landestheater die Möglichkeit, große Opern konzertant aufzuführen. Allerdings wünsche er sich u. a. mehr Alte Musik und Klassiker des 20. Jahrhunderts. Gerhard Ritschel wiederum erzählt, dass es anfangs weltberühmte Künstler waren, die nicht mehr an Linz vorbeifuhren, wie nach Karajan auch Böhm, Bernstein und Pavarotti, während später, in der programmatischen Blütezeit des Hauses unter seinem Direktor Thomas Daniel Schlee, die bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten, von Olivier Messiaen bis Sir Peter Maxwell Davies, nach Linz geholt wurden.

Die Schlussworte einer skizzierten Erfolgsgeschichte, die auch seit 1979 eng verbunden ist mit der Ars electronica und der Klangwolke, seien zwei berühmten Dirigenten überlassen. Wie Zeitzeugen berichten, habe sich Karajan nach seinem Eröffnungskonzert hoch zufrieden über die Qualität der Akustik geäußert und gesagt, dass er sie zu den besten der Welt zähle. Und Dennis Russell Davies, Chefdirigent des Bruckner Orchesters, bestätigt: "Die Akustik im Großen Saal des Brucknerhauses ist ganz ausgezeichnet." Eine Kritik oder Anregung? Die Antwort mag verblüffen: "Für das Publikum würde ich mir wünschen, es würde im Foyer weniger geraucht." Ein erfüllbarer Geburtstagswunsch?

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