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Das Young Directors Project der Salzburger Festspiele zeigt einen Versuch, das Grauen der Lager darzustellen.

Drei Erwachsene kriechen auf dem Boden und spielen Auschwitz. Sie bewegen Puppen in Sträflings-Kleidung und Naziuniform über die Bühne, und dazu ertönt Musik, ein bedrohliches Dröhnen vielmehr, und keinen Augenblick vergessen wir, dass dies ein Spiel vom Sterben der unschuldigen Menschen ist. Die Gruppe Hotel Modern aus Rotterdam war im Rahmen des Young Directors Projects zu Gast bei den Salzburger Festspielen und zeigte, dass der Schrecken, den das 20. Jahrhundert über Millionen von Menschen brachte, en miniature nachvollziehbar ist. Aber zeigte sie das wirklich?

Der Alltag im Lager wird nachgestellt - gerade so, wie Kinder den großen Krieg mit Playmobil-Figuren zu imitieren suchen. Das enthebt sie für Augenblicke aus ihrer kleinen Welt, in der sie geduldet, aber belächelt werden. Wenn sie sich jedoch einfühlen in die wirklich harte, knochenharte Realität, dann dürfen sie sich ein bisschen stärker, eben erwachsen geben. Sie üben sich ein in die Riten der Großen und trainieren so früh genug, dass das Leben kein Honigschlecken ist.

Die Gruppe ist jung, ambitioniert und absolut furchtlos. Das ist das Positive, was sich über sie sagen lässt. Denn in ihrem so maßlosen Anspruch, Auschwitz mit Spielfiguren nachzustellen, scheitern sie. Das liegt nicht an der Gruppe, sondern an der Übermacht des Themas. Überhaupt ist es schwer vorstellbar, dass sich im Abstand von über 60 Jahren Auschwitz zeigen lässt. Mit der bloßen Anschauung ohne jeden Funken der Reflexion kommt man über eine bloße Illustration nicht hinaus. Aber wie illustriert man Unmenschlichkeit? Wie zwingt man einen Massenmord auf den Boden einer Bühne, die mit aller Gewalt Welt bedeuten will?

Ein Tag im Leben eines Kollektivs wird vorgeführt. Pauline Kalker, Arlene Hoornweg und Herman Helle, die Regie, Konzept und Spiel gemeinsam entwickelt haben, ist nie ein Vorwurf zu machen, dass sie historisch nachlässig gearbeitet hätten. Alles, was sie zeigen, ist durch historische Forschungen und die Literatur belegt. Wir sehen ausgemergelte Figuren, den Mund zumeist im Schrecken aufgerissen, bei quälender Arbeit. Ein Transportzug trifft ein, Häftlinge werden an der Rampe aussortiert. Drastische Szenen spielen sich bei der Essensausgabe ab, zwischendurch werden drei Menschen gehängt, einer wirft sich später in den elektrischen Zaun.

Und natürlich dürfen auch die fürchterlichen Szenen der Vergasung und anschließenden Verbrennung der Leichen nicht fehlen. Weil das für den Zuseher weit weg abläuft, werden Details von einer Kamera aufgenommen, und auf einer Leinwand ist in Wochenschau-Qualität zu sehen, welche Gräuel gerade stattfinden. Und immer dabei die Schergen in SS-Montur, die Kontrollinstanzen der Vernichtung.

Theater schafft es, eine Gesellschaft abzubilden, indem sie Einzelschicksale herausgreift und sie als repräsentativ für das Ganze nimmt. Im Stück Lager - eine theatralische Animation in Echtzeit aber wird das Schicksal von gleich eineinhalb Millionen Menschen in Auschwitz abgehandelt. So muss man am Ende meinen, aus Individuen sei in Haft eine gesichtslose Masse geworden. Dabei findet jedes Sterben, wie bürokratisch es auch immer organisiert worden sein mag, individuell statt. Die Aufführung führt die Austreibung des Menschen unter dem Einfluss des Kollektivs vor, in der Literatur aber lesen wir stets aufs Neue von der widersätzlichen Natur des Menschen, die auch unter Lagerbedingungen ihr Ich nicht kampflos preiszugeben bereit ist.

Vom Stück WMF. Wiedersehen macht Freude des Duos "Auftrag: Loreley" gibt es nicht viel zu berichten. Es fand nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zwölf Darsteller saßen zwölf Zuschauern gegenüber, und daraus ergaben sich persönliche Kontroversen.

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