Auschwitz anders sehen

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Ein Symposium des Jüdischen Museums Wien und eine Fimreihe des Filmarchivs Austria im Metro Kino über die (Un-)Darstellbarkeit der Schoa.

Die Besucher des Jüdischen Museums Wien sind hauptsächlich Schülergruppen. Junge Leute, die sich mit der Vergangenheit auseinander setzen sollen. Das stellt das Museum vor die Frage: Wie vermittle ich die Schoa? Ohne zu langweilen, ohne Rührseligkeit, ohne reißerisch zu sein, und doch eindringlich, für Jugendliche, die aus Kino und Fernsehen schnelle Schnitte, kleine Informationshäppchen, viele Farben und viel Bewegung gewöhnt sind?

Diese Fragen sind Ausgangspunkt für ein Symposion am 9. und 10. November. Unter dem Titel Zwischen den Zeilen. Evidenzen des Undarstellbaren diskutieren Experten aus Geschichts-, Film-und Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Museologie über die adäquate Vermittlung von Inhalten, die sich dem Häppchen-Konsum verweigern.

Andrea Winklbauer vom Jüdischen Museum Wien hat das Symposion konzipiert: "Bei der praktischen Vermittlungsarbeit ist uns immer wieder aufgefallen, dass die Schüler schon bestimmte Dinge im Kopf haben, die ihnen von den Lehrern gezeigt wurden, vor allem einschlägige Spielfilme: Schindlers Liste oder Das Leben ist schön." Gerade diese Filme sind aber problematisch in der Art und Weise, wie mit der Schoa umgegangen wird. Prinzipiell ist es nicht einfach, die Thematik zu verfilmen, da das eigentliche Grauen schwer in Bilder umgesetzt werden kann. Beim Spielfilm kommt noch das fiktionale Element verfremdend hinzu: "Spielfilm ist einfach Fiktion, und das Feeling beim Zuschauer ist ,Es ist ja eh nur ein Film'." Die wahre Problematik kann ein Spielfilm nicht vermitteln, so Winklbauer. Also versuchte man, solche Filme in Workshops mit den Lehrern zu diskutieren. "Dabei sind wir draufgekommen, dass die Art und Weise, wie die Schoa dargestellt wird, für die Lehrer offenbar keine große Rolle spielt."

Doch wie kann man begreifbar machen, ohne zu illustrieren? Täuscht nicht auch ein Dokumentarfilm darüber hinweg, dass es sich um eine subjektive Auswahl von Bildern handelt? Doch vor allem im Spielfilm droht immer wieder das, was Winklbauer "Gefühlssoße" nennt: Rührseligkeit angesichts des Völkermords. Was anderen an Schrecklichem widerfahren ist, kommt durch die mediale Vermittlung beim Betrachter als ästhetische Erfahrung an. Für die Arbeit mit Schülern muss man einen Schritt weitergehen: "Wir können nicht einfach so tun, als ob sie nicht Schindlers Liste gesehen hätten, als ob es diese Bilderproduktion nicht gäbe." Geschichte wird zunehmend in Bildern vermittelt, und diese Bilder nähern sich immer mehr dem Mainstream an - und verfälschen die Erinnerung.

Das Symposion thematisiert die Problematiken filmischer, fotografischer und literarischer Repräsentation der Schoa und die Musealisierung des Holocaust. Ein Filmprogramm, zusammengestellt von Winklbauer und dem Filmwissenschafter Matthias Wittmann, ist Anstoß und Ausgangspunkt für Überlegungen und Diskussionen. Alain Resnais' Nuit et Bruillard ebenso zu sehen wie Claude Lanzmanns schwer zugängliche neunstündige Dokumentation Shoah, der Spielfilm Hitlerjunge Salomon wie auch Mel Brooks' Musical-Groteske Springtime for Hitler. Es fehlen die bekannten Dramen und Tragikomödien wie Schindlers Liste und Zug des Lebens.

Die Beschäftigung mit dem Material für das breite Publikum ist aber notwendig und kann fruchtbar sein. "Alle sind über Hannah Arendt hergezogen, als sie polemisch über den Eichmann-Prozess berichtet hat. Aber andererseits sind es diese Polemiken, die leichter eine Auseinandersetzung in Gang bringen. Arendt hat mit ihrem Buch ein großes Publikum erreicht", vergleicht Winklbauer.

Die Bilder sind bekannt: die gestreifte Häftlingskleidung, die ausgemergelten Gestalten, die Viehwaggons, der Wachturm von Auschwitz. Doch sie dürfen nicht bloße Bilder bleiben: Auch für neue Seh-und Lesegenerationen muss die Geschichte fassbar werden.

VERANSTALTUNGSHINWEIS

Das Symposion findet am 9. und 10. 11. im Metrokino Wien statt. Dort werden von 8. bis 12. 11. auch die Filme gezeigt.

Filmprogramm unter www.filmarchiv.at

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